Einander auf Augenhöhe begegnen
Der strenge Bischof Wolfgang ist nicht nur ein Freund der Mächtigen im Reich, sondern auch der Machtlosen und Notleidenden. Bei ihnen zeigt er sich selbstlos und großzügig. Den Armen ist, so heißt es in einer Chronik, jederzeit der Zutritt zum Bischof offen. Er nennt sie seine „Herren“ und „Brüder“. Täglich speist er eine Anzahl Bettler in seiner bischöflichen Wohnung und ist persönlich anwesend, damit sie sich „nicht vernachlässigt fühlen“. Bedürftigen Familien lässt er Speisen in ihre Wohnungen bringen und zwar so geheim, dass sie selten erfahren, wer der großzügige Spender ist.
Als im Jahr 987 eine Hungersnot ausbricht, lässt Bischof Wolfgang seine Kornspeicher öffnen und gibt Auftrag, jeder, auch wenn er von ferne kommt, solle so viel Brotgetreide erhalten, wie er brauche. Wolfgang stellt aber eine Bedingung: Die Beschenkten müssen versprechen, zu Hause die Hälfte des Getreides an die Armen zu verteilen.
Ein Vorfall ist bezeichnend für die menschliche Haltung des Regensburger Bischofs: Ein Bettler schneidet sich in der Wohnung des Bischofs ein großes Stück vom Bettvorhang ab und will damit verschwinden. Er wird ertappt und zu Wolfgang gebracht. Die Hausgenossen fordern strenge Bestrafung. Der Bischof gibt allerdings den Dienern die Schuld, weil sie nicht aufgepasst hätten. Er fragt den Dieb, warum er gestohlen habe. Der erklärt zitternd, dass er kein Kleid habe, um seine Blöße zu bedecken. Da erbarmt sich der Bischof, schenkt dem Mann ein gutes Kleid und meint: „Wäre er gut gekleidet gewesen, hätte er nicht gestohlen. Daher soll er jetzt dieses Kleid empfangen. Stiehlt er aber auch jetzt wieder, dann soll er bestraft werden!“ Dann entlässt er den Frevler in Frieden, heißt es in der Chronik.
Text: Franz Rohrhofer