verstanden • berührt
auffallen und gefallen
Es kann sein, dass einem ein Mensch unter den vielen, denen man begegnet, besonders auffällt und gefällt. Man schaut diesem Menschen nach und schaut ihn gerne an. Gelegenheiten des Wiedersehens werden gesucht und herbeigeführt. Zusammenkommen, Begegnung – also mehr als Kontakt – wird vereinbart, geplant und gestaltet, manchmal sogar auf Dauer, wie zum Beispiel in der verbindlichen Lebensform der Ehe.
angezogen und hingeneigt
Man gewinnt Interesse an diesem Menschen und will auch selbst für diesen Menschen interessant sein. Blicke werden getauscht. Worte werden gewechselt. Zwei Menschen erzählen einander von sich, die eigene Geschichte mir ihren Geschichten. Es entsteht Beziehung, wenn Menschen sich voneinander angezogen und zueinander hingeneigt fühlen. Viele fühlen sich vom anderen Geschlecht angezogen und zum anderen Geschlecht hingeneigt, einige zum eigenen Geschlecht. Letzteres ereignet sich bei etwa fünf von Hundert. Das sucht sich in der Regel niemand aus. Das ist so und wird gesellschaftlich und kirchlich immer mehr anerkannt.
Beziehung und Bindung
In der Begegnung entsteht Vertrautheit, denn Menschen vertrauen einander etwas – mehr noch sich selbst – an. Sie lassen an ihrem Denken und Fühlen einander teilhaben, indem sie sich mitteilen. Auf diese Weise können beide immer mehr am Leben des anderen teilnehmen. Was ereignet sich, wenn zwei ICH füreinander zu zwei DU und mit der Zeit gemeinsam zu einem WIR werden? Es kann sein, dass aus der Beziehung, dem voneinander Angezogen- und dem zueinander Hingeneigt-Sein, Bindung wird. Das gesuchte und gestaltete Miteinander wird immer verbindlicher. Das kann sich geistig und körperlich ereignen.
einander mögen
Was macht es aus, dass Menschen einander mögen? Das hat mit dem Interesse zu tun. Dieses Wort deutet eine Beziehuhgsdynamik an. Da ist etwas dazwischen – „inter“ – dem bzw. den Seienden – „esse“. Es ist immer etwas zwischen uns Menschen. Es kann ein angenehmes Klima, eine wohlwollende Atmosphäre, ein guter Geist – möglicherweise sogar Heiliger Geist – sein, aber auch ein unterkühltes Klima, eine ablehnende Atmosphäre, ein unguter Geist. Man kann das die Spiritualität der Beziehung nennen. Mit Spiritualität sind immer auch die Einstellung und die Haltung sowie das sich daraus folgende zueinander Verhalten gemeint. Günstigenfalls ist es die Haltung des Wohlwollens, also die Liebe, und die Umsetzung der Liebe durch einander Wohltun. So gesehen ist Liebe ein „Tunwort“. Liebe erfordert immer einen aktiven Einsatz. Am besten diesen: Ich mache und erhalte mich für dich liebenswert. Sich vom Partner bzw. von der Partnerin zu erwarten, dass er bzw. sie alles weiß was ich brauche und mir alles, am besten sofort gibt, das kann eine heillose gegenseitige Überforderung sein, stört und zerstört Beziehung und Bindung.
verstanden werden
Es tut der Seele gut, wenn man verstanden wird. Diese Erfahrung wird günstigenfalls schon in der Kindheit gemacht. Eltern kennen ihr Kind mehr oder weniger und Geschwister einander auch. Wenn ich gekannt, erkannt und anerkannt bin, kann es sein, dass ich mich verstanden fühle. Die im alltäglichen Miteinander – auch von Lebens- und Liebespartnern – entstehende und wachsende Vertrautheit, kann so weit führen, dass ich mich nicht ständig erklären muss. Sich nicht erklären müssen, aber erklären können und dürfen, weil es das geliebte und liebende Du interessiert, ist eine Qualität des sich Verstanden-Fühlens. Verstanden werden in der Paarbeziehung, entsteht durch Interesse aneinander sowie in der Mitteilung durch Kommunikation. Das können Worte sein. Das kann sich manchmal aber auch im schweigenden Miteinander ereignen, denn es kann sein, dass Menschen einander in glücklichen Augenblicken auch ohne Worte verstehen. Um verstanden zu werden, braucht es eine Kultur des Gesprächs, die es zu erlernen und zu pflegen gilt. Das Gespräch ist eines der wichtigsten Beziehungsinstrumente. Dabei kommt es wie bei Musikinstrumenten viel auf das Üben an. Reden und Zuhören lernt man durch Übung, einüben und ausüben. Im Einüben wird zugleich ausgeübt und im Ausüben übt man auch ein. Man übt, was man schon ein wenig kann und wird dabei immer besser. Manche werden sogar virtuos, nicht nur in der Musik. Wichtig ist im beziehungsstiftenden und bindungsvertiefenden Gespräch, sich selbst verständlich zu machen, Einblick in sich, in die Gedanken und Gefühle zu geben. Dabei ist es nicht immer leicht, die eigenen Gefühle wahrzunehmen, zu erkennen und zu benennen. Es fehlen vielfach die Worte dafür oder sind missverständlich. Um verstanden zu werden, muss ich mich überwiegend selbst verständlich machen.
berührt werden
Menschen, die einander mögen, wollen einander nahekommen – hautnah – zärtlich, erotisch und sexuell. Sie wollen berührt werden. Die Haut ist das größte und vielleicht auch sensibelste Organ. Berührt werden sowie berühren, das muss man wollen. Berührung gelingt nur in Freiheit von geben und nehmen. Dabei ist das Bitten und Bieten zu beachten. Beides in der Offenheit, dass eine Bitte oder ein Angebot erfüllt wird oder nicht, oder so nicht, oder jetzt nicht. Sich darüber verständigen können, was gerade jetzt oder zum vereinbarten Zeitpunkt gewünscht oder geboten ist, ist eine Liebeskunst. Einander spüren lassen durch berühren, braucht Respekt und achtsame Behutsamkeit. Zu beachten sind auch die Berührungen mit Augenblicken, also dem Du in die Augen zu schauen, wenn ich ihm etwas sagen will. Es ist auch möglich, manche Selbstmitteilungen zu verstärken, indem beide einander an der Hand halten und damit spürbar machen, jetzt will ich aufmerksam und aufnahmebereit für dich da sein. Einerseits, bitte hör mir zu, was ich von mir zu erzählen weiß und andererseits, mich interessiert, was du mir von dir mitteilst. Berührt werden kann sich körperlich und seelisch ereignen.
wiederentdecken durch wiederbeleben
Auch wenn Paare trotz Beisammensein einander aus den Augen und aus dem Sinn verloren haben, ist es möglich, einander wieder zu entdecken. Es ist möglich, Worte, Gesten sowie gemeinsames Tun von einst wieder zu beleben. Möglicherweise ist es aber erforderlich, den Beziehungsmüll zu entsorgen, der mit den Jahren das Wohlwollen und Wohltun verschüttet hat. Dabei kann man sich auch helfen lassen, vor allem wenn der Beziehungsmüll zum Sondermüll geworden ist. Partner-, Ehe-, Familien- und Lebensberatung kann hilfreich sein, die eigene Beziehungskompetenz wieder wahrzunehmen und eigenverantwortlich einzusetzen. Möglicherweise muss ein Paar sich sogar auf einen Prozess des Verzeihens, Vergebens und Versöhnens einlassen. Es zahlt sich aus, zugunsten der Bindung laufend oder neu in die Beziehung zu investieren. Beziehungsqualitätssicherung kann man das nennen.