bitte • danke • entschuldige
Beziehung braucht Blumen und mehr
Seit dem Jahr 2000 gibt es in Europa rund um den Valentinstag Gottesdienste mit Paarsegnung. Erfunden haben diese Feierform der ehemalige Dompfarrer und heutige Weihbischof von Erfurt, Reinhard Hauke, und die evangelische Schulpfarrerin Bianka Piontek. Die beiden haben überlegt, ob die christlichen Kirchen anlässlich des Gedenktages des Valentin, des Heiligen der Freundschaft und Liebe, etwas anbieten könnten, das über den Kommerz von Blumen, Parfüm und Bonbonieren hinausgeht? Ihnen ist eingefallen, dass die Menschen eine große Sehnsucht nach dem Gelingen ihrer Beziehung haben. So entstand also der ökumenische Gottesdienst für Menschen, „die partnerschaftlich unterwegs sind“ (Joachim Wanke). Davon angeregt, feiere ich als Beziehungs-, Ehe- und Familienseelsorger solche Gottesdienste auch schon seit 2001.
„Amoris laetitia“ – „Freude der Liebe“
Sehr konkrete und alltagstaugliche Hinweise, wie Beziehung gelingen kann, hat Papst Franziskus in „Amoris laetitia“, in „Freude der Liebe“ (AL 133 und 266) gegeben. Er meint, dass Gewohnheiten zu entwickeln sind und dass Worte und Gesten, die die Liebe ausdrücken, gepflegt werden sollen. Er weist dabei auf drei „Schlüsselworte“ hin, „bitte“ („Darf ich?“), „danke“ und „entschuldige“. Seine Empfehlung lautet: „Seien wir nicht kleinlich mit dem Gebrauch dieser Worte, seien wir großzügig, sie Tag für Tag zu wiederholen.“
Gewohnheiten und Wiederholungen
Beziehungen sind geprägt von Gewohnheiten und Wiederholungen. Im Laufe der Zeit entstehen auch in Beziehungen – mehr oder weniger bewusst, vereinbart oder nicht vereinbart – Gewohnheiten, die auch wiederholt werden. Gute Gewohnheiten entlasten den Ablauf des Lebens. Schlechte belasten. Günstig ist es in der Paarbeziehung, Gewohnheiten nicht nur entstehen zu lassen, sondern bewusst und gemeinsam zu schaffen und auch zu vereinbaren. Es ist erforderlich, von Zeit zu Zeit – immer wieder einmal – zu überprüfen, ob diese Gewohnheiten noch passend, stimmig, alltagstauglich und beziehungsförderlich sind. Die Wiederholung ist ein kostbarer Lebensvollzug, der darin besteht, das wieder und wieder herzuholen, was schon einmal gutgetan und geholfen hat. Da gibt es vermutlich viel in jeder Beziehung.
bitte
Ich gehe speziell auf das Danken ein. Zuvor jedoch gebe ich Hinweise zum Bitten und zum Entschuldigen. Also zum Bitten. Ist das für Sie bereits eine gute Gewohnheit, die Sie wiederholend in Ihrem Miteinander pflegen? Wer bittet, zeigt sich bedürftig, will etwas haben, was er oder sie selbst nicht hat, möglicherweise sogar notwendig braucht, was begehrenswert ist und das Leben bereichern kann. Bitten ist ein Vorgang der Freiheit. Die Freiheit ist auf beiden Seiten, beim bzw. der Bittenden und beim bzw. der Gebenden. Bitten müssen ausgesprochen werden, damit sie erfüllt werden können. Bitten sind dazu da, um in Freiheit erfüllt zu werden – oder auch nicht – oder so nicht – oder jetzt nicht. Schön, wenn Bitten erfüllt werden, so oder anders, jetzt oder später. Das bereichert das Leben, den Gebenden und die Empfangende bzw. die Gebende und den Empfangenden. Geben und Nehmen sind Grunddynamiken in jeder Beziehung. Im Geben und Nehmen ereignet sich ein wenig von dem, was man mit „Leben in Fülle“ meint. Und das ist mehr als ein mit allem Möglichen oder Unmöglichen angefülltes Leben. Schlimm ist es jedoch, wenn Bitten nie erfüllt werden. Da verkümmert dann mit der Zeit jede Beziehung. Soweit ein kurzer Hinweis zum Bitten.
entschuldige
Bevor ich schließlich auf das Danken eingehe, noch ein Hinweis auf das dritte „Schlüsselwort“, wie Papst Franziskus das nennt, nämlich „entschuldige“. Menschen in Beziehung bleiben einander immer wieder etwas schuldig, ob sie das wollen oder nicht. Das kann ärgern und sogar kränken. Dabei kommt es nicht auf die Absicht an, sondern auf die Wirkung. Wir werden in diesem Sinn aneinander schuldig, dass wir nicht immer unsere guten und besseren Möglichkeiten einsetzen. Diese Schuld, nämlich etwas schuldigbleiben, ist nicht unbedingt eine moralische Schuld, sondern eher eine existentielle. Wir könnten z.B. freundlich, aufmerksam und liebevoll sein, sind es aber nicht. Und so bleiben wir also gute Lebensmöglichkeiten, Wohlwollen und Wohltaten, schuldig. Wenn wir einander nicht geben, was wir könnten, entsteht ein Mangel in der Beziehung. Es kommt auch vor, dass wir einander verletzen, z.B. durch eine Bemerkung. Auch auf diese Weise sind wir die bessere Lebensmöglichkeit schuldig geblieben. Natürlich gibt es auch noch Schlimmeres. Wir machen die Erfahrung, was auch immer geschehen ist, kann nie und nimmer ungeschehen gemacht werden. Der Mangel, die Schuld, die Verletzung wirken. Sich „entschuldigen“ ist dann die Bitte, dass eine Schuld, die bestehen bleibt, weil sie nicht zur Nichtschuld gemacht werden kann, nicht (mehr) eingefordert, nicht (mehr) angerechnet und nicht (mehr) vorgehalten, sondern vergeben wird. Das ist so ähnlich wie das Abschreiben einer uneinbringlichen Forderung. Es braucht jedoch manchmal mehr als nur „Entschuldige!“ zu sagen. Im Beziehungsleben ist immer wieder einmal der Prozess des Verzeihens, Vergebens und Versöhnens erforderlich, bei dem man sich kompetent begleiten lassen kann. Das müsste jedoch umfangreicher betrachtet werden.
danke
Ich komme nun schließlich zum Schlüsselwort „danke“. Dank und danken ist eine Beziehungsdynamik. Unser Wort „danken“ kommt von „denken“. „Nur wer denkt, kann dankbar sein“, meint Anselm Grün. Raymond Saint-Jean nennt die Dankbarkeit „das Gedächtnis des Herzens“. Der Dankbare denkt mit dem Herzen. Er nimmt wahr, was ihm täglich geschenkt wird. Der Undankbare denkt nicht daran und vergisst das. Danken heißt also, daran denken, dass und was mir jemand gibt; daran denken, was er / sie mir bedeutet; daran denken, was ich an ihm / an ihr schätzenswert finde; daran denken, was ich an ihm / an ihr „habe“. Dankbarkeit hat einen achtsamen Blick für das Wertvolle meines Lebens. Dankbarkeit wird durch Anspruchshaltung zerstört: „Mir steht das zu. Das hast du mir zu geben.“ In unserer Zeit wächst das Anspruchsdenken. Das vertreibt das dankbare Gedenken. Das Anspruchsdenken macht nicht glücklich. Zufrieden ist nur der dankbare Mensch. Ausgesprochene Dankbarkeit schafft Beziehung durch Anerkennung. Dank bewirkt Lebensqualität und vermehrt das Beziehungskapital. Dank gehört aber auch angenommen. Danken und Dank annehmen, ist etwas Anderes als Leistung und Gegenleistung. Wenn wir Leistung und Gegenleistung erbringen, dann sind wir „quitt“, dann „quittieren“ wir einander, dass nun keiner mehr etwas zu geben und zu bekommen hat. Sich gegenseitig eine Quittung ausstellen, das hat mit Berechnung und geschäftlichem Ausgleich zu tun. Dankbarkeit hat mit Geschenk zu tun, lebt vom Geschenkcharakter, der in jedem Miteinander ist. Liebende wollen einander beschenken. Das größte Geschenk aber, das wir einander geben können, ist unsere gegenseitige Liebe, sind unser Wohlwollen und unsere Wohltaten. Liebe aber kann man nur genießen, wenn man sie dankbar gibt und dankbar empfängt. Übrigens, haben Sie heute Gott schon für den Menschen an Ihrer Seite gedankt?
Quellenangaben:
Papst Franziskus, Amoris laetitia Nr. 133.266.268.
Anselm Grün, Das Glück der Dankbarkeit.
Reinhard Hauke, Eine Einladung. Segnungsgottesdienst für alle, die partnerschaftlich unterwegs sind, in: Gottesdienst Nr. 7, Jg. 34 / 2000.