Warum beerdigen wir unsere Toten?
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Die Frage nach dem Sinn des Lebens
Auch wenn der Tod in den Medien allgegenwärtig scheint, wird der Mensch im Angesicht eines Toten auf besonders intensive Weise mit seiner eigenen Sterblichkeit konfrontiert. Wer am Totenbett oder Grab eines Menschen steht, bedenkt nicht nur, welchen Sinn das Leben des Verstorbenen hatte und welche Zukunft dem Verstorbenen bereitet ist. Es geht immer auch um die Frage, welchen Sinn und welche Zukunft das eigene Leben hat. Deshalb gehört die Erfahrung des Todes der Anderen zu den existenziellen Herausforderungen der Menschen.
- Die Kraft der Gemeinschaft
Der Tod eines Menschen ist nicht nur für die eigenen Angehörigen Anlass zur Trauer, er ist auch ein soziales Ereignis. Denn die Sorge um die Toten und die Hinterbliebenen gehört zu den wichtigen Aufgaben jeder Pfarrgemeinde. Der Tod eines Christen berührt immer auch die ganze Gemeinde.
Die Begräbniskultur in unserer Gesellschaft entwickelt sich immer stärker hin zu privaten, individuellen Feierlichkeiten im engsten Familienkreis. Entgegen diesem Trend hält die katholische Kirche daran fest, dass eine kirchliche Begräbnisfeier nicht privater Natur, sondern ein Gottesdienst ist, an dem die Pfarrgemeinde teilnehmen kann.
„Wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit.“ (1 Kor 12,26)
- Voller Würde und Respekt
Weil dem Menschen über den Tod hinaus Würde zukommt, aus Respekt vor der Individualität jedes Menschen, hält es die Kirche für notwendig, dass das Grab jedes Verstorbenen mit seinem Namen und Kreuz versehen wird. In Erinnerung an den Tod und das Begräbnis Jesu, empfiehlt die Kirche nachdrücklich als vorrangige Form die Bestattung des Leichnams. Doch auch die Feuerbestattung ist möglich, sofern diese nicht aus Gründen gewählt wurde, die dem christlichen Glauben an die Auferstehung widersprechen.
- Mit Weihwasser und Erde den Tod begreifen
Nach dem Absenken des Sarges in das Grab, besprengt der Priester oder Diakon den Sarg mit Weihwasser. Er spricht: „Gott vollende in dir, was er in der Taufe begonnen hat.“ Es erinnert daran, dass wir Christen durch die Taufe für das ewige Leben bestimmt sind. Auch die Trauernden können sich bei diesem Ritual beteiligen und der Verbundenheit durch die Taufe im Leib Christi gedenken, die auch der Tod nicht aufhebt.
Anschließend wird Erde ins Grab geworfen. Eine Möglichkeit für alle physisch Abschied zu nehmen – die Erde mit den Händen zu greifen, den Abschied zu begreifen.
„Von der Erde bist du genommen, und zur Erde kehrst du zurück.
Der Herr aber wird dich auferwecken.“
- Beerdigung als wichtiger Teil der Trauerarbeit
Das Einsenken des Sarges löst bei den Angehörigen häufig starke Emotionen aus. Deshalb gibt es Tendenzen, den Sarg erst abzusenken, wenn die Trauergemeinde den Beisetzungsort verlassen hat. Dadurch bleibt aber das Ritual der Beerdigung im Erleben der Trauernden unvollendet und die Kraft des Ritus geht verloren. Durch das Einsenken des Sarges wird die Realität der (räumlichen) Trennung und des Verlustes deutlich. Dieses rituell begleitete Zulassen des tiefen Trennungsschmerzes kann helfen, die Endgültigkeit des Todes zu realisieren. Und das wiederum ist wesentlich für den Prozess zur Bewältigung der Trauer. Die Anwesenheit der Trauergemeinde sorgt zudem dafür, dass sich der Trauernde in der solidarischen Gemeinschaft der Gemeinde aufgehoben und nicht sich selbst überlassen fühlt.
- Das Traueressen als gemeinsamer Abschluss
Als psychologisch wichtiger Abschluss der Riten fungiert der sogenannte Leichenschmaus, in Oberösterreich häufig auch als Zehrung bezeichnet. Er symbolisiert den Abschluss des Übergangs in die jeweils neuen sozialen Rollen. Der oder die Verstorbene wird zum Leichnam, der an dem ihm oder ihr nun zugewiesenen Platz – dem Grab – zurückgelassen wird. Die Hinterbliebenen erhalten ebenfalls einen neuen „Status“ – z.B. Witwe:r, Waise. Ihr Ort ist nicht das Grab, sondern die Welt der Lebenden. Durch den Leichenschmaus wird die Rückkehr in diese Welt zum Ausdruck gebracht.
Liturgiereferate Österreichs: Christliche Begräbniskultur.
Gemeinsam Halt und Trost spenden
Sich in der Trauer leise getragen fühlen – füreinander Dasein – Zuhören – Mitfühlen – gemeinsam Schweigen, wenn Worte fehlen – in der Verzweiflung eine berührende Geste – miteinander Weinen – den Kummer beklagen – in der Trostlosigkeit kraftvollen Erinnerungen ihren Raum geben – sind Ausdruck des Mitgefühls, der Anteilnahme und vermögen mitten im Abschiedsschmerz Halt und fühlbaren Trost zu spenden.
Dafür sind Begräbnisse, sind Abschiedsfeiern da! Um gemeinsam unsere Betroffenheit zu fühlen, um gemeinsam das Leben zu würdigen, das seine Vollendung gefunden hat, um uns gemeinsam zu freuen im Namen derjenigen die wir lieben, denen diese Zusammenkunft gilt.
Damit wir unsere tiefe Dankbarkeit zum Ausdruck bringen und die Freude am Leben eines Tages wieder ganz zu uns zurückkehren darf.
© Dieter Reutershahn, Pfarrer Linz-Heiliger Geist