Warum es uns schwerfällt über den Tod zu sprechen
Unser Verständnis von der Welt, den Menschen und unser Lebensgefühl nehmen auch Einfluss auf die Wahrnehmung über Sterben und Tod. Die Aussagen und Bilder der Bibel stammen aus einem Welt- und Menschenbild, das vergangen ist. Sie beruhen auf einem Lebensgefühl, das es heute kaum mehr gibt. Können wir uns trotzdem von der biblischen Perspektive etwas in die heutige Lebenswelt mitnehmen? Die Theologin Mag.a Dorothea Schwarzbauer-Haupt stellt die drei Entwicklungen gegenüber.
Was unser heutiges Weltbild prägt
Die Bibel sieht die Welt in Stockwerken: In der Mitte ist die Erde, oben der Himmel in dem Gott thront und unten die Hölle. Himmel, Hölle und Fegefeuer werden als Orte gedacht, an die die Seele der Menschen nach ihrem Tod kommen wird. Diese Orte werden in leuchtenden Farben beschrieben als Ausdruck, wie es dort ist. Die Ewigkeit wird als weiterhin vergehende Zeit gedacht, die niemals endet.
„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch:
Wer glaubt, der hat das ewige Leben.“
Johannes 6,47
Das heutige Weltbild ist stark von den Naturwissenschaften geprägt, die vieles gut erklären. Das Behandeln von spirituellen und geistigen Fragen liegt jedoch nicht in ihrem Bereich. Sie gibt keine Antwort darauf, ob etwas nach dem irdischen Leben kommt. Wir sehen Himmel, Hölle und Fegefeuer nicht mehr als Orte an, sondern als spirituelle Zustände. Diese können wir mit Bildern beschreiben, jedoch nicht auf ihren „Wahrheitsgehalt“ überprüfen. Zudem kommt dem heutigen Wissenstand die Vorstellung von Ewigkeit als Gegenwart und verdichtete Zeit näher.
Der Wandel des Menschenbildes durch Religion und Wissenschaft
Das Judentum sieht den Menschen als Einheit. Der ganze Mensch lebt, stirbt und geht in die Ewigkeit. Im Griechischen gibt es die Beschreibung des Menschen als Körper, Seele und Geist. Die griechische Vorstellung nimmt an, dass sich die Geistseele im Tod vom Körper trennt und befreit ins Reich der Seelen zurückkehrt. Für die jüdische Religion hingegen ist die Geistseele zutiefst vom Leben des Menschen geprägt. Sie ist „leibhaftig“, wenn sie zum ewigen Leben aufersteht. Der physikalische Körper wird in dieser Vorstellung in die Erde gebettet und „schläft“ dort bis zum jüngsten Tag, wo er wieder mit der Seele vereint wird.
Heute wird der Mensch von der Medizin und Psychologie aus betrachtet. Diese Wissenschaften haben die personale geheimnishafte Dimension des Menschen nicht vorrangig im Blick. Der Tod ist das Ende des Stoffwechsels eines Menschen. Seine Leiche wird durch Bestattung oder Verbrennung wieder in Moleküle zerlegt und dem Kreislauf des Lebens zugeführt. Die Seele wird als Bereich der Gefühle und des Verhaltens gesehen und erlischt ebenfalls mit dem Zusammenbruch des Stoffwechsels.
Doch der Mensch hat auch eine geistige Dimension mit Verstand und Willen. Das wird heute im allgemeinen Sprachgebrauch als unsterbliche Seele bezeichnet. Was mit dieser nach dem Tod passiert, ist Gegenstand von Religion und Philosophie. Aus diesem Grund wird das Schicksal der menschlichen Leiche nicht mehr mit der Weiterexistenz dieser Seele verbunden. Die Art der Bestattung hat keine Bedeutung für das Weiterleben der Seele im Jenseits.
Welches Lebensgefühl bestimmt unsere Wahrnehmung heute?
Die biblische Erzählung von der Vertreibung der Menschheit aus dem Paradies hat zu einer pessimistischen Sicht der Welt und des menschlichen Lebens geführt. Die griechische Philosophie, die in manchen Strömungen Leib-, Lust- und Materiefeindlich war, hat das verstärkt. Als Entschädigung für diese Mühen wurde den guten Menschen ein glückliches, schönes Jenseits versprochen. Wer jetzt leidet, wird im Himmel glücklich sein. Auch in vielen religiösen Texten und Gebeten gibt es diese Betonung der Ewigkeit, als eigentlicher Sinn des Menschen. Das irdische Leben wird relativiert.
„Wenn man unter Ewigkeit nicht unendliche Zeitdauer,
sondern Unzeitlichkeit versteht, dann lebt der ewig,
der in der Gegenwart lebt.“
Ludwig Wittgenstein
Aber dieses Lebensgefühl ist verschwunden. In der heutigen Zeit wollen wir Menschen erfüllt, glücklich und erfolgreich leben. Das, was das Leben bietet soll genossen und ausgekostet werden. Was danach kommt, wenn überhaupt was kommt, interessiert die Menschen oft weniger. Erst wenn man mit dem Tod eines lieben Menschen konfrontiert wird, kommen Fragen über das Leben nach dem Tod auf. Die Ewigkeit wird nicht als etwas Besseres gesehen. Vielmehr betrifft sie uns erst, wenn man über Verstorbene und ihr Leben nach dem Tod reflektiert.