„Auf den Punkt da sein!“
Dominik Landertinger. Ausdauer im Langlauf und Ruhe am Schießstand sind in seinem Sport gefragt. Biathlon. Und Biathlon – das ist wohl sein Leben. Und das, obwohl er als Kind zunächst Skispringer werden wollte und als Jugendlicher eigentlich Maschinenbautechniker gelernt hat.
Dominik Landertinger beim Sprint am 11. Dezember 2015 in Hochfilzen (Foto: © OK Hochfilzen/C. Einecke)
Erst mit zehn Jahren begann Landertinger 1998 mit Langlauf und Biathlon. Schon 2003 kam das Biathlon-Talent in den österreichischen Nationalkader. Nach Erfolgen als Jugend- und Juniorensportler im Europacup debütierte er in der Saison 2006/2007 im Weltcup in Pokljuka. Und spätestens seit seinem ersten Weltmeistertitel im Massenstart 2009 ist Landertinger in der Biathlonwelt als „Maschine auf der Loipe“ hoch im Kurs.
„Das Erfolgserlebnis ist auch eine Erfahrung, die süchtig macht...“
Besonders fasziniert ist Landertinger vom Wettkampfgedanken. Angetrieben wird er dabei stets von dem Ziel „besser zu sein und besser zu werden“. Ein Gedanke, der ihn anspornt und ihm Spaß bereitet: im normalen Training, aber selbst in der intensivsten Vorbereitung und im Wettkampf dann sogar noch ein bisschen mehr. Denn: „Mich zu verausgaben, auf den Punkt da zu sein, finde ich cool.“ Und das hat bei Landertinger ja glücklicherweise schon mehrfach punktgenau funktioniert.
Dominik Landertinger und Lowell Bailey bei der Verfolgung am 12. Dezember 2015 in Hochfilzen (Foto: © OK Hochfilzen/C. Einecke)
Und wie geht der Biathlet dann damit um, wenn jemand besser ist als er? Ganz ehrlich erzählt er: „Anfänglich zipft es mich an, gerade zu Beginn meiner sportlichen Karriere war dies für mich schwierig zu akzeptieren. Als Nachwuchsathlet war ich Seriensieger und da war eine Niederlage eine äußerst seltene Erfahrung. Aber jetzt kann ich die Leistung des anderen voll und ganz akzeptieren, im Gegenteil, es motiviert mich für die Zukunft.“ Denn: Siegen hat für Landertinger die größte Bedeutung, vielleicht auch deshalb, weil „das Erfolgserlebnis eine Erfahrung ist, die süchtig macht“.
„Erreichen möchte ich noch einiges...“
Als größten sportlichen Erfolg sieht Landertinger seinen Weltmeistertitel im südkoreanischen Pyeongchang 2009 im Massenstart. Daneben darf sich der Biathlet bereits über sechs Medaillen bei Großereignissen freuen: drei Mal gelang der Sprung auf’s Treppchen bei Olympischen Winterspielen und drei Mal bei Weltmeisterschaften. Und außerdem landete Landertinger in der Saison 2012/2013 im Gesamtweltcup auf Platz 3 – seine beste Platzierung.
Und Landertinger hat noch vieles vor: „Erreichen möchte ich noch einiges, an der Spitze meines Traums steht eine Goldmedaille bei Olympischen Spielen, den Gewinn des Gesamtweltcups und einmal noch Weltmeister (vielleicht sogar zu Hause) werden, das wäre ein Wahnsinn.“
Zu Hause, das ist für den gebürtigen Braunauer inzwischen Hochfilzen. Und damit ist die Weltmeisterschaft von 8. bis 19. Februar 2017 ein richtiges Heimspiel. Und da hat der „PillerseeTaler“ dann die nächste Chance, Medaillen einzuheimsen, wenn aus den Reihen seines Fanclubs dann zu hören ist: „Go Landi go!“.
Und sein einziger Glücksbringer kommt da sicher auch wieder zum Einsatz. Dieser begleitet Landertinger schon seit Jugendtagen. Und zwar das Glücksschwein, das er einst von seiner Schwester Marion geschenkt bekam.
Dominik Landertinger mit seinen Schwestern Alexandra und Marion (Foto: Familie Landertinger)
„Vor jedem Rennen bekommt dieses Glücksschwein ein Bussi“, verrät Landertinger. Vielleicht ermöglicht genau dieses Ritual, dass er sich „fokussieren und alles rund herum ausschalten“ kann – denn eigentlich darf man, so Landertinger, als Athlet weder mitbekommen, wenn der Mann am Schießstand nebenan alles trifft, oder wenn tausende Leute im Hintergrund schreien.
„Aus Fehlern lernt man...“
Doch wie geht es Dominik Landertinger, wenn er nach einem Rennen trotz Glücksschwein-Kuss eine Niederlage einstecken muss? Erstaunlich gelassen: „Die ersten drei Stunden lasse ich den Emotionen freien Lauf. Danach aber schaue ich nach vorne und mache eine eingehende Analyse des Passierten. Wie heißt es so schön? – Aus Fehlern lernt man...“
Nicht nur aus Fehlern lernt man, sondern auch durch Kritik. Indem er diese als „wertvolles Feedback“ betrachtet, nutzt er die Chance, etwas zu verbessern. Und gleich zieht er auch eine Parallele zwischen Sport und Leben: „Ich lerne auch für das Leben mit Niederlagen und Erfolgen umzugehen.“
Doch was tun, wenn Verletzungen und Krankheit die Karriere bedrohen, wie zum Beispiel vor Beginn der Saison 2016/2017, als Landertinger einen Bandscheibenvorfall in der unteren Lendenwirbelsäule erlitt und damit in der Vorbereitung auf die Saison mit einer Heim-Weltmeisterschaft beeinträchtig war? Ziemlich gefasst erklärt „Landi“, wie er von seinen Fans genannt wird: „Geduld haben und auf keinen Fall den Kopf hängen lassen.“
„Der Teambewerb ist immer der Höhepunkt für mich...“
Auch wenn der Kampf „Mann gegen Mann“ einen besonderen Reiz auf Landertinger ausübt, so ist doch der Staffel- oder Teambewerb „immer der Höhepunkt“ für ihn. Denn „für Österreich, gerade bei Großereignissen wie der Heimweltmeisterschaft in Hochfilzen, am Start zu sein, erfüllt mich mit Stolz“, weil er sich „im positivsten Sinne des Wortes als Patriot“ fühlt. Doch Landertinger weiß genau, dass Erfolg nur möglich ist, wenn das Umfeld stimmt – dazu zählen für ihn Trainer, Serviceteam, Familie und Freunde.
Dominik Landertinger bei der Verfolgung am 12. Dezember 2015 in Hochfilzen (Foto: © OK Hochfilzen/C. Einecke)
Gefragt nach dem Stellenwert von Fairness erklärt der gebürtige Oberösterreicher: „Das Um und Auf ist das Einhalten der Regeln, in der Vorbereitungsphase genau so wie während des Wettkampfs. Essentiell für mich ist ebenso der korrekte Umgang miteinander.“
„Glaube ist für mich etwas ganz Persönliches...“
„Ich glaube zwar schon, aber der Kirchgang spielt für mich dabei keine große Rolle. Glaube ist für mich etwas ganz Persönliches...“, erzählt er. Von seinen Sportkollegen Simon Fourcade oder Hannes Reichelt weiß er übrigens, dass diese vor Wettkämpfen stets beten – auch wenn er selbst das nicht tut, kann er sich durchaus vorstellen, dass dies Menschen etwas bedeuten kann.
Zum Beispiel gerade dann, wenn Verletzungen, Karrieredurststrecken oder Ängste ein Thema sind: „Ich glaube schon, dass, wenn Menschen in Not sind, der Glaube intensiver gelebt wird oder als Rettungsanker gesucht wird. Manchmal kann die persönliche Not wirklich das öffnende Tor zum Glauben darstellen.“
Oder wird der Sport gar selbst zur neuen Religion? Landertinger ist davon überzeugt, dass sich – auch wenn man das nicht verallgemeinern kann – viele Menschen derart mit einer Sportart oder Athletinnen und Athleten identifizieren, dass sie „alles andere unterordnen“ und der Sport so „teilweise als Religionsersatz“ dient.
„Aufzuhören kann ich mir derzeit überhaupt nicht vorstellen...“
„Aufzuhören kann ich mir derzeit überhaupt nicht vorstellen, nur wenn gesundheitsbedingt gar nichts mehr geht, würde ich meine Laufbahn vorzeitig beenden...“, verrät Landertinger. Doch selbst nach seiner aktiven Karriere möchte er dem Sport verbunden bleiben, zum Beispiel „als Trainer oder in einer anderen Funktion“. Doch es geht ihm um den rechten Augenblick des Aufhörens, denn: „Ich möchte nicht so lange laufen, bis alle sagen: ‚Der sollte doch schon längst aufhören!‘“
Doch wenn man Landertingers Emotionen nach seiner Silbermedaille hinter Biathlon-Altmeister Ole Einar Bjørndalen (mit damals 40 Jahren der älteste Winterolympionike, der je einen Einzelwettbewerb gewinnen konnte) im Sprint bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 betrachtet, dann sollte „Landi“ noch lang nicht ans Aufhören denken...
(sp)