Tipps für ein gutes Leben
Y: Welche ihrer sieben Thesen wäre am schnellsten für die KMB umsetzbar?
Helm: Das könnte sein: „Was ich verstanden habe, das ich verändern will in meinem Leben, das tue ich auch wirklich!" – Es geht darum, konkrete Schritte zu setzen, die mir auch möglich sind. Vom Kopf ins Herz in die Hände und in die Füße, damit sich etwas verändert. Dann habe ich ein Fundament, um mich politisch einzubringen und Forderungen zu stellen, weil es authentisch ist. Ich glaube, es ist schon so viel darüber geredet worden, was ansteht und was zu tun ist, aber wichtig ist, sich für den ersten Schritt zu entscheiden.
Y: Wir haben 3 Jahre lang den Schwerpunkt „Entwicklung": Im ersten Jahr die persönliche Entwicklung, dann die Entwicklung in Österreich und nun im dritten Jahr die globale Entwicklung
Helm: Wenn ich nur auf mich schaue, glaube ich nicht, dass man sich nur persönlich entwickeln kann. Die persönliche Entwicklung muss durch die Konfrontation mit dem geschehen, was um mich herum ist. So wie ein Kind nur lernt, indem es von anderen lernt – so lerne ich das selber auch.
Lehren aus der Entwicklungshilfe
Y: Sie haben in Brasilien gelebt – wie sehen sie die Entwicklungshilfe von Europa oder entwickelten Nationen in Afrika und Lateinamerika?
Helm: Ich glaube, dass der Begriff „Entwicklungshilfe" überholt ist, für mich passt „Entwicklungszusammenarbeit" besser. Nicht nur „die" müssen sich entwickeln, im Sinne eines Nachholens dahin, wo wir sind. Das hat man früher einmal so gedacht. – Wir alle miteinander müssen in eine Richtung gehen, die nachhaltig und verträglich für den Planeten ist. Angesichts der Klimakrise ist es notwendig, dass man für Umweltschäden bezahlt, um sie zu beseitigen. Man muss eine Entwicklung im Energiesektor und Produktionssektor ermöglichen, die modernste Technologien verwendet. Nur so können wir die gleichen Fehler verhindern, die die industrialisierten Nationen gemacht haben.
Demut statt Hochmut
Y: Sie haben das Konzept „Das gute Leben" >buen vir< formuliert – wie ist das hier in Österreich anwendbar?
Helm: Das Grundlegende vom guten Leben ist für mich der Schritt, dass der Mensch zurücksteigt und sagt „ich bin nicht die Kröne, sondern ein Teil dieser Schöpfung". Es steht für uns wie für alle anderen auf der Welt an, das zu begreifen. Ich muss achtsam und in Verantwortung für meine Mitmenschen und für Mitgeschöpfe leben. Es geht darum, in einem Entwicklungsprozess zu sein, wo man sich als Teil dieses Ökosystems entwickelt, in dem wir verantwortlich unsere Rolle in der Erhaltung und Schaffung des Lebens ausüben.
Y: Sie sagen, dass dieses patriarchalische System veraltet ist. Was heißt das für uns Männer?
Helm: Ich habe versucht, mit den Archetypen darauf hinzuweisen, vor allem mit dem König und dem Krieger. Das Entscheidende ist, dass es vom Herrschen und Ausbeuten hin zu einem Sorgetragen für das Leben kommt. Das lernt man nur in kleinen Schritten. Ein ganz schwieriges Problem, das wir haben, ist die Aggression. Diese destruktive Energie entlädt sich in eine total falsche Richtung - bis hin zum Jihadismus. Eigentlich ist das Lebensenergie – die Energie gehört in den Erhalt, in die Sorge für das Leben. Wenn Männer dies begreifen und sich auch partnerschaftlich mit den Frauen in diesen Dienst des Lebens stellen, dann geht es in die richtige Richtung.
Projekte statt Langzeitbindung
Y: Wir hören oft von unseren Männern: „Die Jugend kann man nicht motivieren, auch nicht für kirchliche Aktivitäten." – Kann man Jugendliche für Entwicklungszusammenarbeit gewinnen?
Helm: „DIE" Jugend wird man generell nie erreichen, sondern ich muss mir immer schauen, wer diese Jugendlichen sind. Ich glaube, dass sich Jugendliche heute nicht gern in einem Langzeitprojekt fix binden, aber wenn man etwas Konkretes anbietet unter dem Motto „da könnt ihr etwas miteinander auf die Füße stellen, wo etwas Cooles raus kommt". Sehr beeindruckt bin ich immer wieder von den Jugendlichen, die beim Programm „Missionar/Missionarin auf Zeit" mitmachen. Die arbeiten, leben und beten wirklich für ein Jahr mit und sind dann von diesen Erfahrungen geprägt.
Y: Globalisierung – ist das für Sie etwas Positives oder Negatives? Wie kann man sie für positive Aspekte nutzen?
Helm: Für mich ist die neoliberale Wirtschaft und Globalisierung der Finanzmärkte, wie wir sie jetzt haben, etwas sehr Negatives. Auch die Globalisierung im Medienbereich, wo weltweit eine Einheits- Unterhaltungskultur verbreitet wird, halte ich für schlecht. Aber ich glaube, dass wir jetzt viele globale Probleme vor uns haben, darunter den Klimawandel und die sozialen Ausgrenzung, die nur global gelöst werden können. Da braucht es – als altes Schlagwort – die „Globalisierung der Solidarität", es braucht die Schaffung internationaler Institutionen, die über größere Räume hinweg, über Staatsgrenzen und Wirtschaftsblöcke hinweg, die gemeinsame Zukunft auf den Planeten Erde ermöglichen. Diese Globalisierung brauchen wir unbedingt!
Interview: Luis Cordero, Pressereferent der KMB-Österreich
und Reinhard Kasspar; KMB-Referent Diözese Linz