Zusammen und doch getrennt
Die morgendliche Stille ist in dem auf 422 Meter Seehöhe thronenden Stift Göttweig zu hören. Einzig der Wind peitscht in der Morgendämmerung gegen die Klostermauern. Hinter ihnen macht sich Pater Maximilian auf den Weg zum Morgengebet. Die Sitze im Chorgestühl sind eng aneinander gereiht, nur durch eine Armleiste getrennt. Jeder hat seinen eigenen Platz, der durch Eintrittszeit und Hierarchie bestimmt wird. Die schwarz gekleideten Benediktiner erheben sich und beginnen mit dem Psalmengesang. Die Laudes, das Morgengebet um sechs Uhr, ist die erste gemeinsame Station der Göttweiger Mönche in einem stark durchstrukturierten Tag. An das frühe Aufstehen hat sich Pater Maximilian erst gewöhnen müssen: „Ich bin alles andere als ein Frühaufsteher, aber ich stehe auf, weil es dazugehört.“
Kommunikationsantrieb Kaffeemaschine
Dicht nebeneinander leben die Ordensbrüder in einem durch Gebet, Arbeit und Mahlzeit intensiv rhythmisierten Tag. Rituale kräftigen das gemeinsame Leben im Kloster. Würden sich Mönche überwiegend davon ausklinken, wäre die Ordensgemeinschaft zum Scheitern verurteilt. Die Ordensregel des Heiligen Benedikt, die auf das 6. Jahrhundert zurückgeht, verlangt daher von den Mönchen Gehorsam und Beständigkeit. Schweigsamkeit und Demut gehören auch zu den Tugenden eines Benediktiners. Arbeit soll die nötige Balance zum Gebet schaffen.
Benedikt hat vieles bedacht, was für das Ordensleben wichtig ist. Einer der zentralsten Orte für die Gemeinschaft fehlt in seiner Regel: die Kaffeemaschine in der Klausur. „Nach dem Mittagessen treffen wir uns dort, um uns auszutauschen und auf den neuersten Stand zu bringen“, sagt Pater Maximilian Krenn. Er ist Prior und somit Vertreter des Abts.
Bruderschaft statt Freundschaft
In den weiten Gängen des Klosters fühlte sich Pater Maximilian anfangs öfters einsam: „Als ich mit 19 Jahren ins Kloster eintrat, verließ ich alles, meine Familie und meine Freunde. Dieses Gefühl der Einsamkeit wurde aufgeweicht, wenn ich in der Gemeinschaft war, gebraucht wurde und zu Gott betete.“ Das Kloster gibt ihm eine „neue Familie“, der Kontakt nach Außen ist für den 45-jährigen Ordensmann nach wie vor wichtig. Auf die Frage, ob er seine Ordensbrüder als Freunde sehe, findet er klare Worte: „Mich hat einmal ein Mitbruder gefragt, ob wir Freunde sein können. Ich sagte Nein und antwortete: Wir sind Brüder und das ist nicht weniger. Ich bin nicht ins Kloster eingetreten, um Freundschaften zu entwickeln, sondern Gott zu suchen.“
Konflikte
Die regelmäßige Nähe, die zum Teil stärker ist wie in Familien, kann zum Problem werden. „Räume, die das Schweigen kennen, gibt es im Kloster genug. Sie zu finden, ist eine Herausforderungen in einem Tag voller Termine“, sagt Pater Maximilian.
Dass es in der Klostergemeinschaft Konflikte gibt, ist für den Prior Pater Maximilian nicht weiter schlimm: „Ungut wird es, wenn ich merke, es gibt ein Problem, das nur indirekt angesprochen wird und bei dem die Brüder nur übereinander und nicht miteinander reden. Als unmittelbarer Vertreter des Abtes versuche ich, die Brüder zum direkten Gespräch zu ermutigen.“
Vorwurf: Flucht in geschützten Bereich
Pater Maximilian arbeitet mit Novizen, den Männern, die sich für den Eintritt in den Orden interessieren: „Die entscheidende Frage ist, was jemand im Orden sucht: einen Unterschlupf oder Gott. Tatsache ist auch, dass es Homosexualität in der Kirche und in Klöstern gibt. Es braucht einen ehrlichen Umgang damit. Für homosexuelle Menschen, die ständig auf Partnersuche sind, ist eine klösterliche Gemeinschaft nicht geeignet.“
Wie ehrlich und wahrhaftig im Ordensleben mit Sexualität umgegangen wird, ist für den Grazer Pastoralpsychologen Karl Heinz Ladenhauf ein entscheidender Punkt: „Sexualität ist Teil eines jeden Menschen, auch eines Mönches.“
Für Pater Maximilian steht fest: „Der Weg des Mönches ist es, seine sexuellen Veranlagungen nicht zu verdrängen, sondern anzunehmen und zu Gott zu führen. Dazu braucht es gelungene menschliche Kommunikation und Beziehungen, die im Kloster in die Gemeinschaft führen, nicht in eine Zweierkultur.“
Was der Pater als Grundsatz schildert, ist für den Pastoralpsychologen stimmig: „Ist es möglich, ehrlich und authentisch in Ordensgemeinschaften zu leben, werden sie für Menschen attraktiv bleiben. Schwer wird es, wenn nach Vorschriften gelebt werden muss, die nicht praktizierbar sind.“
Autor: Thomas Klamminger MA, ist Katholischer Religionspädagoge,
studiert Angewandte Ethik in Graz und an der Katholischen Medien Akademie in Wien.