Wege zur Vaterschaft
Eine Entscheidung gegen oder aber für eine späte Vaterschaft – aus welchen Gründen auch immer – ist in unserer Gesellschaft längst nichts Ungewöhnliches mehr. Immerhin steigt in Österreich und auch in Deutschland stetig das Alter von Vätern bei der Familiengründung und ebenso die Zahl der Menschen ohne eigene Kinder. Und das, obwohl laut der Studie "Null Bock auf Familie?" des Deutschen Jugendinstituts 93 Prozent der Männer im Alter zwischen 15 und 42 Jahren einmal eigene Kinder haben möchte.
"...Vatersein dagegen sehr"?
Doch wie weit Wunsch und Realität auseinanderklaffen, zeigt sich darin, dass nur 35 Prozent der 25- bis 59jährigen Männer bislang Väter geworden sind. Von den 40- bis 45jährigen Männern sind mittlerweile 21% kinderlos, bei den Frauen sind es 18%. Fühlen sich also immer weniger Männer – unabhängig von der Anzahl eigener Kinder – der Vaterrolle nicht gewachsen? Sind die Männer von heute "kopflastiger", risikoscheuer, ängstlicher als früher im Hinblick auf ihre Verantwortung?
Im Fall von Michael stellten sich diese Fragen nicht. Seine Partnerin war nämlich von Geburt an erkrankt und konnte keine Kinder zur Welt bringen, zumindest war die Chance, dass sie eine Schwangerschaft überlebt hätte, eher gering. Michael stand damit vor einer Entscheidungsfrage: Die Frau, die er liebte, zu heiraten – doch damit auf eigene Kinder zu verzichten -, oder das Vaterglück vielleicht mit einer anderen Partnerin zu finden. Michael (damals 28) entschied sich für die geliebte Frau und stellte damit den Wunsch nach eigenen Kindern zurück. Heute nimmt er es mit Humor: "Das Leben ist zu kurz, um in einem Leben alles nur Mögliche zu erleben", so Michael heute.
Auch Peter (46) wünschte sich schon vor langem ein Kind. Obwohl er und Marina seit über zehn Jahren ein Paar sind, haben die beiden lange gezögert, bis sie sich schließlich zu einem Kind entschieden haben. Marina hatte mehrere persönliche Krisen und mit Peter eine längere Beziehungskrise zu bewältigen. Peter erzählt, dass ihnen eine Paartherapie schließlich geholfen habe. "Wir wollten einfach keinen Druck aufeinander ausüben", erinnert sich Peter. Allerdings räumt er auch sein eigenes Zögern ein. "Lange Zeit fühlte ich mich nicht soweit – wahrscheinlich wegen meiner unsicheren beruflichen Situation, aber auch wegen meines Gedankens an die große Verantwortung für ein Kind", bekennt Peter. Erst als Marina im Vorjahr 40 wurde, wollte das Paar die Entscheidung nicht mehr aufschieben – eine Entscheidung, worüber Peter heute sehr froh ist. Seine Tochter Lydia hat genau zwei Wochen vor Ostern das Licht der Welt erblickt.
Männer als aktive Väter
Peters Erwartungen ist wie die vieler Männer selbst an die Vaterrolle hoch: Nach der Studie des Deutschen Jugendinstituts möchte die überwiegende Mehrheit junger Männer sogar "aktive Väter" sein, d.h. sich nicht nur an der Hausarbeit, sondern auch an der Kindererziehung beteiligen. In einer Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Forsa gibt der Großteil der Männer an, dass sich der Vater nicht nur für die schulische Situation seines Kindes interessieren und mit dem Kind so viel Zeit wie möglich verbringen, sondern auch es als Baby regelmäßig wickeln und füttern soll. Männer stellen heute also offensichtlich andere Ansprüche an die eigene Vaterschaft und scheinen auch mehr unter Druck als noch vor ein oder zwei Generationen zu stehen. Sie wollen weder durch ihre berufliche Situation ihre Familie belasten noch umgekehrt.
Thomas Rauschenbach vom Deutschen Jugendinstitut bringt es auf den Punkt: "Drei Dinge braucht der Mann, um Vater zu werden: eine stabile Partnerschaft, ein ausreichendes Einkommen und einen sicheren Arbeitsplatz".
Ungünstige Rahmenbedingungen und "Modernisierungsfalle"
Claudia Zerle und Isabelle Krok, die Autorinnen der Studie des Deutschen Jugendinstituts, führen "ungünstige Rahmenbedingungen" ins Treffen, "welche die Umsetzung des Kinderwunsches erschweren." So kommt für den Großteil der Befragten (57,2 Prozent) eine frühe Vaterschaft – noch vor oder während der heute verhältnismäßig langen Ausbildung – nicht in Frage. Auch stellt das klassische Ernährermodell in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit für viele Männer einen "Hinderungsgrund" für die Vaterschaft dar.
Rauschenbach sieht die Männer von heute in der "Modernisierungsfalle": Die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und persönlicher Selbstverwirklichung gilt nicht mehr ausschließlich als ein Problem der Frauen. Dabei ist die Sorge über mögliche berufliche Nachteile durch die Vaterschaft bei Männern mit höherer beruflicher Qualifikation und höherem beruflichen Engagement besonders groß.
Forderungen und Lösungsmöglichkeiten
Berufstätige Väter fordern demnach geeignete und ausreichende Betreuungsangebote für ihre Kinder. Junge Männer wünschen sich von Politik und Wirtschaft die Akzeptanz von sowie Möglichkeit für (mehr) Zeit für die Familie – beispielsweise durch den Ausbau einer familien- und väterfreundlichen Infrastruktur.
Als wichtige Voraussetzungen für die Vaterschaft nennen Zerle und Krok auch die Vereinbarkeit von Ausbildung und Elternschaft, die Förderung von Verantwortungsübernahme sowie die Vermittlung neuer, kindorientierter Rollenbilder für junge Männer. Darüber hinaus plädieren die Autorinnen, spezielle Angebote für diejenigen Väter zu entwickeln, die sich für Vätermonate oder Beurlaubungen entscheiden. Denn Karriereverläufe sind nach wie vor stark vorgezeichnet, und Unterbrechungen sind im Rahmen der beruflichen Erfolgslaufbahn kaum vorgesehen.
Eine Ermutigung zum Vaterwerden könnte allerdings einfach auch im Vatersein anderer Männer liegen. Denn für den Großteil der befragten Väter ist ihr Leben seit der Geburt ihres Kindes zwar nicht einfacher, aber umso "glücklicher und erfüllter" geworden...
Michael Link. Der Autor ist Journalist