Gemeindezusammenlegungen - pro & contra
Die kleinteilige Gemeindestruktur, welche die Steiermark beherrschte, war auch in unseren bisherigen Gemeinden vorhanden, drei der Fusionsgemeinden hatten unter 200 und eine Gemeinde unter 500 Einwohnerinnen und Einwohner. Auch die demographische Entwicklung war nicht optimal, zudem waren 4 von 6 Fusionsgemeinden sogenannte „Abgangsgemeinden" ohne ausgeglichenen Haushalt.
Vorteile einer Fusion
Die Aufgaben einer Gemeinde sind immer gleich, unabhängig davon wie hoch die Einwohnerzahl ist. Oftmals wurden für Entscheidungen externe Sachverständige beigezogen, nun gibt es diese Spezialisten in den größeren Gemeindeämtern täglich greifbar vor Ort. Die bisherigen Gemeindeämter bleiben vielfach als zusätzliche Servicestellen erhalten. Auch bei den Ausweisungen für Bauland und Gewerbegebiete hätte es in einer größeren Gemeinde mit Sicherheit bessere Lösungen gegeben. Die damit zusätzlich erzielten Ertragsanteile und Kommunalsteuern waren häufig nur ein kurzfristiger Gewinn, denn die Kosten für die kommunale Infrastruktur überstiegen diese oft bei weitem. Auch die Nachmittagsbetreuung in Schulen und Kindergärten sowie die Minimierung von Schließtagen in Kindergärten im Verbund von mehreren Gemeinden kommt vielen Eltern nun direkt zugute.
Vereine und Feuerwehren werden gestärkt
Oftmals wurde im Vorfeld dieser Reform befürchtet, dass das Vereinsleben in Zukunft beeinträchtigt oder sogar ausgelöscht würde. Auch das Bestehen oder die Einsatzstärke der Feuerwehren wurden in Frage gestellt. Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass eine bessere finanzielle Ausstattung der neuen Gemeinden, verbunden mit einer großen Wertschätzung für das Vereinsleben, hier sogar positive Effekte bringen und zusätzlich Synergien genutzt werden können. Außerdem wird die Kommunikation zwischen dem Land und den neuen starken Gemeinden einfacher und oftmals zielführender sein.
Keine halben Lösungen
Von Kritikern der Strukturreform wird immer wieder angeführt, dass ähnliche Ziele auch mit Verwaltungsgemeinschaften und Kleinregionen hätten erreicht werden können. Aus meiner Erfahrung sind diese Gemeinschaften nur bedingt geeignet, die wesentlichen Punkte der Strukturreform zu erfüllen. Letztlich können die wirklich entscheidenden, zukunftweisenden Maßnahmen nur durch einen gemeinsamen Gemeinderat getroffen werden. Von meiner Warte aus macht die Strukturreform also Sinn und wird wichtige Reformschritte für zukunftsfähige Gemeinden in einer lebenswerten Steiermark setzen.
Mag. Josef Wallner; Der Autor ist Bürgermeister der Stadtgemeinde Deutschlandsberg
CONTRA
Und die Größe ist gefährlich...
Obiges Zitat von Franz Grillparzer sollten jene bedenken, die in der Auflösung von kleinen Gemeinden (gilt auch für Pfarren) und (Zwangs)-Fusionierungen zu Großgemeinden und Großraumpfarren zukunftsfähige Lösungen sehen.
Auch wenn einschlägige Maßnahmen (Stichwort steirische Landesregierung) von Wiener Qualitätszeitungen (Selbsteinstufung) und vom ORF (noch) als beispielhaft bejubelt werden, sie werden dadurch nicht besser und richtig. Besonders bedenklich ist, dass auch in manchen Diözesen von Kirchenbürokraten ohne besonderen Bezug zur Seelsorge diese Wege beschritten werden.
Zentralismus statt Subsidiarität
Die irrige Ansicht, dass eine zentrale Verwaltung effizienter sei als eine dezentrale, wurde schon oft fundiert widerlegt. Bei diesen undemokratischen Zwangszusammen-legungen geht vieles unwiederbringlich verloren – die lokale Identifikation, das Engagement vieler Ehrenamtlicher, die selbstverständliche Nachbarschaftshilfe, das uneigennützige sich Kümmern um den Nachbarn – besonders um den Älteren - und um die Umwelt und die Ortschaft als Lebensraum, das Einbringen in die lokalen Vereinigungen, die demokratische Mitbestimmung und Entscheidung in den persönlichen überschaubaren Fragen usw.
Die Freiwilligen Feuerwehren sind ein großartiges Beispiel. Hier findet der gibt es neben dem Einsatz für den Nächsten Gemeinschaft und gesellschaftliche Anerkennung. Zentralisierte Feuerwehren würden aussterben.
Verbandslösungen fördern Eigenständigkeit
Die im kommunalen Bereich bewährten Verbandslösungen z.B. Abfallbewirtschaftung, lokale Energieversorgung, Gebührenverwaltung, Schneeräumung, Tourismus etc.
können noch ausgebaut werden und sind ein gutes Beispiel für die Kirche.
Will man wirklich die Verstädterung?
Der Zug in die (großen) Städte hält an, verbunden mit der drohenden Verödung weiter Landstriche. Der ungeregelte Zuzug schafft riesige Probleme. Manche Fachleute fordern massiv ein Verdichten und ein „Bauen in die Höhe". Lebensqualität oder extreme Individualisierung, Vermassung und Vereinsamung?
Nachlesen bei Leopold Kohr
Small is beautiful – so die klare These von Leopold Kohr. Der Träger des Alternativen Nobelpreises propagierte die Dezentralisierung sozialer Organisationen und Gruppen auf eine Größe, in der Funktion noch möglich ist, aber gleichzeitig den Mitgliedern eine Überschaubarkeit erlaubt.
Lasst den Dörfern ihre Kirchen**
Weg von „Reformen", die sich nur am angeblich mangelnden Geld und (im kirchlichen Bereich) an Prognosen über die Zahl der hauptamtlichen, zölibatären Priester in der Zukunft orientieren, die an den Bedürfnissen der Menschen vorbei gehen und die Seelsorge für das Volk Gottes aufs Spiel setzen.
Papst Franziskus: „Die Pfarrei ist keine hinfällige Struktur. Sie wird ... weiterhin die Kirche sein, die inmitten der Häuser ihrer Söhne und Töchter lebt."
**„Lasst den Dörfern ihre Kirchen"
von Gerhard Henkel und Johannes Meier
Helmut Wieser. Der Autor, Bankdirektor i.P., von 1975 bis 2010 Statdrat der Stadt Retz, NÖ, ist KMB-Obmann der Erzdiözese Wien