Kraft tanken auf europäisch
Kraftplätze der Stille, Kräuter, wesensgerechte Anwendungen, sanfte Bewegung, regionale und saisonale Lebensmittel, die auch das Auge erfreuen – was uns als der perfekte Erholungsurlaub erscheint, war für unsere Vorfahren selbstverständlich. Ärzte wie Hippokrates von Kos, Galenos von Pergamon und Paracelsus, Kirchenmänner wie Benedikt von Nursia und Sebastian Kneipp und Nonnen wie Hildegard von Bingen und Teresa von Avila legten über Jahrhunderte die Grundsteine der abendländischen Medizin.
Das innere Gleichgewicht erlangen
Die erprobten Verfahren und überlieferten Erkenntnisse der europäischen Naturheillehre helfen gerade dem modernen Mann, dem nachgesagt wird, mit seiner Gesundheit eher sorglos umzugehen. Wenn der Stress in der Arbeit und im Privatleben überhand nimmt, der Leistungsdruck steigt und man auch in der Nacht nicht mehr zur Ruhe kommt, sind über kurz oder lang alle Kraftreserven verbraucht. Müdigkeit, Lustlosigkeit und Konzentrationsprobleme können die Folgen sein. Der Begriff Burnout beschreibt den Endzustand dieser Entwicklungen. Doch wie findet man den Weg wieder zurück zu Entspannung, Wohlbefinden und Kraft?
Medizinische Behandlungen werden oft erst dann in Anspruch genommen, wenn schon schwere Gesundheitsprobleme vorhanden sind. Das innere Gleichgewicht soll wieder erlangt werden: Eine gesunde Lebensweise, bewusste Ernährung, regelmäßige aber nicht übertriebene Bewegung sowie ein bewusstes Nachdenken über krank machende Mechanismen im Alltag können viel dazu beitragen, einen Zusammenbruch zu verhindern.
Lehre von den vier Säften
Von der Zeit des Hippokrates von Kos, der 400 Jahre vor Christi Geburt in Griechenland wirkte, bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war das Modell der vier Säfte (griechisch: humores) an den medizinischen Universitäten gängige Lehrmeinung. Man erklärte Funktionen und Symptome des Körpers (auch der Geist und die Seele gehörten dazu), indem man sie der Wirkung der vier Säfte (Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle) zuschrieb. Den vier Säften wurden auch vier Temperamente zugeordnet: Sanguiniker, Choleriker, Phlegmatiker, Melancholiker.
Mit diesen vier Konstitutionstypen der TEM können die meisten Menschen intuitiv etwas anfangen, denn sie sind in unserer Kultur tief verankert. Man sagt ja noch immer: „Mir geht die Galle über.“ Gemeint ist aber natürlich nicht die Gallenblase, sondern ein Überschuss an Emotionen wie Wut oder Ärger, die sich heiß anfühlen, was der gelben Galle entspricht. Naturheilkundliche Behandlungen gehen auf den Grundtypus der Person ein, ein frierender Phlegmatiker braucht andere Therapien als ein hitziger Choleriker. Ärztinnen und Ärzte, Therapeutinnen und Therapeuten, die in TEM ausgebildet sind, unterstützen den energetischen Grundtypus der Patientinnen und Patienten durch die so genannte Konstitutionstherapie. Diese wird individuell nach den vier Temperamenten (Archetypen) – also nach der Säftelehre – geplant. Dahinter steht die Frage: „Was tut mir gut, was brauche ich? Was bin ich für ein Mensch?“ Dinge, mit denen sich die meisten Männer wenig auseinandersetzen, die aber ein enormes Potenzial in sich tragen.
Umfassende Diagnose
Auch die Ernährung, die Geschmäcker, Düfte, Farben, Sport und Musik lassen sich in das System der vier Archetypen einordnen. Allein schon die Beschäftigung mit dieser traditionellen Sichtweise bringt Selbsterkenntnis und Selbsterfahrung.
Die Basis jeder Behandlung ist natürlich eine schulmedizinische Abklärung. Danach wird aber ein ganzheitlicher Ansatz gewählt. Neben dem ausführlichen Gespräch erfolgt eine traditionelle Befundung mit Palpation (betasten), Auskultation (abhorchen), Perkussion (abklopfen) und eine Segmentdiagnostik. Dabei erhält der Arzt oder die Ärztin durch das Abtasten und Ansehen bestimmter Hautsegmente Hinweise auf den Zustand der Organe. Auch Iridologie (Augendiagnose) und Zungendiagnostik sind wichtige Bestandteile einer umfassenden TEM-Untersuchung: Die Iris verrät angeborene Schwächen, hingegen gibt die Zunge Auskunft über die augenblickliche körperliche und organische Verfassung einer Person. Neben einem umfassenden Bild der vorhandenen Probleme werden gleichzeitig auch Stärken und mögliche therapeutische Wege erfasst.
Wohlergehen in Oberösterreich
Im 1. Zentrum für Traditionelle Europäische Medizin im oberösterreichischen Bad Kreuzen wird die alte europäische Naturheillehre wissenschaftlich erforscht und an moderne Erkenntnisse angepasst. Auf den Archetyp abgestimmte Anwendungen und Therapien sowie eine typgerechte Ernährung und Meditation können die Selbstregulation und Selbstheilung im Organismus anregen. Im Mühlviertler Traditionshaus Bad Mühllacken der Marienschwestern vom Karmel helfen Fasten- und Entschlackungswochen im Sinne der Traditionellen Europäischen Medizin nicht nur beim Gewichtsverlust. Auch Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Allergien oder Kopfschmerzen können zumindest gelindert werden. Im Innviertler Traditionshaus Aspach helfen Anwendungen nach der TEM, logotherapeutische oder seelsorgliche Beratungsgespräche, basierend auf der christlichen Spiritualität des Karmelordens, bei der Bewältigung von persönlichen Krisen.
Regina Webersberger. Die Autorin ist TEM-Ärztin im Kneipp Traditionshaus Aspach.