G'standene Mannsbilder sind gefragt!
Meine Generation, die Nachkriegsgeneration und auch noch manche Jüngere, sind noch in einem weitgehend kirchlichen Umfeld aufgewachsen. Doch es geht nun nicht um einen nostalgischen Lobgesang auf frühere angeblich bessere Zeiten. Es geht um die religiöse Entwicklung von Männern – hier und heute, im noch jungen 3. Jahrtausend – nach vielen soziologischen Veränderungen, 50 Jahre nach dem 2. Vatikanischen Konzil, in einer Zeit rasanter Säkularisierung und gewaltiger Umbrüche in Kirche und Welt!
Authentisch vorleben
Der gelebte Glaube der Eltern hat uns früher geprägt und mitgeformt, auch wenn praktisch nie über den Glauben, öfter schon über die Kirche, gesprochen wurde. Im Laufe des Lebens wurde mir immer klarer, dass das Hinnehmen und Annehmen dieser Lebens- und Glaubenspraxis nicht aus lahmer Kritiklosigkeit kam, sondern weil Glaube, Arbeit und Leben von den Eltern authentisch (vor-)gelebt wurden.
Diese ungetrübte Erfahrung gelebten Glaubens in der Familie ist aber heute kaum noch möglich und vermittelbar! Kinder und junge Menschen leben in einem weitgehend a-religiösen Umfeld, kirchliche Sozialisation ist kaum mehr gegeben, die religiöse Praxis der Eltern – sofern sie noch gegeben ist – wird kritisch gemessen, wenn nicht belächelt. Mit Eugen Biser möchte ich als erste These formulieren: „Zum Glauben wird man nicht erzogen, sondern bewogen!"
Männer unter sich
Am Beginn meiner seelsorglichen Tätigkeit Anfang der 70er Jahre gab es selbstverständlich viele geistliche Angebote getrennt für Frauen und Männer. Dann trafen wir die großartige, manche meinten gar „revolutionäre" – heute sagen wir die selbstverständliche – Entscheidung, Cursillos für Frauen und Männer gemeinsam anzubieten. Von Anfang an waren Frauen immer deutlich in der Überzahl. Es war für sie wesentlich leichter, unter ihresgleichen sich zu öffnen; die Männer wurden verschlossener, kaum mehr beteiligten sie sich im Austausch zu persönlichen Glaubenserfahrungen. Die Dynamik und Erfahrung des gemeinsamen Betens und Feierns von Männern untereinander ging weitgehend verloren! Daher die zweite These, die ich vertreten möchte: „Für die religiöse Entwicklung von Männern braucht es Möglichkeiten, wo Männer unter sich den Austausch pflegen können."
Ein Teil des Alltags
Ich wage eine dritte These: „Für die religiöse Entwicklung von Männern ist es wichtig, dass Glaube und Alltag, Glaubenspraxis und Beruf, Glaube und Freizeit nicht auseinander klaffen." Ein junger, aufstrebender Unternehmer schaffte es, unter großem persönlichem Einsatz seinen Kleinbetrieb zu einem erfolgreichen Mittelbetrieb aufzubauen. Bald spürte er: Die tägliche persönliche Gottesbegegnung kam zu kurz. „Wie kann ich dem gegensteuern?", fragte er besorgt. Mein Vorschlag: „Es wird wohl nicht viel ausmachen, wenn du am Abend noch einmal fünfzehn Minuten später heimkommst. Bleib noch in deinem Büro, zünde eine Kerze an, denke dankbar an den zu Ende gehenden Tag zurück; lege schwierige Situationen vertrauensvoll in die Hand Gottes – und freu dich auf die Begegnung mit deiner Frau und den Kindern ... Gewiss münden diese Minuten der Stille auch in ein einfaches persönliches Gebet." Das ist kein Rezept, aber gelebte männliche Spiritualität, gelebter Glaube im Alltag!
Über viele Jahre hatten wir eine mehr oder weniger regelmäßige Tarockrunde: ein Bürgermeister, ein Lehrer, ein Banker und ich. Oft wurde es spät – manchmal sogar „früh". Aber immer war am Ende noch Zeit zu einer kurzen Gebetszeit: Stille – Dank – Bitte! Mein Vorschlag: Miteinander beten, nicht nur beim Sonntagsgottesdienst, sondern auch in privaten und persönlichen Begegnungen, vor allem auch im Freundeskreis!
Gemeinschaft mit Gleichgesinnten
Zehn Jahre war ich in Pfarrer in Oberösterreich. Pfarrer zu werden war mein Kindertraum, aber mit 52 Jahren rechnete ich nicht mehr damit. Es gab dort selbstverständlich eine kfb-Gruppe. Eines Tages sprachen zwei Männer – Mitte 30 – bei mir vor: Warum gibt es bei uns eigentlich keine Männerbewegung? Mit Unterstützung aus einer Nachbarpfarre gelang es tatsächlich, eine neue Männerrunde mit auch jüngeren Teilnehmern ins Leben zu rufen. Heute sehe ich von außen betrachtet und durch Kontakt mit einzelnen Mitgliedern, welcher Segen von dieser Gruppe für die Pfarre, aber auch für die Einzelnen ausgeht.
Daher möchte ich als weitere These formulieren: „Um Glauben zu lernen und religiöse Vertiefung zu erfahren, brauchen Männer das Beispiel und die Gemeinschaft von Gleichgesinnten! Die pfarrliche KMB-Runde ist eine große Chance dafür!"
Das Beispiel wirkt ansteckend
Ein kurzer Text aus dem Propheten Sacharja (8,23) möge diese Gedanken und Überlegungen zusammenfassen: „So spricht der Herr der Heere: In jenen Tagen werden zehn Männer aus Völkern aller Sprachen einen Mann aus Juda an seinem Gewand fassen, ihn festhalten und sagen: Wir wollen mit euch gehen; denn wir haben gehört: Gott ist mit euch!"
Wieder war es bei einem Männer-Cursillo. In der Kennenlernrunde fragte ich einen Teilnehmer: „Und wer hat dich zu diesem Kurs geschickt?" Seine Antwort: „Mich musste niemand schicken. Da gibt es in unserer Pfarre einige Männer – der Bürgermeister, der Fleischermeister und der Bäckermeister – alle drei sind Lektoren und Kommunionspender. Wenn die ihren Dienst versehen beim Sonntagsgottesdienst, dann ist etwas zu spüren, was ich sonst nicht empfinde. Einmal hatte ich den Mut, einen zu fragen. Seine Antwort war überzeugend. Darum bin ich da." Dazu zum Abschluss noch eine fünfte kurze These: „Worte bewegen, Beispiele reißen mit!"
Es kann ein weiter Weg sein, vom Glauben der Kindheit zur persönlichen Glaubensentscheidung. Der Weg lohnt sich, denn g'standene christliche Mannsbilder sind gefragt.
Christian Haidinger. Der Autor ist Abt des Benediktinerstifts Altenburg bei Horn, Präses der Österreichischen Benediktinerkongregation und Vorsitzender der Österreichischen Superiorenkonferenz der Männerorden.