Wenn Männer Vater werden
Vorbilder früherer Vätergenerationen, an denen sie sich orientieren können, fehlen meist.
Aber auch die eigenen Ansprüche haben sich geändert. Laut der von der Zeitschrift „Eltern" in Auftrag gegebenen Forsa-Umfrage, bei der 1.000 deutsche Väter zwischen 20 und 55 Jahren befragt wurden, haben die meisten Männer eine klare Vorstellung davon, was einen guten Vater ausmacht. Demzufolge will ein Mann mehr sein als Ernährer; er will teilhaben am Alltag des Kindes.
Ganz oder gar nicht
Die Diskrepanz besteht darin, dass Väter zwar mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen, allerdings beruflich nicht zurückstecken möchten, um diesen Wunsch zu verwirklichen. Die Folge: Immer mehr Männer fühlen sich überfordert. Der Druck wird mehr.
Dies kann Thomas gut nachvollziehen. Er ist Ende 40, im mittleren Management tätig, Ehemann und Vater. Das Gefühl der inneren Zerrissenheit ist ihm wohlbekannt, wenn ein Geschäftstermin länger dauert und er weiß, dass seine Familie zu Hause auf ihn wartet. „Natürlich möchte ich viel Zeit mit meinen Kindern verbringen. Aber wenn du beruflich erfolgreich sein willst, spielt es das einfach nicht immer. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten steigt der Druck, Überstunden zu machen. Beides zu 100 Prozent geht nicht. Ich versuche aber, mir an den Wochenenden oder im Urlaub bewusst mehr Zeit für meine Kinder zu nehmen. Mit zunehmendem Alter wird das allerdings immer schwieriger, weil die Kinder ihre eigenen Termine und andere Interessen haben. Als arbeitender Vater ist das immer ein Balanceakt."
Familienfreundliche Unternehmenskultur
Wie lässt sich diese Vereinbarkeitsproblematik lösen? Im Idealfall leben Firmenchefs und Vorstände im Sinne einer gelebten Unternehmenskultur Familienfreundlichkeit vor. Maßgeschneiderte Verträge, die die Anwesenheit oder Erreichbarkeit regeln, erleichtern eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf erheblich. Unternehmen sollten also nicht nur Flexibilität von ihren Mitarbeitern fordern, sondern sich auch selbst flexibel zeigen.
Davon kann auch das Unternehme profitieren, indem es als Arbeitgeber an Attraktivität gewinnt, für bestehende Mitarbeiter wie für zukünftige. Gerade in Zeiten eines Fachkräftemangels kein unwesentlicher Wettbewerbsvorteil. Eine medienwirksame Veröffentlichung von Best-Practice-Beispielen könnte anderen Unternehmen Mut machen, ebenfalls familienfreundliche Strukturen zu entwickeln und umzusetzen.
Späte Familiengründung
Doch nicht nur die Situation auf dem Arbeitsmarkt oder die Ansprüche an sich selbst, sondern auch die privaten Umstände spielen eine Rolle, ob und wann Männer Vater werden. So zeigt der „Generations and Gender Survey (GGS)" 2009 für Österreich eine relativ hohe Quote an „Nesthockern" bei jungen Männern, v.a. im Vergleich zu nord- und westeuropäischen Ländern. 39 Prozent der 25- bis 29-jährigen Männer und 20 Prozent der 30- bis 34-jährigen lebten mit zumindest einem Elternteil in einem Haushalt (Frauen 21 bzw. 8 Prozent). Generell sind „Nesthocker" in allen Altersklassen häufiger männlich als weiblich.
2013 wurde eine zweite Befragungsrunde durchgeführt. Dieser zufolge lebte die Hälfte der mittlerweile 29- bis 38-Jährigen Männer weiterhin unter dem elterlichen Dach. Gründe dafür dürften die gestiegenen Lebenshaltungskosten gepaart mit höheren materiellen Ansprüchen im Zusammenhang mit einem geringen Einkommen und längeren Ausbildungszeiten sein.
Außerdem wollen vor allem junge Männer zunächst das Leben genießen und unabhängig sein. Damit verbunden ist ein späterer Zeitpunkt der Familiengründung.
Stabile Partnerschaft bestärkt Kinderwunsch
Der Wunsch nach Kindern, im Idealfall zwei, ist bei Männern jedoch prinzipiell vorhanden. Nur drei Prozent der österreichischen Männer geben an, dass sie ohne Kinder glücklicher sind, schreibt der Männerforscher Erich Lehner in einem früheren Ypsilon-Beitrag. Aber im Gegensatz zu Frauen hören sie keine biologische Uhr ticken.
Der Wunsch nach einem eigenen Kind wird bei Männern laut Lehner häufig erst mit einer fixen Paarbeziehung konkret. Davor zeigen sie sich unentschlossen. Tritt eine Schwangerschaft ein, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Schwangerschaft ausgetragen wird, je länger sich ein Paar kennt und je stabiler die Partnerschaft ist. Dies zeigt sich auch in den Beratungsgesprächen der aktion leben.
Daniela Orler,
Die Autorin ist Pressereferentin der aktion leben
www.aktionleben.at