„Ich will, dass wir die Kinder bekommen, die wir uns wünschen“
y: Wie schaffen Sie es, Beruf und Familie zu vereinbaren?
Sophie Karmasin: Flexibilität ist für mich das Stichwort dafür. Die Termine und Bedürfnisse der Kinder richten sich nicht nach dem Rahmen, den die Firma vorgibt. Die Absprache in der Partnerschaft ist wichtig und natürlich auch das Verständnis in der Firma: Sitzungen müssen ja nicht um sechs Uhr abends angesetzt sein. Dazu braucht es auch noch die Möglichkeit der außerhäuslichen Kinderbetreuung. Wichtig ist auch, dass man die Zeit, die man miteinander verbringt, besonders bewusst wahrnimmt.
y: Im Standard-Interview kritisieren Sie als „typisch männliche Denkart", dass der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel sich den Mittwoch-Nachmittag für die Kinder frei hält.
Sophie Karmasin: Erreichbarkeit hat ja nichts mit der Entfernung zu tun, anrufen sollte immer möglich sein. Ich glaube, es ist einfach wesentlich herausfordernder, sich Zeit zu nehmen, wenn es das Kind braucht als hier fixe Vorgaben zu haben. Kinder brauchen zu den unterschiedlichsten Zeiten einen Ansprechpartner, sei es ein Arztbesuch, Lernhilfe oder auch Trost. Da ist oft schnelles Reagieren erforderlich.
y: Jüngst haben Sie eine Studie vorgestellt, dass auch Frauen immer weniger bereit sind, Kinder zu bekommen. Ein Aspekt ist die fehlende Unterstützung durch die Männer. Steinmeier-Pösel und Zulehner stellen eine Retraditionalisierung männlichen Rollenverhaltens in den vergangenen zehn Jahren fest, als Reaktion auf eine Überforderung durch die neuen Rollenerwartungen (die sie selbst haben und die von außen an sie herangetragen werden).
Wie würden Sie Männern Mut zur Vaterschaft machen?
Sophie Karmasin: Der Kinderwunsch ist da, wird aber zu wenig umgesetzt. Ich will, dass wir die Kinder bekommen, die wir uns wünschen. Frauen wollen einen partnerschaftlichen Umgang in einer Beziehung. Wir müssen daran arbeiten, dass Pflege und Kinderbetreuung nicht nur als weibliche Domäne gesehen werden. Wir konnten nach 13 Jahren erstmals eine Erhöhung der Familienbeihilfe durchsetzen. Wichtig ist mir auch, die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass die Eltern selbst entscheiden können, wie sie ihre Elternrolle leben. Chancengleichheit ist natürlich vor allem ein Anliegen, das Frauen betrifft, aber es sollte auch eine Chance für Männer sein, mehr Zeit mit den Kindern verbringen zu können und ihre fürsorgende Seite zur Geltung zu bringen.
y: Welche Rolle haben Väter, Männer in der Familienpolitik?
Sophie Karmasin: Wir wissen, dass Männer gern mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen. Hier müssen wir auch in der Wirtschaft das Bewusstsein schaffen, dass Familie kein Hindernis für ein Unternehmen ist, sondern familienfreundliche Unternehmen mehr motivierte Mitarbeiter haben. Aber man darf den Männern nicht nur schlecht auslegen, dass sie vielleicht zu wenig in der Familie präsent sind: Geld zu verdienen, um so für die Familie zu sorgen, ist ein traditioneller Wert, den wir anerkennen sollten. Erst recht, wenn sie sich für ihre Familie besonders dem Beruf widmen.
y: Sie selbst leben ein bestimmtes Bild von Familie, als Politikerin tragen Sie Verantwortung für viele Formen von Familie und dann bringt noch im ÖVP-Parteiprogramm Familie in eine Verbindung mit Ehe und formuliert „Die Familie mit zwei Elternteilen und Kindern ist unser Leitbild." Die ÖVP stellt sich aber auch „veränderten Lebensperspektiven" und tritt für eine Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf ein. Erleben Sie eine Spannung zwischen diesen Bereichen?
Sophie Karmasin: Ich sehe das pragmatisch. Es gibt heute diese vielen unterschiedlichen Formen von Familie einfach und sie brauchen auf die eine oder andere Art Unterstützung durch die Politik. Alleinerzieherinnen etwa sind stark armutsgefährdet, aber auch das Modell des Alleinverdieners schafft heute vielfach keine ausreichende wirtschaftliche Grundlage für eine Familie – einmal abgesehen davon dass eine Berufstätigkeit der Frau auch soziale Kontakte und selbstständige Pensionsversicherungszeiten für sie bringt. Die Politik ist aufgerufen, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Wahlfreiheit für die Eltern möglich ist. Ausreichend Kinderbetreuungseinrichtungen sind sicherlich eine notwendige Voraussetzung dafür.
y: In der Familie werden auch Rollen von männlich und weiblich über die Generationen weiterer gegeben. Was ist da wichtig und welche Rollen haben sich überholt?
Sophie Karmasin: Natürlich geben Eltern oftmals das weiter, was sie selbst leben und erlebt haben. So ist es mir wichtig, dass Kinder in Betreuungseinrichtungen auch andere Modelle kennen lernen: dass Männer dort auch Zeit mit Kindern verbringen, sei es als pädagogisches Fachpersonal, sei es, dass Väter oder Großväter bisweilen in die Tagesgestaltung eingebunden sind.
y: Zusammenfassend: Was ist für Sie ein „familienfreundliches Klima" im Land?
Sophie Karmasin: Dass man Anerkennung bekommt, wenn man Kinder hat, dass die Gesellschaft dies als Bereicherung ansieht und die Rahmenbedingungen so sind, dass Familien auch finanziell abgesichert sind. Mein Ziel ist, dass Österreich 2015 das familienfreundlichste Land Europas ist.
y: Was geben Sie uns als Männerbewegung mit, was können wir tun für ein familienfreundliches Klima?
Sophie Karmasin: Schauen Sie sich um an Ihrem Ort, in Ihrer eigenen Familien oder im Bekanntenkreis: Sie werden dort viele Formen finden, wie Familie heute gelebt wird. Und bieten Sie Ihre Hilfe an, wenn Unterstützung benötigt wird.
Interview: Markus Himmelbauer,
Chefredakteur des Männermagazins Ypsilon der Kath. Männerbewegung