Schöner neuer Mann
In schöner Regelmäßigkeit klären uns Studien darüber auf, dass jetzt der metro-, retro- oder transsexuell orientierte Mann angesagt sei und sich die Männerwelt auf dem Weg zum „sanften Macho“ befinde. Aber schon in der griechischen Antike galt ein athletisch gestählter, wohl proportionierter jugendlicher Körper als besonders anziehend und bewundernswert. Dieser wurde damals im Rahmen männlicher Schönheitsbewerbe zur Schau gestellt.
Der schöne Mann wird öffentlich
Und doch hat es noch nie in der Geschichte eine Zeit gegeben, in der der männliche Körper so freiwillig und freizügig massenmedial präsentiert wurde wie heute. Zeugnis dafür liefern z.B. TV-Formate wie „Das Model und der Freak“ auf Pro7 – O-Ton: „Vom hässlichen Frosch zum schönen Prinzen“. Bei den Lifestyle-Magazinen machte „Men’s Health“, den Anfang. Es ist das meistgelesene Männermagazin weltweit und stellt den „gestählten Männerkörper“ als Ideal schlechthin dar. Weitere Journale sprechen mit Untertiteln wie: „Das Magazin für Männer“ oder „Männer in den besten Jahren“ die Leser ausdrücklich in ihrer Geschlechtsidentität an. Wikipedia schreibt: „Die sechs in der Media-Analyse erhobenen Männermagazine in Deutschland erreichten im Jahr 2007 zusammen eine Bruttoreichweite von 3,3 Millionen Lesern.“ Tendenz steigend!
Ein wichtiges Marktsegment
Der steigende Marktwert von Männerkörpern ist nach den Autoren des Buches „Der Adonis Komplex“ seit der weiblichen Emanzipationsbewegung in den 1970er Jahren zu verzeichnen. So wurde die Zielgruppe Mann v.a. für die Kosmetikindustrie zu einer interessanten Wachstumsbranche. Kosmetik-Transparent stellt fest, dass Österreichs Männer im Jahr 2011 7,6 Mio. Euro für Gesichtspflege ausgaben. Sie haben mittlerweile die Wahl zwischen mehr als 5.000 Pflegeprodukten sowie ca. 290 Herrenserien.
Der Weltmarktführer Nivea war der erste Hersteller von Massenkonsumgütern, der Männer als Zielgruppe ins Visier nahm. Bereits in den 1930er Jahren nahm die Nivea-Werbung die nationalsozialistische Körperästhetik zurückhaltend auf und orientierte sich am tradierten männlichen Schönheitsideal. Im Jahr 1986 brachte der Hamburger Beiersdorf-Konzern mit „Nivea for Men“ eine eigene Pflegeserie für die gestresste Gesichtshaut der Männer in die Supermarktregale.
Ähnliche Entwicklungen erlebt auch die Fitness- und Sportindustrie. Einer Studie zufolge gab es in Österreich im Jahr 2006 etwa 480 Fitnessstudios mit rund 510.000 Mitgliedern (ca. 60% Männer), das entspricht einer Mitgliedersteigerung von rund 60 % seit dem Jahr 2002. Dementsprechend auch die zunehmende Attraktivität von Extremsport-Bewerben: Ironman – der Gipfel der Männlichkeit.
Bewegung der Geschlechterrollen
Ein mögliches Erklärungsmodell hat mit der Entwicklung der weiblichen Rolle in den letzten Jahrzehnten zu tun. Seit den 1970er Jahren ist Bewegung in die Geschlechterrollen geraten. Frauen sind immer häufiger in der Erwerbsarbeit zu finden; klassische, über Jahrhunderte hinweg tradierte Männerrollen wie der „Ernährer“ und „Beschützer“ sind brüchig und seltener geworden. Dieser Identitätswandel hinterlässt bei vielen Männern Unsicherheit. Die Zurschaustellung männlicher Körperlichkeit und Körperkraft wird primär im sportlichen und medialen Bereich inszeniert. Die Vermutung liegt nahe, dass dies auch damit zu tun haben könnte, dass diese Art von gezeigter Körperlichkeit beruflich gesehen in unserer heutigen Wissens- und Informationsgesellschaft nur mehr sehr spärlich gebraucht wird. Ein steigender körperbezogener Narzissmus (Selbstbezogenheit), welcher v.a. sportlich ausgelebt wird, ist ein mögliches Resultat daraus.
Quälende Vorbilder
Womit Frauen schon immer medial konfrontiert und gequält wurden, ist für Männer relativ neu. Die Bilder z.B. des „super-durchtrainierten“ Fußballers Christiano Ronaldo und die damit verbundenen Botschaften erzeugen bei einer stetig wachsenden Anzahl von Männern, v.a. aber auch bei heranwachsenden Burschen, denen es häufig an realen männlichen Vorbildern fehlt, Druck, der kompensiert werden muss. Zahlen von Schönheits-OP’s belegen dies eindrucksvoll. Wurde im Jahr 1985 noch jede zwanzigste Schönheitsoperation (5%) an einem Mann durchgeführt, sind es heute bereits 20%, ein Fünftel. Leider sind in diesem Zusammenhang auch psychosomatische Erkrankungen wie Essstörungen bei Männern und der „Adonis-Komplex“ zu erwähnen, die in den letzten Jahren immer häufiger diagnostiziert werden.
In der medialen Darstellung des aktiven, sportlichen Mannes wird ein Trend gesetzt, der schon im alten Griechenland bekannt war. Nur schade, dass die heutigen Trendsetter in den Werbeagenturen und Redaktionen einschlägiger Lifestyle-Magazine meist keine Philosophen sind, sondern die Männlichkeit mit platten Slogans beglücken. Für viele dieser Äußerungen hätte Sokrates wohl nur einen seiner gefürchtet bissigen Kommentare übrig gehabt: „Wie viel es doch gibt, was ich nicht brauche!“ Wer über einen ausgeprägten Selbstwert verfügt, der sich aus unterschiedlichsten Bereichen zusammensetzt, ist nicht so anfällig für die tagtäglich vermittelten Botschaften, wie Mann denn nun zu sein habe.
Bernhard Wappis. Der Autor ist Klinischer- und Gesundheitspsychologe