Vom Männchen zum Mann
Die Tagung begann mit einem stimmungsvollen Eröffnungsgottesdienst in der Stiftskirche. Vertiefend zum Motto „Vom Männchen zum Mann" sagte Andreas Jakober, Geistlicher Assistent der KMBÖ, dass aus christlicher Sicht der Spruch „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr" nicht gelte, da der Geist Gottes Entwicklung ermögliche. „Gott schenkt uns immer neue Lebensmöglichkeiten." Selbst wenn die Entwicklung zu Ende scheine, gebe es ein Weiterleben und Veränderungen. Letztlich führe alles zum Guten.
Inspiration in einem neuen Umfeld
Anschließend eröffnete KMBÖ-Obmann Leopold Wimmer die Tagung im Stadtsaal. „Wir freuen uns, dass wir Gastgeber dieser Veranstaltung sein dürfen", betonte Bürgermeister Thomas Widrich, der selbst Mitglied der Katholischen Männerbewegung ist. Die Sommerakademie der KMB Österreich findet seit 1986 statt. Bis 2001 war Bad Leonfelden (OÖ) Austragungsort und von 2002 bis 2012 war Bad Tatzmannsdorf (B) Gastgeber des jährlichen Forums für Diskussion und Begegnung. Bis zumindest 2017 ist nun der neue Tagungsort fixiert. „Mit bis zu 130 Tagesgästen an den vier Veranstaltungstagen und bis zu 400 Nächtigungen ist die Sommerakademie auch wirtschaftlich interessant", so Michael Scholz, KMB-Diözesansekretär in St. Pölten. Der gebürtige Wieselburger leitete die Arbeitsgruppe „Kultur und Freizeit". Er zeigte den Gästen aus ganz Österreich die Sehenswürdigkeiten in der näheren Umgebung wie die Schallaburg, Ruine Aggstein und Maria Langegg. Weitere Arbeitsgruppen wurden von Franz Weninger (Glauben) und Erich Lehner (Männer arbeiten an ihrer persönlichen Entwicklung) geleitet.
Männlicher Leidensdruck und die Angst vor Veränderung
Den Impulsvortrag hielt der Schweizer Männerexperte Markus Theunert. Er warnt: „Wenn es männlichen Leidensdruck gibt und dieser groß ist, sich aber trotzdem nicht zu äußern vermag, dann muss es einen noch größeren Gegendruck geben: die Angst vor dem Dammbruch." Es sei ein Teufelskreis: Weil die Männlichkeitsideale gleichermaßen unerfüllbar wie unentrinnbar seien, halte das Wachsen des Leidensdrucks stets Schritt mit dem Wachsen meiner Angst davor, ihnen nicht zu genügen. Im gleichen Tempo mache sich die innere Leere breit: Aus der blutarmen Innenwelt werde mit der Zeit eine „militarisierte Sperrzone, der ich mich nur unter Lebensgefahr zuwenden kann – nämlich unter der sehr realen Gefahr, das bisherige Leben als Leben aus zweiter Hand zu erkennen und dieses Korsett sprengen zu wollen". Je mehr Mann leide, umso mehr wachse die Angst vor Veränderung und umso schärfer müsse Mann gegen jedes Anzeichen von Leiden vorgehen – „bis dass ich innerlich tot oder geplatzt bin". So entstünden „Männchen", aus denen nie Männer würden. So entstünden Männer, die Gefängniswächter und Gefängnisinsassen in Personalunion seien.
Einen reifen Glauben finden
Am Donnerstag betonte der Abt des Stiftes Altenburg und Präses der Österreichischen Benediktinerkongregation, Christian Haidinger, dass Männer Beispiele und Gemeinschaft benötigen, um Glauben zu lernen und zu vertiefen. Es gehe nicht um einen nostalgischen Rückblick auf frühere – angeblich bessere – Zeiten, sondern vielmehr um „die religiöse Entwicklung von Männern heute, nach vielen gesellschaftlichen Veränderungen, fünfzig Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, in einer Zeit rasanter Säkularisierung und gewaltiger Umbrüche in Kirche und Welt", so Haidinger. Für die religiöse Entwicklung von Männern sei es wichtig, dass Glaube, Alltag, Freizeit und Glaubenspraxis nicht auseinanderklafften, betonte der frühere Geistliche Assistent der Katholischen Frauenbewegung.
Eine religiöse „community“
„Es ist wichtig, dass wir uns persönlich von der Ebene der Institution, der Normen und Gesetze aufschwingen zu einem persönlichen Glauben, der bestimmten Werten folgt“, so Ferdinand Kaineder, Mediensprecher der Ordensgemeinschaften Österreichs, in seinem Statement: „Wachsen im Glauben heißt, sich bewegen – auch etwa an einem Donnerstag Vormittag.“ Institutionelle kirchliche Religiosität sei heute „out“ und eine spirituelle „community religion“ im Kommen. Die religiöse Entwicklung des Menschen heute orientiere sich dabei nach dem Bedürfnis nach Werten und Anerkennung, nach sinnvoller Tätigkeit und sinnstiftenden Ritualen sowie nach Solidarität und dem Erleben, zu einem Ganzen zu gehören. Der Mensch suche heute „community“ auf persönlicher Ebene: „Das ist eine Chance für die Katholische Männerbewegung.“
Gesellschaft und Partnerschaft
Am Freitag wurde „Das Besondere der Entwicklung zum Mann" mit Schwerpunkt auf historische und soziologische Komponenten diskutiert. Es referierten der Theologe, Psychotherapeut und Pädagoge Erich Lehner und Erwin Mayer vom Katholischen Bildungswerk Wien. Für Mayer ist es notwendig, sich in der männlichen Entwicklung mit dem Weiblichen auseinanderzusetzen: „Um ein ganzer Mensch zu werden, muss der Mann die Frau annehmen, ob als Lebenspartnerin oder als Teil seiner selbst. Vielleicht noch zugespitzter ausgedrückt: An der Frau wird der Mann zum Mann und umgekehrt. Wir brauchen hier offensichtlich die Gegensätze, die gleichzeitig auch das Ergänzende sind, um das Eigene zu finden, anzunehmen, zu integrieren und zu leben." Die Entwicklung der Beziehungen zwischen Mann und Frau thematisierten am Samstag Vormittag die Integrative Supervisorin Marianne Schindlecker und der Psychotherapeut und Religionspädagoge Hans Neuhold („Stagnation ist eine Entwicklungsstörung"). Für Schindlecker hat eine gelingende Beziehung immer „viel mit Glück zu tun", aber es gibt auch Gestaltungsspielraum. Der Prozess einer Liebesbeziehung hat verschiedene Phasen, es wäre ein Verlust, wenn es nur eine standardisierte Form gäbe. Wichtig sei, die gemeinsame Innenwelt stets im Auge zu behalten. Die Empfehlung der Familienberaterin: „Schaffen Sie Räume für Intimität" und „Gespräch ist die Grundlage einer lebendigen Beziehung."
Luis Cordero, Öffentlichkeitsreferent der Katholischen Männerbewegung