Ohne Bereitschaft zu dienen und zur Ordnung gibt es keine persönliche Entwicklung
Der Pflichtdienst ist ein Beitrag zur Entwicklung der eigenen Ernsthaftigkeit. Ich bin überzeugt, dass Österreich ohne Wehrpflicht und Zivildienst ärmer und sozial kälter werden würde. Pflichtdienst heißt Wechsel vom Empfänger in der Gesellschaft zum Geber für die Gesellschaft. Diese Dienste sind unverzichtbare Leistungen junger Staatsbürger und Ausgangspunkt für die Erkenntnis, diese für andere erbringen zu müssen. Dies ganz im Sinn der Forderung von Präsident John. F. Kennedy: „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern, was du für dein Land tun kannst."
Prägend in der Lebensgeschichte
Das sich Einfügen in eine Gruppe, das Hintanstellen von persönlichen Vorteilen, die Erfahrung, Pflichten zu haben, dass andere Macht über mich ausüben, dass mein Handeln auch mit oft sofort erlebbaren Konsequenzen verbunden ist, ist heilsam für die Entwicklung der Persönlichkeit. Kameradschaft, Freundschaft, das für Andere da sein ist besonders beim Bundesheer lern- und erlebbar. Die geforderte Ausdauer bei langen Diensten und körperlichen Belastungen macht die eigenen Grenzen spürbar. Ohne Hinhören, ohne die Bereitschaft zu fallweisem Dienen und zur Ordnung gibt es keine persönliche Weiterentwicklung.
Die beim Bundesheer erlernbare Verantwortung für eine funktionierende Gesellschaft kann sich zwar nach dem Ende der Wehrpflicht wieder verdünnen, bleibt aber in der Lebensgeschichte eingeprägt und abrufbar.
Gelebte Integration und Toleranz
Das erzwungene Zusammenleben und -arbeiten mit Menschen aus verschiedensten Schichten in einer Sondersituation bringt Erfahrungen, die man sonst nicht so leicht machen kann; beides trägt zum Verständnis für andere und für ein Zusammenwachsen bei. Das alles kann für künftige Entscheidungen eine hilfreiche Orientierungsphase sein. Das Miteinander unterschiedlichster Menschen und die notwendige gegenseitige Verantwortung sind ein guter Beitrag zu gelebter Integration, zu Toleranz und zu einem friedlichen Zusammenleben über Kultur und Religion hinaus.
Viele Menschen in diesem Alter, dem Kinderglauben entwachsen, suchen nach Sinn und Ziel im Leben. Die Militärseelsorge versucht deshalb, den jungen Männern verständliche Inhalte und Orientierung während ihrer Zeit beim Bundesheer zu vermittelt.
In Dankbarkeit für die Freundschaft mit und die Unterstützung von so vielen Vertretern des Bundesheeres und des Zivildienstes wünsche ich mir eine vorurteilsfreie Diskussion und einen konstruktiven Dialog über die Verbesserung des jetzigen Systems. Möge die Stimme des Volkes die Verantwortlichen dazu anregen und ermutigen, das jeweils Bessere zu wählen und beherzt an dessen Durchführung zu arbeiten.
Anton Faber. Der Autor ist Dompfarrer am Stephansdom in Wien.
Redaktion: Helmut Wieser und Roland Dippelreiter.