Lachen - beten - Lebensfreude
Ich sitze in der Kirche. Ich blicke empor zur Kanzel. Was fällt mir heute mehr auf als an all den Sonntagen sonst? Ein Engel lächelt herab. Er lächelt mir direkt ins Gesicht.
Lachen ist gesund
Ob sich der Bildhauer im 17. Jhdt. schon darüber Gedanken gemacht hat, dass lachen gesund ist? Heute wissen wir, beim Lachen werden Glücksbotenstoffe aktiviert, die für das Wohlbefinden sorgen. Lachen wirkt negativem Stress entgegen und aktiviert Abwehrzellen. Lachen ist erlösend und befreiend, entspannt und führt zu heiterer Gelassenheit. Das sind nur einige Ergebnisse aus der Lachforschung, der so genannten Gelotologie. Und es ist egal, ob gewollt, ungewollt oder grundlos gelacht wird – also ob man herzhaft lacht oder nur so tut, als würde man lachen. Es kommt dabei das gleiche Ergebnis heraus: Lachen tut dem Körper und der Seele gut.
Ein Geschenk Gottes
Das Lachen ist, wenn man es recht überlegt und ein christlicher Mensch ist, ein Geschenk Gottes. Es ist in uns. Der Mensch wird damit geboren. Wir leben in einem Zeitalter, in dem wir durch Stress und Hektik geplagt auf der Suche nach Entspannung, Ausgleich oder Meditation sind. Gott hat uns das Lachen gegeben und damit ein Werkzeug, das Denken auszuschalten. Denn die Forschung hat bewiesen: Der Mensch kann nicht gleichzeitig lachen und denken. Dem Lachen kommt also eine meditative Eigenschaft zu. So gibt uns Gott eine Hilfe, um unsere Gesundheit zu pflegen, zu bewahren oder wieder zu erlangen.
Der Engel holt mich mit seinem Lächeln zurück zur ersten Lesung. Heute ist es die Geschichte der Witwe aus Sarepta (1 Kön 17,10-16). Sie gibt alles und hat noch mehr erhalten: „Der Mehltopf wurde nicht leer, und der Ölkrug versiegte nicht, wie der Herr durch Elija versprochen hatte.“
Könnten wir Menschen doch diesem Spruch folgen und unser ganzes Lächeln an Menschen verschenken, die es verdienen oder an die, die es dringend brauchen! Wir würden vieles mehr erhalten. So könnte doch die Freude am Glauben an Gott, der uns das Lachen geschenkt hat, durch ein Lächeln an einen Mitmenschen ausgedrückt werden.
Bete ruhig
Der Gottesdienst ist mittlerweile fortgeschritten. Es ist eine Zeit der Stille nach dem Kommuniongang, völlig ruhig im Gotteshaus. Das „Ruhegebet“ kommt mir in den Sinn. Es gibt unzählige Zeugnisse von Menschen, die mit dem Ruhegebet in Berührung gekommen sind und es als Kraftquelle für den Alltag erfahren. Das Ruhegebet ist eine alte christliche Gebetsform. „In der Ruhelosigkeit unserer Zeit bietet diese Gebetsweise einen Weg zur inneren Ruhe und tieferer Erfahrung des Glaubens“, erklärt Pfarrer Peter Dyckhoff aus Deutschland. Er hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, das Ruhegebet zu verbreiten
Das Ruhegebet geht auf den Mönchsvater Johannes Cassian (362-435) zurück, der es erstmals ausführlich beschrieb. Die orthodoxe Kirche in Russland pflegt bis heute diese Art des sich Versenkens, wie es auch Jesus getan hat. In der westlichen Welt geriet das Gebet dagegen in Vergessenheit.
Einfache Gebetsformel
Durch eine einfache Gebetsformel, die man sich bei der Einübung in das Ruhegebet einmal auswählt und dann immer beibehält, kommen die Betenden in die wiederholende Anrufung Gottes. Ohne Hinzutun eigener Gedanken wird dann dieses Gebet ganz sanft innerlich wiederholt. Und schweift man dabei in Gedanken ab, kehrt man einfach wieder zur Gebetsformel zurück, sobald es einem möglich ist. Den Betenden wird in der Einfachheit dieses Gebetes schon nach kurzer Einübung bewusst, dass der Schöpfer mit seinem Sohn Jesus Christus im Heiligen Geist stets gegenwärtig ist.
Ich kam durch das Ruhegebet von Glaubensauslegungen weg, die lediglich im Erfüllen der Gebote bestanden oder in denen Gott als herrschender, strafender Richter dargestellt war. Ein Gott der als Buchhalter- und Gesetzesgott meine Sonntagsmessbesuche genau abrechnet.
Im Loslassen dieser Bilder gelang mir ein reines geistliches Gebet, frei von Bildern, frei von Vorstellungen von Gott, wie er wohl sei. Jedoch das „völlig bildlose Schauen“ bedarf der Übung.
Meine Erfahrung mit dem Ruhegebet wird mir beim Gottesdienst wieder bewusst. So wie bei diresem Gebet darf ich hier in der Kirche sein wie ich bin. Ich muss nichts leisten.
Lebensfreude erzeugen
Der Priester spricht den Segen und entlässt die Gläubigen mit dem Kreuzzeichen in Frieden. Ich spüre Freude; Lebensfreude breitet sich in mir aus.
Lebensfreude wird von einer Reihe von Faktoren beeinträchtigt: der in die Wiege gelegte Charakter, traumatische Erlebnisse aus der Vergangenheit und unveränderbare Lebensumstände der Gegenwart. Der Mensch erfährt an diesen Konstanten seine persönlichen Grenzen. Aber die Fähigkeit zur Anpassung und Lebensgestaltung – zwei wichtige Variablen im Gegensatz zu den Konstanten – ermöglicht dem Menschen, Lebensfreude zu erzeugen, zu vermehren und zu bewahren.
In diesem Gottesdienst an einem Sonntag im Jahreskreis – ein ganz normaler wie jeder andere auch – hatte ich die Gelegenheit zur Lebensgestaltung. Ich konnte mir dabei eine Auszeit gönnen – das Handy war ausgeschaltet, der hektische Alltag blieb für Momente angehalten, beim Friedensgruß durfte ich ein Lächeln weiterschenken.
Hermine Naderer. Die Autorin ist Sozialarbeiterin und Erwachsenenbildnerin in Niederösterreich.
Buchtipp
Peter Dyckhoff
Das Ruhegebet einüben
Herder Verlag
280 Seiten, 13 Euro
ISBN 978-3-451-32397-3
Ellen Müller
Zum Glück gibt es Lachen
Signum Verlag
160 Seiten, 15 Euro
ISBN 978-3-85436-404-7