Urlaub mit Leib und Seele
Tabus seien weder positiv noch negativ, sondern müssten in ihrem jeweiligen Kontext analysiert werden, hielt Clemens Sedmak in seinem Eröffnungsvortrag fest. Tabus hätten die Funktion, etwas zu verbergen, erinnerte der Salzburger Theologe und Philosoph: „Das Verbergen kann etwas Schützendes sein oder etwas Unheilvolles, Kaschierendes.“ Die jeweilige Wirkung hänge vom Umgang der Gesellschaft mit einem Thema ab. Die Grenzen, ob etwas heilig oder schmutzig sei, handle sich die Gesellschaft immer wieder aufs Neue aus. Tabubrüche geschehen dann, wenn Schmutziges salonfähig gemacht und Heiliges desakralisiert würde. „Ich denke, dass es Grenzen braucht, die mit starken Normen behaftet sind“, so Sedmak.
Tabu: Die eigenen Grenzen benennen
Zentral sei auch das Wissen um das „Mysterium“ der eigenen Tabus. „Mein Inneres ist unausschöpfbar, ich bin mir selbst ein Geheimnis, Gott kennt meine Seele besser als ich selbst“, zitierte Sedmak den Heiligen Augustinus. „Wenn Sie dieses Menschenbild haben, werden Sie vorsichtiger sein im Urteil über andere, und vorsichtiger sein im Urteil über sich selbst“, so Sedmak.
Diesen Impuls werden die Männerrunden aufgreifen. „Wir wollen unsere persönlichen Tabus befragen“, erklärte KMBÖ-Vorsitzender Leopold Wimmer: „Splitter und Balken sind eine Referenz auf ein bekannte Bibelstelle. Sie weist uns darauf hin, nicht heuchlerisch die kleinen Fehler der Anderen zu sehen, sondern vor der eigenen Haustüre zu kehren.“
Sündebockjäger und Opfer
Ähnlich formulierte es der Innsbrucker Sozialethiker Wolfgang Palaver bei seiner Warnung vor der „gefährlichen Jagd auf die Sündenbockjäger“ (siehe ypsilon 4/ 2012). Natürlich sei es zu verurteilen, wenn Sündenböcke gemacht werden, doch „niemand ist ganz rein und darf für sich den Standpunkt der absoluten Reinheit suchen, um von diesem Standpunkt aus Gewalt gegen jene zu üben, die Sündenböcke bezeichnen“, so Palaver. Die Einsicht in die eigene Neigung zur Gewalt schütze vor Selbstgerechtigkeit. Palaver forderte Sensibilität für die Wahrheit der Opfer, nichts unter den Tisch zu kehren; doch gleichzeitig müsse Vergebung möglich sein.
Udo Jesionek stellte die oft unbeachtete Lage von Verbrechensopfern in den Mittelpunkt seines Vortrags. Der Professor für Strafrecht in Linz ist Präsident der Verbrechenshilfeorganisation Weißer Ring. Erst nach und nach habe das moderne Strafrecht die Opfer wieder in den Blick bekommen und orientiere sich nicht mehr ausschließlich an der Bestrafung des Täters. Die Anerkennung als Opfer, „dass man ihnen glaubt“, sei ein Grundbedürfnis des Opfers: „Ein Trauma kann man nicht simulieren“, so Jesionek. Opfer brauchten Sicherheit vor weiteren Angriffen und sie dürften beim Prozess nicht noch einmal zu Opfern gemacht werden. Der Strafprozess bedeute eine enorme Belastung. Das Opfer habe ein Interesse an voller Resozialisierung und ein Recht auf Entschädigung: „Eine Wiederherstellung des Schadens kennen wir heute nur bei Körperverletzung, in anderen Fällen gibt es keine Unterstützung.“ Zuletzt erwarte das Opfer, dass der Täter sich zu seiner Schuld bekennt.
Weitere Referentinnen und Referenten waren die Wirtschaftspsychologin Anneliese Fuchs, der Sozialpädagoge Reinhold Stipsits und der Journalist Josef Votzi sowie der Philosoph Peter Kampits.
Was ist Sünde?
Ein Workshop am Nachmittag erarbeitete das Tagungsthema anhand biblischer Erzählungen. „Die Erkenntnis, dass die ‚Sündenfallgeschichte’ gar keine solche ist, hat doch Überraschung ausgelöst. Ebenso die Tatsache, dass das Wort ‚Sünde’ in unserem Verständnis dort gar nicht vorkommt“, berichtet Gruppenleiter Franz Weninger. Anhand der Geschichte von Kain und Abel wurde der biblische Sündenbegriff vertieft. Warum wohl hat Gott das Opfer Kains nicht angenommen? Am Beispiel der Begegnung Jesu mit der Ehebrecherin erlebten fast 40 Bibelinteressierte das Bild Gottes, der dem Menschen nachgeht. Anhand aktueller Texte haben sie Balken in unserer Kirche diskutiert und mögliche Aktionen in den Pfarren und KA-Gruppen angesprochen.
Auf nach Melk
Zweimal täglich zusammenkommen zum Beten und Singen, ein Oberösterreich-Abend mit Schlägler Stiftsbräu und Hoamatland-Quiz sowie ausgedehntes pannonisches Tiefdruckgebiet: Das war die 26. Sommerakademie der Katholischen Männerbewegung. Nach Bad Leonfelden in Oberösterreich war sie nun 12 Jahre in Bad Tatzmannsdorf im Burgenland. Ab 2013 hat sie einen neuen Ort: Melk in Niederösterreich.
Auf Wiedersehen im Juli 2013 in Melk!
Markus Himmelbauer, Chefredakteur Männermagazin Ypsilon