Nur fromme Worte?
Am Karfreitag habe ich die Sendung „Von Tag zu Tag“ gehört. Es war eine junge Schriftstellerin eingeladen. Gegen Ende meldete sich ein Mann mit folgenden Worten: „Nachdem wir als Christen ja heute einen ganz besonderen Tag feiern, möchte ich folgendes sagen …“ Mir war bei dieser Einleitung nicht wohl. Erstens passte sie nicht zum bisherigen Lauf des Sendung und zweitens hatte das Gespräch nichts mit Religion zu tun. Für mich wirkte diese Formulierung aufgesetzt, an den Haaren herbeigezogen, so als müssten wir unseren Glauben anderen Menschen aufdrängen.
Der Prüfstein: glaubwürdig leben
Als junger Mann war ich in meiner Firma einer der wenigen Männer, die ihren Glauben lebten. Ich trug ein silbernes Halskreuz oberhalb des Hemdes. Ich betete zum Mittagstisch in der Werksküche ein kurzes Tischgebet – oft nur ein Kreuzzeichen. Und alle wussten, Christian geht am Sonntag in die Kirche. Es war selbstverständlich.
Bei einer unserer Betriebsweihnachtsfeiern kam ich wieder mit meinem silbernen Halskreuz. Es war ca. drei cm lang und sehr schmal; mit etwas gutem Willen konnte es ein jeder übersehen. Bei der Eingangstür überraschte mich der Geschäftsführer mit der Forderung dieses Halskreuz abzunehmen. Der Stadtrat, der bei der Feier dabei wäre, fühle sich durch das Kreuz provoziert. Ich nahm das Kreuz ab und ging hinein.
Die Reaktion der Kollegen und Kolleginnen war für mich sehr erstaunlich. Jeder und jede, ob gläubig oder ungläubig, war empört über das Verhalten des Geschäftsführers und auch über meine Bereitschaft das Kreuz abzunehmen. Ich habe damals so argumentiert: Für mich ist es nicht notwendig, meinen Glauben in Form des Silberkreuzes vor mich herzutragen und wenn es jemanden stört, dann kann ich es ohne Probleme abnehmen. Mein Glaube wird dadurch weder mehr noch weniger. Alle meine Kollegen und Kolleginnen haben mich dennoch ersucht in Zukunft diesem Druck nicht nachzugeben.
Für mich war daraus folgender Schluss gezogen: Wenn ich meinen Glauben glaubhaft lebe, dann kann ich ihn auch durch Symbole und Zeichen präsentieren, denn dann ist es glaubwürdig.
Durch Taten die richtigen Worte finden
Ich bin Theologe und als solchem wird mir oft gesagt, ich rede zu viel. Nun ja, es ist nicht leicht zu schweigen, wenn mir mein Herz übergeht. Was meinen die Gesprächspartner und -partnerinnen, wenn sie das Gefühl haben: „Er redet schon wieder“?
Wissen ist nicht Glauben. Glaubenszeugnis ist etwas anderes als Wissen zu vermitteln. Als Theologe weiß ich mehr über den Glauben, seine Geschichte, die Inhalte, deren Entwicklung usw. Meinen Glauben zu bezeugen, heißt also daher gerade nicht, mit meinem Wissen über den Glauben aufzutrumpfen, sondern mich in die Reihe aller glaubenden Männer und Frauen zu stellen und zu bekennen: „Herr, hilf meinem Unglauben!“ Und dann dorthin zu gehen, wo gläubiges Handeln notwendig ist, z. B. in Flüchtlingslager, in Sterbehäuser, in Krankenhäuser, in Gefangenenhäuser. Aus dem Glauben heraus zu handeln befähigt, über meine Glauben auch zu sprechen.
Auch ich zweifle, daher glaube ich
Ich war fünf Jahre lang pädagogischer Mitarbeiter in einem SOS Kinderdorf. Eine herausfordernde Tätigkeit, die mich an die Grenzen meine physischen und psychischen Kräfte gebracht hat. Mir wurde es geschenkt, dass ein Mädchen (ca. 14 Jahre alt) mich fragte: „Herr Reichart, warum lebe ich überhaupt?“ Ich bin zuerst verstummt. Warum fragt, dieses Mädchen mich? Glaubt sie, ich hätte darauf eine „richtige“ Antwort?
Nach der ersten Schockminute, sagte ich folgendes: „Ich kann dir nur sagen, warum ich lebe und hoffe, dass es für dich eine Antwort ist.“ Danach habe ich ihr einiges aus meinem Leben erzählt. Es war eines der tiefsten Gespräche, die ich je geführt habe.
Wenn ich als glaubender Mensch so auftrete, als gäbe es nichts, was mich erschüttern kann, dann rede ich an anderen Menschen vorbei. Erstens stimmt es nicht, dass mich noch nichts erschüttert hat. Und wenn, dann steht meine Erschütterung noch aus. Und zweitens nehme ich die Gefühle meines Gesprächspartners und meiner Gesprächspartnerin nicht erst. Fragen zum Glauben, stellen Menschen immer dann, wenn sie zweifeln: an ihrem Leben, an ihrem Sein und an ihrem Weg. Diesem Menschen zu vermitteln „Ich bin ein Suchender wie du“ ist Trost und Gesprächseinstieg in die Tiefe.
Rechthaberei ist abstoßend
Wir sind Katholische Männerbewegung und als solche wollen wir auch in Gemeinschaft unseren Glauben bekennen. Dies machen wir indem wir am Beginn und am Schluss unserer Veranstaltungen ein Lied singen oder ein Gebet sprechen. Wir feiern miteinander Gottesdienste, wir machen miteinander Wallfahrten und wir mischen uns in die öffentliche Diskussion ein.
Alles das machen wir, weil wir glauben, dass wir für Männer Angebote haben, die ihr Leben bereichern und nicht weil wir meinen, wir haben Recht. Rechthaberei – auch als Organisation – ist abstoßend. Selbstgerechtigkeit – auch als Organisation – ist sündhaft. Wir sind, als einzelne und als Katholische Männerbewegung abhängig von der Gnade Gottes. Er hat uns unseren Glauben geschenkt und er behütet unseren Glaubensweg.
Christian Reichart ist Generalsekretär der Katholischen Männerbewegung Österreich.