Männerkirche - Frauenkirche
Mehr Testosteron und mehr Östrogene in der Kirche
Männerkirche – Frauenkirche. Markus Hofer, Leiter des Männerbüros der Diözese Feldkirch und Petra Steinmair-Pösel, Frauenreferentin der Diözese Feldkirch sprechen über unterschiedliche Zugänge von Männern und Frauen zum Glauben, über zu viel falsche Weiblichkeit in der Kirche und über die frohe Botschaft, die beide Geschlechter zusammen bringt.
Was suchen Frauen, was suchen Männer im Glauben?
Steinmair-Pösel: Frauen scheinen im Glauben besonderen Wert auf Ganzheitlichkeit zu legen, also sie wollen mit Verstand und Herz, mit Seele und Leib angesprochen, heilend verwandelt und berührt werden, z.B. in Ritualen. Frauen wollen im Bereich Religion nicht nur konsumieren, sondern sind auch durchaus bereit sich einzubringen, etwas aktiv, entscheidend mitzugestalten.
Hofer: Männer suchen ein Stück weit tiefen Halt für sich selbst als Mann, ein Fundament, das auch ein wenig Orientierung gibt. Was Männer letztlich auch – ohne dass sie sich darüber bewusst sind – suchen, aber viel zu wenig bekommen, ist die Herausforderung auf spiritueller Ebene. Was sie sicher nicht suchen, ist einfach nur eine Moralpredigt. Das ist auch ein Grund, warum sich Männer schon länger von der Kirche verabschiedet haben.
Wie könnte ein konkreter Glaubens-Raum für Männer oder Frauen ausschauen?
Steinmair-Pösel: In verschiedenen Studien zeigt sich, dass es sehr vielfältige Lebenswirklichkeiten sind, in denen Frauen heute stehen. Diese Frauen suchen auch unterschiedlich im religiösen Bereich. Frauen suchen oft gar nicht unbedingt reine Frauenveranstaltungen, reine Frauenräume, sondern sie sehen es vielmehr übergreifend. Sehr geschätzt wird eine gewisse Ästhetik, eine gewisse Reduktion, aber eben verbunden mit Ästhetik, also dass Räume entsprechend gestaltet sind.
Hofer: Meine Erfahrung ist, je mehr Männer gefordert werden – zeitlich, körperlich … – umso mehr tut sich bei ihnen spirituell. Oft suchen sie auch traditionelle Formen. Allein das Bewusstsein, dass sie eine Form leben, die schon seit Jahrhunderten gelebt wird, gibt Männern in ihrer Wahrnehmung etwas Großes. Das schätzen sie sehr. Männer fühlen sich in erster Linie im Glaube an einen noch Größeren getragen, weil mich das entlastet. Ich bin nicht ungern groß, aber wenn ich glaube, ich muss der Größte sein, dann geht mir irgendwann die Luft aus.
Wenn ihr Wünsche frei hättet an die Kirche, als Mann oder als Frau, was würdet ihr euch wünschen?
Hofer: Ich würde mir wünschen, dass die Kirche – wer immer das natürlich ist –, überhaupt einmal beginnt, sich ernsthaft über Männer Gedanken zu machen. Dass sie sich im Blick und in der denkerischen Perspektive überhaupt erst einmal in den Niederungen des männlichen Alltags niederlässt.
Steinmair-Pösel: Ich wünsche mir, dass die Kirche die Frage stellt: Was sind Frauenwirklichkeiten, Frauenlebenswelten heute? Das hat sehr viel damit zu tun, wie wir heute Familie mit Beruf verbinden, wie ich heute Glauben leben kann, was mir noch etwas bedeutet und was ich mit meinen Kindern, meiner Familie leben will. Das soll wirklich einmal sehr ernst und wertschätzend in den Blick genommen werden.
Gibt es eine frohe Botschaft, die Männer und Frauen in der Kirche gleichermaßen anspricht?
Steinmair-Pösel: Die Botschaft: Gott, oder die göttliche Kraft, ist da mitten in deinem Leben, ganz konkret, da wo du stehst! Und es ist wirklich Wille Gottes, dass Männer und Frauen sich entfalten können mit all dem, was in ihnen angelegt ist. Im Grunde ist es der Auftrag der Kirche verbindend und einend zu wirken. Nach dem Galaterbrief gibt es in Christus nicht mehr die drei großen Diskriminierungen: Juden-Heiden, Sklaven-Freie, Mann und Frau. Die religiöse, die soziale und die Diskriminierung nach Geschlecht. Da sind alle eins auf gleicher Ebene mit gleicher Würde. In den zwei ersten Fragen haben wir es eher geschafft diese Diskriminierung zu überwinden, in der dritten Frage ist es bleibende Aufgabe.
Hofer: Das ganze Evangelium ist verbindend. Ich glaube nicht, dass wir auseinanderfallen, wenn die Männer sich über Männer und die Frauen sich über Frauen Gedanken machen. In einer Formel würde ich sagen: Mehr Testosteron in der Kirche!
Steinmair-Pösel: Beides: Mehr Testosteron und mehr Östrogene!
Hofer: Das wäre nicht unattraktiv!
Steinmair-Pösel: Für mich persönlich ist es eine Frage der kirchlichen Körpersprache. Aus den Kommunikationswissenschaften wissen wir, was mit der Körpersprache rüberkommt, ist viel gewichtiger als das, was ausdrücklich gesagt wird. Und die Körpersprache der Kirche ist für Frauen katastrophal. Da fühlen sich gerade gut gebildete, junge Frauen, die es gewohnt sind, im Beruf zu stehen, Leistung zu erbringen, Verantwortung zu übernehmen, an die zweite oder dritte Stelle gesetzt. Für die ist so eine Kirche relativ unattraktiv.
Siehst du das von Männerseite ähnlich?
Hofer: Die kirchliche Körpersprache ist für Männer furchtbar. Wenn wir jetzt schon von Testosteron und Östrogen geredet haben. So wie es falsche Männlichkeit gibt, Machotestosteron, gibt es in der Kirche wahnsinnig viel falsche Weiblichkeit. Also nicht echtes Testosteron, sondern so weiches, softes, liebes, nettes, das irgendwie mit dem Mantel des Weiblichen daherkommt. Ich möchte den Klerikern nicht mehr Östrogen, sondern mehr Testosteron wünschen! Ich würde jedem Pfarrer eine Männergruppe wünschen und jeder Männergruppe einen Pfarrer. Das würde beiden verdammt gut tun! Sowohl dem Pfarrer, wie den Männern!
Du hättest auch noch einen Wunsch frei!
Steinmair-Pösel: Dass ganz konkrete Schritte dort gesetzt werden, wo es möglich ist, Frauen in der Kirche in verantwortungsvolle, auch leitende Positionen zu bringen. Es ist schön, dass wir in Österreich zwei Pastoralamtsleiterinnen haben, aber es wäre wesentlich mehr möglich.
Hofer: Ich wünsche mir im umfassenden Sinn potente Männer in einer im umfassenden Sinn potenten Kirche. Als ich das bei einem Vortrag in München gesagt habe, haben vor allem die Frauen applaudiert! Die haben sofort kapiert, was ich meine!
Steinmair-Pösel: Eine von wirklichen Männern und wirklichen Frauen partnerschaftlich geleitete Kirche! Das wäre schön!
Interview: Mag. Roland Sommerauer; Referent der KMB in Vorarlberg