![Fußball beim Anstoß / Shutter2U Ein Fußball liegt beim Anstoß](/img/f4/6e/bb441f4a880db5fb612f/Fu_ball_beim_Ansto_-Shutter2U_-_iStock-1406854849.jpg)
Alles Fußball
Wetten!
Ein paar kurze Betrachtungen darüber, was Fußball mit Religion zu tun hat und was es aus uns macht, wenn wir uns voll und ganz dem runden Leder hingeben.
Gottes Segen im Stadion
Österreich wird zum ersten Spiel bei der EURO 2024 am 17. Juni gegen Frankreich in der Düsseldorfer Merkur Spielarena einlaufen. Spieler, die sich vor der großen Aufgabe geistigen Beistand holen möchten, werden hier laut Pressesprecherin Annalena Mandrella „keinen originären Gebetsort oder eine Kapelle“ finden. Es gebe allerdings „die Möglichkeit des Rückzugs in den jeweiligen Pausenräumen“.
Ganz anders im Olympiastadion in Berlin, wo die beiden anderen Spiele der Vorrunde gegen Polen (21. Juni) und Niederlande (25. Juni) ausgetragen werden. Hier finden die Spieler eine der schönsten Stadionkapellen der Welt. In einem Oval in feinstem Blattgold bietet sie mit Bibelversen in 18 verschiedenen Sprachen Besuchern aus aller Welt ein Stück Heimat. Der ökumenische Andachtsraum
wird von katholischen und evangelischen Christen gemeinsam genutzt. Laut Stadion-Website sollen hier die deutschen Spieler bei der WM 2006 vor dem Viertelfinalspiel gegen Argentinien gebetet haben.Resultat: 4:2 Sieg im Elferschießen!
Vielleicht holen sich ja auch unsere Kicker zusätzliche Energie von oben? Natürlich nicht exklusiv, denn auch die Spieler anderer Nationen werden in der Kapelle vor dem Spiel noch einmal Kraft tanken.
EURO 2024 – Kirchen starten Online-Angebote für Fans
Wer Österreichs Nationalmannschaft zur EM begleiten möchte und noch kein Quartier hat, kann sich auch im kirchlichen Umfeld umschauen. Unter www.host4euro.com werden kostenfreie Unterkünfte für Fans angeboten. „Als Kirchen wollen wir Menschen aus unterschiedlichen Ländern zusammenbringen
und ein weltoffenes Bild unserer Gesellschaft zeigen, in der die Kirche eine wichtige Rolle spielt“, teilten die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland mit.
Auf der Website www.fussball-begeistert.de hat man Materialien für Aktionen und Gottesdienste im Rahmen der EM online gestellt.
Priester-EM 2024
Vor der EM ist nach der EM: Die Priester-Fußballeuropameisterschaft 2024 fand bereits Anfang Februar in Albanien statt. Die Hochwürden aus Kroatien holten den Titel vor den Geistlichen aus Polen und Bosnien. Österreich, angeführt von Kapitän und Tormann Hans Wurzer aus Opponitz im Bezirk Amstetten, erreichte bei 17 teilnehmenden Nationen Platz 11. „Meist gewinnen halt jene Nationen, die aus einem großen Pool an jungen Priestern schöpfen können“, klagt Wurzer (62) über mangelnden Nachwuchs in seinem Team. Mehr über die kickenden Priester unter www.dsg-oesterreich.at
Der Fußballplatz als religiöser Ort
Rapid ist kein Fußballverein, Rapid ist eine Religion. „Rapid, Rapid des is mei Maunnschoft. Rapid, Rapid des is mei Leben“, heißt es in der Hymne. „Der Verein übernimmt eine eigentlich der Religion vorbehaltene existentielle Funktion. Er ist eine sinnstiftende Institution“, schreibt Ansgar Kreutzer in seinem Artikel „Der Fußballplatz als religiöser Ort“. Am Wochenende füllen sich die Stadien zum Hochamt, das klaren Riten folgt. Fans singen ihre Hymnen, sie springen auf Kommando des Eintrommlers, sie formieren sich zu einer Stadionwelle und manche klatschen exakt nach 75 Minuten frenetisch. Religionen sind gemeinschaftsbildend!
Von Ökumene, also der gegenseitigen Wertschätzung unterschiedlicher Religionsgemeinschaften, ist man jedoch weit entfernt. Die Andersgläubigen werden aufs Gröbste beschimpft und auch der Unparteiische
bekommt sein Fett ab. Damit diese Aggressionen nicht eskalieren, sollten Funktionäre und Spieler der Vereine ein Umfeld schaffen, das sicher, respektvoll und angenehm für alle ist und nicht selbst auch noch in rassistische und homophobe Fanchöre einstimmen.
Goals for Heaven
Am Sonntag, 9. Juni, gibt es im Stadion Hartberg um 10:00 Uhr eine „Fußballmesse“ mit Segnung der EM-Spieler. Live zu sehen auch auf ORF III und im iGod Livestream.
https://hartberg.graz-seckau.at/pfarre/6183/kalender/calendar/2069126.html
Der Rapid-Pfarrer
Christoph Pelczar ist Pfarrer in Weikendorf. Bekannt wurde er als Rapid-Pfarrer im grün-weißen Messgewand. Als solcher hat er dafür gesorgt, dass es im Hütteldorfer Allianz-Stadion einen Andachtsraum gibt, er hat Taufen, Trauungen und Begräbnisse in der Rapid-Gemeinde geleitet und Kurse gehalten, die Respekt und Wertschätzung gegenüber Konkurrenten vermitteln sollten. Das Verhalten seiner Schützlinge nach dem Derby-Sieg gegen die Austria hat er klar verurteilt.
Mittlerweile ist er Obmann des Zweitligisten SV Stripfing, der wiederum ausgerechnet ein Partnerclub des „Erzfeindes in Violett“ ist. „Auf mein Engagement als Rapid-Pfarrer hat das keinerlei Auswirkungen, da bleibt
alles wie bisher“, erzählt Pelczar. Also gibt es sie doch auch am Fußballplatz, die Ökumene!
Rollentausch am Fußballplatz
Emotionen spielen auf dem Fußballplatz eine wichtige Rolle. Studien des Austrian Institute of Technology (AIT, Projekte ChANCE und GenSaTion) zeigen, dass die Stadien einen besonderen Freiraum abseits stereotyper Erwartungen bieten. So schätzen Männer den sozialen Raum und die emotionale Gemeinschaft, Frauen freuen sich darüber, wenn sie ungeniert schimpfen und sich die Seele aus dem Leib schreien können – ohne dass jemand daneben steht, der das peinlich findet. So wird ein Fußballspiel schnell einmal zur Therapiesitzung und das Stadion zum
Ort, wo Teile der eigenen Identität, die sonst wenig Platz haben, ausgelebt werden können und Rollenanforderungen kurz einmal außer Kraft gesetzt werden.
Fair produzierte Bälle
„Fußballliebe“ heißt der Ball von Adidas für die EURO 2024. Der Name steht laut dem Hersteller für die Liebe zum Sport, für die Liebe zum Fußball, für die Verbundenheit zwischen Spielern, Fans und Zuschauern. Die Qualität entspricht den höchsten Anforderungen und ist FIFA Quality Pro zertifiziert. Ein Gütesiegel für faire Produktion sucht man vergeblich. Denn fair produzierte Bälle hat Adidas nicht im Sortiment.
Die EURO 2024 soll das nachhaltigste Turnier werden, das es je gegeben hat. Die UEFA und der deutsche Fußballverband DFB haben im Vorfeld in einer Erklärung festgehalten, dass sie die Menschenrechte wahren und schützen werden. 49 Initiativen aus Deutschland haben den Hauptsponsor Adidas in einem offenen Brief auf ausbeuterische Arbeitsbedingungen bei der Produktion von Bällen, Trikots und Schuhen angesprochen und aufgefordert, das umgehend zu ändern und auch die ökologischen Auswirkungen zu verringern. Adidas hat darauf zwar ausführlich geantwortet und zahlreiche Aktivitäten in Bezug auf die Nachhaltigkeit
angeführt. Die Initiatoren ärgern sich dennoch darüber, dass die Fragen aus ihrer Sicht nicht ernsthaft beantwortet worden seien und es in Bezug auf die Arbeitsrechte und die Materialbeschaffung, etwa zur Herkunft recycelter Garne, keine Aufschlüsse gäbe.
Die Fußball-Familie
Bei den Pawleks ist das runde Leder zum Familienmitglied geworden. Vater Dieter ist Obmann des FC Purkersdorf (NÖ), Tochter Sabina (17) spielt im kürzlich gegründeten Frauenteam, Sohn Viktor (21) war von Kind an am Platz und bis zu seinem Kreuzbandriss Spieler in der Kampfmannschaft und Mama Andrea verkauft vor den Heimspielen Tickets oder hilft in der Kantine aus.
Dieter Pawlek ist als Funktionär für alle Belange am Platz gefragt, als Trainer arbeitet er drei Mal die Woche mit dem Nachwuchs und als Vater ist er Taxler bei Auswärtsspielen. „Wenn nicht die ganze Familie dahintersteht, ist das alles unmöglich zu schaffen.“
Ganz wichtig für ihn ist die mentale Unterstützung. „Ich habe kein einziges Match vom Buben versäumt. Wir haben gemeinsam die Siege genossen, nach einer Niederlage war Trost angesagt, aber auch eine Analyse, bei der wir geschaut haben, was wir besser machen könnten.“ Kritik zu üben ist für ihn als Vater viel schwieriger als in der Rolle des Trainers: „Das mache ich sehr vorsichtig und es braucht dazu eine sehr gute Beziehung.“
Autor: Christian Brandstätter