![Ernest Theussl / kmb/kaspar Bild von Ernest Theussl, Vorsitzender der Kath. Männerbewegung Österreichs](/img/9a/11/6ad9e394ee3807e2244d/Ernest_Theussl-Theuessl_c_KMB.jpg)
Priester in der Politik?
Am 30. November sind es 90 Jahre her, dass die Österreichische Bischofskonferenz alle Priester aus ihren politischen Ämtern, in die sie demokratisch gewählt worden waren, zurückzog. Innerhalb von zwei Wochen mussten sie alle ihre Mandate, ob Nationalrat, Landtag oder Gemeinderat, zurücklegen. Aus heutiger Sicht war das gewiss ein epochemachender Schritt in der österreichischen Kirchengeschichte, aus zeitgenössischem Blickwinkel sehen die Dinge allerdings ein wenig anders aus.
Das Jahrhunderte alte Bündnis von Thron und Altar war mit dem Untergang der Monarchie zerbrochen. Mit der Republik als Staatsform hatte man keine Freude und auch keine Erfahrung. Die Wirtschaftskrise bewirkte überall in Europa den Ruf nach dem starken Mann. Hatte man schon die Demokratie nur widerwillig hingenommen, entlud sich der ganze Frust erst recht gegen die Parteien, die schließlich an allem schuld waren. So begann man schon sehr bald nach Alternativen zu schielen. Und die Kirche stellte sich dabei in die vorderste Reihe. Gestützt auf die Enzyklika „Quadragesimo anno“ aus dem Jahre 1931 erschien der Ständestaat als die gewünschte Alternative, wo anstelle der Parteien die Berufsstände regieren sollten. Nur so könne der Gerechtigkeit zu ihrem Recht verholfen werden. Und Österreich sollte der erste – und letztlich einzige – Staat der Erde werden, der diese Enzyklika verwirklichen wollte.
Wie heute auch hatte das Wort „Politik“ bald einen schlechten Ruf. Innerkirchlich erst recht. Christliche Politiker sollten, wenn überhaupt, nur in der Sozialpolitik tätig sein, verfügte der Papst. Der neue CIC (Codex Iuris Canonici) von 1918 verbot den Priestern dann jegliche politische Tätigkeit, was aber niemand eingehalten hat. Als es im Herbst 1933 bei uns in Österreich schon ein halbes Jahr kein Parlament mehr gab und Kanzler Dollfuß den christlichen Ständestaat mit starker autoritärer Führung ankündigte, war für die Hierarchie die Stunde gekommen, ihre Abneigung gegen die Parteien in klingende Münze umzusetzen. Jetzt sollte mit ihnen, auch der christlich-sozialen, Schluss gemacht werden. Der autoritäre Gedanke hatte sich überall durchgesetzt. Auch in der Katholischen Aktion. Dem Prinzip der Berufung durch die Hierarchie gehörte die Zukunft, nicht der demokratischen Wahl. Ein Menetekel, das auch heute wieder an den Wänden unserer Kirche irrlichtert.
Wie wir sehen, ist das ständestaatliche Modell kläglich gescheitert und hat einer entsetzlichen braunen Diktatur weichen müssen. Die Triebkräfte der Zerstörung waren die Ablehnung der Demokratie und die Verachtung der sie tragenden Parteien. Was wir gelernt haben sollten: Parteien sind Plattformen, um den unterschiedlichen Meinungen und Ideen die Möglichkeit zu geben sich zu artikulieren, wie es Hans Kelsen, der geistige Vater unserer Verfassung, formuliert hat.
Viele, meines Erachtens viel zu viele, meinen, man könne seine Hände in Unschuld waschen, wenn man die Finger fernhalte von Politik. Das ist ein Irrtum. Auch in der Kirche geistert diese Haltung viel zu oft herum. In Wirklichkeit ist sie selbst sehr politisch. Sie ist politisch, wenn sie zu Klimawandel, Migration, Abtreibung, Familienpolitik, Bildung, Soziales etc. Stellung nimmt und Forderungen stellt. Im bunten Wald der Meinungen und Interessen ist sie selbst ein Baum unter vielen. Die Aufgabe der Kirche ist es nicht, immer und überall die letztbesten Programme aufzutischen. Ihre Aufgabe ist es, zu Frieden und Versöhnung unter den Menschen und zu Achtung und Anstand unter den Parteien beizutragen.
Autor: Mag. Ernest Theußl,
Vorsitzender der Katholischen Männerbewegung Österreichs