![Happy laughing middle aged couple bonding while relaxing sitting on sofa / Inside Creative House People, Senior, Home Interior, Lifestyles, Indoor](/img/5e/8d/064239bcb0590c97a286/Happy_laughing_middle_aged_couple_bonding_while_relaxing_sitting_on_sofa-Inside_Creative_House_-_iStock-1248256677_quadrat.jpg)
Eine erfüllte Partnerschaft ist keine Glücksache
Eigentlich schade. Dann, wenn es richtig spannend werden würde, ist im Märchen Schluss. Königssohn und Prinzessin haben endlich zueinander gefunden, es folgen Kuss, Hochzeit und das Ende der Geschichte. Kein weiteres Wort darüber, wer bei Dornröschen und ihrem Prinzen nachts das zahnende Baby herumträgt. Ob der Prinz manchmal vergisst, den Müll rauszubringen und wie beleidigt Dornröschen reagiert, weil er spät aus der Arbeit nach Hause gekommen ist. Kein Alltag, kein Trott, kein Bemühen, die Partnerschaft nach Jahrzehnten lebendig zu halten. Ganz anders im echten Leben, wo sich der wesentliche Teil einer Partnerschaft erst nach dem verbindlichen Ja zueinander abspielt.
In der Realität beginnen viele Liebesgeschichten zwar auch wie im Märchen, dass es ohne Anstrengung märchenhaft weitergeht, ist unwahrscheinlich. „Wenn eine Beziehung gelingt, passiert das weder zufällig noch automatisch“, sagt Josef Lugmayr von beziehungleben.at, der Beratungsstelle für Ehe und Familie der Diözese Linz. Ehe und Beziehung sind – nicht ausschließlich, aber eben auch – Arbeit. Es braucht ein hohes Maß an Engagement, um eine Partnerschaft in die Tiefe zu führen und die Bindung zueinander zu einem tragfähigen Fundament zu machen, das auch in Krisenzeiten hält.
Ähnliche Ziele, andere Vorstellungen
In der Verantwortung stehen dabei beide Partner. „Jeder muss seinen Beitrag leisten, der Mann und die Frau“, betont Lugmayr. Wenngleich dieser Beitrag unterschiedlich aussehen kann. Denn, und darin liegt eine der größten Herausforderungen für ein Paar, „Männer und Frauen sind unterschiedlich“. Beide mögen mit ähnlichen Zielen – Nähe, Harmonie, Vertrauen – in die Partnerschaft gehen, die Vorstellungen darüber, wie sich diese verwirklichen lassen, decken sich nicht notwendigerweise. Das kann so aussehen: Er stellt emotionale Nähe und Harmonie durch körperliche Nähe und Sex her, für sie ist es umgekehrt – Sex setzt emotionale Verbindung erst einmal voraus. Oder: Sie erwartet sich von ihm ein offenes Ohr und Zuspruch für ihre Probleme, er will schnell Lösungen und nächste Schritte vereinbaren, ohne richtig zugehört zu haben. Klingt zu sehr nach Klischee? Über Jahrhunderte wurden Männer und Frauen bestimmten Geschlechterrollen entsprechend erzogen, da ist es nicht verwunderlich, wenn ihre Beziehungskompetenzen dem entsprechen.
Verhalten in der Krise
Auch der Umgang mit Krisen folgt in Partnerschaften häufig einer typischen Schablone. In vielen Fällen sei es die Frau, die schon länger in der Beziehung unzufrieden ist, sagt Lugmayr. „Der Mann merkt oft sehr spät, dass sich die Partnerschaft in einer Krise befindet. Erst durch ein deutliches Wort seiner Frau wird ihm bewusst, dass Feuer am Dach ist.“ Dann erst kommt er ins Handeln und ist bereit, an der Beziehung zu arbeiten – wenn es dafür nicht bereits zu spät ist. „In den Beratungen sagt die Frau oft zu ihrem Mann, der verspricht, sich zu ändern: ‚Wenn du das vor fünf Jahren schon gemacht hättest, wäre es jetzt viel leichter!‘ Da nochmal einen Neubeginn zu schaffen, ist dann meist nicht so einfach.“ Aus Erhebungen aus seiner Beratungsstelle weiß Lugmayr jedoch, dass sich in den vergangenen Jahren die Dynamik zwischen den Geschlechtern verschoben hat. Männer ergreifen häufiger die Initiative. „Es rufen mehr Männer an als früher und bitten um ein Beratungsgespräch, weil sie etwas für ihre Beziehung tun wollen.“
Herzensnähe durch Reden
Ein Wundermittel gegen Beziehungsprobleme kann Josef Lugmayr in den Beratungen nicht bieten. Oder möglicherweise doch? „Es braucht viel Zeit fürs Gespräch. Ohne geht es nicht.“ Reden Paare nicht, geht die Bindung zueinander verloren, Missverständnissen wird der Boden bereitet. „Kommunikation meint allerdings mehr, als sich über Organisatorisches abzustimmen“, ergänzt Lugmayr. Wer die Kinder von der Schule holt oder neues Klopapier kauft, muss zwar besprochen werden, Herzensnähe schaffen diese Alltagsgespräche nicht. Auch hier greift das Klischee: „Über die Beziehung und ihre Gefühle reden Männer nicht so gern. Das ist nachvollziehbar, denn das haben zumindest die älteren unter uns nicht gelernt. In der jüngeren Generation sieht das schon anders aus.“
Unterschiede in der Kommunikation
Was partnerschaftliche Kommunikation noch erschwert: Männer sind nach wie vor stark auf die Erwerbsarbeit hin orientiert und das wirkt sich auf ihre Art zu kommunizieren aus. Kommunikation im Beruf ist normalerweise weniger emotional, dafür sachlich und lösungsorientiert. „Viele Männer müssen sich daheim erst einmal umstellen“, sagt der Männerforscher und Psychotherapeut Erich Lehner. Das schaffen sie leichter, wenn sie sich bewusst machen, wie sehr Gesprächsverweigerung langfristig der Beziehung schadet. Verantwortung in einer Partnerschaft zu übernehmen, bedeutet also, dem Bedürfnis der Partnerin nach emotionalem Austausch entgegenzukommen. In Konflikten nicht zu mauern, sondern die eigenen Gefühle aussprechen und zuhören, wie es der Partnerin geht. Und hin und wieder selbst die Initiative zu ergreifen und mit einer Tasse Tee oder einem Glas Wein zum Herz-zu-Herz-Austausch einzuladen.
Verantwortung als Hauptverdiener
Apropos Verantwortung. Ein Großteil der Männer nimmt diese wahr, wenn es darum geht, den Löwenanteil des Familieneinkommens beizutragen. „In der Rolle des Hauptverdieners fühlen sich viele Männer gut aufgehoben. Sie machen das und sie wollen das auch“, sagt Erich Lehner. Bloß, die Ansichten darüber, was Männer in Partnerschaften, besonders in solchen mit Kindern, alles zu leisten haben, verändern sich gerade grundlegend. Dass immer mehr über eine gerechtere Aufteilung von Erwerbs- und Fürsorgearbeit diskutiert wird, bringt Männer zunehmend in Verlegenheit. Moderne Männer sollen sich neben dem Geldverdienen auch noch „kümmern“. Um die Kinder, den Haushalt und die Medikamentengabe an die pflegebedürftige Schwiegermutter.
Ein legitimer Anspruch, sagt Lehner. Denn: Von einer gleichberechtigten Partnerschaft würden beide, Mann und Frau, profitieren. Noch sei die Mehrzahl an Männern noch weit davon entfernt, in Sachen Fürsorgearbeit echte Verantwortung zu übernehmen. Viele Männer helfen zwar mit, Frauen halten in der Familie aber nach wie vor die Zügel in der Hand.
Aufteilung von Erwerbs- und Fürsorgearbeit
Gesamtgesellschaftlich sei das nur auf struktureller Ebene zu verändern, sagt Lehner. „Es braucht Maßnahmen, die es Männern erleichtert, ihren Anteil in der Familie zu übernehmen, annähernd gleich lange Karenzzeiten etwa. Allein mit individuellen Appellen ist das nicht zu lösen.“ Paaren, die sich schon jetzt eine bessere Aufteilung von Erwerbs- und Fürsorgearbeit wünschen, bleibt nur eines: „Sie müssen viel reden. Vor allem auf einer strukturellen Basis“, sagt Lehner. Das bedeutet viel partnerschaftliches Aushandeln: Arbeitsvollzüge und Verantwortungsbereiche in der Familie müssen benannt und aufgeteilt werden. Wer denkt daran, die Reifen zu wechseln? Wer sorgt dafür, dass der Kühlschrank ausreichend gefüllt ist? Wer ist zuständig für die anstehenden Arzttermine der Kinder oder der betagten Eltern? Solche Aufgabenzuteilungen müssen laufend evaluiert und angepasst werden. Das kann anstrengend sein.
Aufeinander angewiesen
Letztlich laufe in einer erfüllten Partnerschaft alles auf Interdependenz hinaus, sagt Erich Lehner. Auf das AufeinanderAngewiesensein und Sich-voneinander-abhängig-Wissen. Etwas, was vielen Männern schwerfällt. „Das herrschende Männerbild ist nach wie vor das des ‚lonely cowboy‘, der unabhängig ist. Und der im Wettbewerb mit anderen steht.“ Dass das nicht in Stein gemeißelt ist, zeigen die skandinavischen Länder, in denen das Männerbild bereits beziehungsorientierter ist.
Zurück zu Dornröschen und ihrem Prinzen. Darüber, wie es nach der Traumhochzeit weiterging, können nur Mutmaßungen angestellt werden. Hat der Königssohn seine Verantwortung wahrgenommen? Hat auch Dornröschen ihren Beitrag geleistet? Dann stehen die Chancen gut, dass sie – wenn sie nicht gestorben sind – immer noch glücklich miteinander leben.
Autorin: Sandra Lobnig