Was soll ich bloß schenken?
„Schau, den schenk‘ ich dir“, sagt der Vierjährige und drückt seinem Papa einen glitzerenden Kieselstein in die Hand. Eine kleine Kostbarkeit, die beide freut, den schenkenden Knirps und den Beschenkten. Und eine Geste, die Nähe schafft. So ist das mit guten Geschenken: Sie kommen von Herzen und stärken die Beziehung. Was Kindern leicht fällt, stellt viele Erwachsene vor eine Herausforderung. Sie plagen sich mit Fragen wie: Worüber würde sich der andere wirklich freuen? Was, wenn das Geschenk nicht gut ankommt?
Braucht es überhaupt ein Geschenk, um Zuneigung ausdrücken?
Insbesondere Männern sagt man nach, dass sie sich mit dem Schenken schwertun.
In vielen Partnerschaften ist es die Frau, die sich um die Geschenke für den Kindergeburtstag, die 80er-Feier der Schwiegermutter, die Hauseinweihungsparty der Nachbarn kümmert. Sind Männer tatsächlich weniger engagiert, wenn es ums Schenken geht? „Ich denke, dass wir Männer eher gefährdet sind, im Trubel unserer Termine und Verpflichtungen auf das Schenken zu vergessen“, sagt der Psychotherapeut Peter Stippl. Dazu komme: „Die Motive sind bei Männern oft anders als bei Frauen. Männer möchten dem anderen mit einem Geschenk etwas sinnvolles Gutes tun, Frauen wollen die Beziehung erfrischen.“ Anders ausgedrückt: Männer schenken tendenziell eher sachbezogen und praktisch – Stichwort „Bügeleisen als Weihnachtsgeschenk“, Frauen eher beziehungsbezogen. Das könne den Eindruck vermitteln, Männer würden sich beim Schenken nicht so viele Gedanken machen.
Ohne viel Chichi
Praktisch, wenig kompliziert und meist unverpackt: So würden Männer auch einander beschenken, sagt Peter Stippl, der erst kürzlich einem guten Freund eine Flasche frischen Sturm mitgebracht hat. „Ohne viel Chichi, sehr sachbezogen. Er hat sich unheimlich gefreut.“ Was vielen Männern die Lust am Schenken verderbe, sei die Erwartungshaltung, mit der sie sich an Tagen wie dem Valentins- oder Muttertag konfrontiert fühlen. „‚Ich lasse mich nicht manipulieren und schenke die Blumen doch nicht dann, wenn sie doppelt so teuer sind‘, denken sie. Viele fühlen sich bevormundet“, erklärt Stippl. Seine Empfehlung für alle, denen die Geschäftemacherei rund um diese Tage sauer aufstößt: Statt am Valentinstag eben früher oder später Blumen mitbringen. Oder eine andere Kleinigkeit, die zeigt, dass einem der andere wichtig ist. „Das gilt natürlich auch außerhalb einer Partnerschaft.“ Schokolade für die Arbeitskollegen, einen neuen Comic für die Kinder, eine Flasche Wein für den Tennispartner. „Mit einer guten Geschenkekultur kann man einiges bewirken.“
Für den US-amerikanischen Autor Gary Chapman ist das Schenken sogar eine von fünf Sprachen der Liebe. Menschen, die diese Liebessprache sprechen, würden Geschenke unbedingt brauchen, um sich geliebt zu fühlen und ihre eigene Liebe mit Schenken ausdrücken. Dabei sei es wenig relevant, ob die Geschenke teuer oder sogar kostenlos sind. Ein selbst gepflückter Blumenstrauß oder eine teure Armbanduhr zu Weihnachten: Beides zeige dem Beschenkten, dass er für den anderen wichtig ist. Wer merkt, dass die Partnerin, der beste Freund oder die eigene Mutter die Liebessprache des Schenkens sprechen, selbst aber wenig Wert darauf legt, sollte Geschenken trotzdem einen besonderen Stellenwert in der Beziehung geben. Chapman nennt das: Die Liebessprache des anderen lernen.
Wunschliste respektieren
Auf den Anspruch, beim Schenken besonders originell sein zu wollen, kann man übrigens getrost verzichten. Forscher der Universität Stanford haben herausgefunden, dass sich die meisten Menschen am ehesten über Vorhersehbares freuen. Äußert also ein Brautpaar mittels Hochzeitsliste konkrete Wünsche, sollten die eingeladenen Gäste vor allem eines tun: etwas von dieser Liste besorgen. Überraschungen kommen laut Studie weniger gut an als das, was man sich ohnehin gewünscht hat. Die Schenkenden fühlen sich dabei vielleicht einfallslos und langweilig, die Beschenkten hingegen werten es als Akt der Aufmerksamkeit, wenn sich die Gäste an die Wunschliste halten. Hier gilt: Beim Schenken geht es nicht darum, den eigenen Einfallsreichtum unter Beweis zu stellen, sondern der zu beschenkenden Person eine Freude zu machen. Das Gute daran: Der Schenkende hat ebenfalls was davon. Denn auch das haben Untersuchungen ergeben: Schenken macht glücklich!
Autorin: Sandra Lobnig; LebensArt-Verlag