![Wahre Freundschaft / Helm-Wakolbinger/Semper Grosszügigkeit](/img/78/be/d6842c6e5dc8a150788b/Wahre_Freundschaft-Foto_Freundschaft.jpg)
Großzügigkeit ist eine gute Basis
Ypsilon: Männer haben meist "Kameraden" oder „Kollegen“ und bezeichnen nur selten jemanden als „Freund“. Wie ist es zu eurersehr engen Freundschaft gekommen?
Andreas Semper: Das kann man fast nicht mehr rekonstruieren, weil wir kennen
uns schon seit mehr als 30 Jahren. Wir haben uns in der Jugend über die KAJ
(Katholische Arbeiter*innen Jugend, Anm.) kennengelernt. Und da waren wir zuerst Kollegen.
Rupert Helm-Wakolbinger: Ich war Geschäftsführer bei Südwind in der Buchhandlung und ich habe einen Mitarbeiter gebraucht. Ich habe den Sem (Andreas Semper, Anm.) gefragt, ob er das nicht übernehmen könnte. Sem hat zugesagt und das war der Beginn einer engen berufl ichen Zusammenarbeit. Dann hat sich herausgestellt, dass wir sehr gut miteinander auskommen. Sem hat sich
verändert und ist später zu einer Baufirma gegangen, ich bin bei Südwind
geblieben. Später haben wir begonnen, gemeinsame Projekte zu machen.
Semper: Kollege oder Freund, das war nie wirklich zu trennen, weil wir haben
uns ganz lange privat und immer gleichzeitig berufl ich getroff en. Es gab immer
irgendeine Besprechung und dann sind wir halt miteinander auf ein Bier gegangen. Das war immer gekoppelt.
Y: Würdet ihr euch heute als „beste Freunde“ bezeichnen?
Semper: Das fällt schon unter „Best Friend“. Es gibt eine Handvoll, die ich so bezeichnen würde. Und mit Rupert glaube ich verbringe ich die meiste Zeit.
Wir fahren auch miteinander auf Urlaub und gehen in die Berge.
Y: Gibt es im Laufe dieser langen Zeit auch ein Auf und Ab in der Männerfreundschaft? Mit Zeiten, in denen man sich länger nicht sieht?
Helm-Wakolbinger: Wir sind ein bisschen untypisch, weil wir eben berufl ich miteinander zu tun haben. Ich glaube, es hat in dieser Phase keinen Monat gegeben, wo wir uns nicht irgendwann einmal gesehen haben.
Y: Und die Beziehung war immer harmonisch, ohne Streit?
Helm-Wakolbinger: Wir haben praktisch eine Männerfreundschaft ohne Konflikte. Das ist auch völlig untypisch. Weil mit anderen Leuten habe ich schon hin und da einen kleinen Kelch. Wir sind im Umgang miteinander extrem großzügig und wir bewegen gemeinsam bei unseren Projekten relativ große Summen. Wenn es zum Beispiel darum geht, wer hat wie viel dafür gearbeitet: Da genügen zwei Sätze und wir haben es. Wir sagen 60 : 40 oder 30 : 70 und schon ist es erledigt.
Y: Versteht ihr euch deswegen so gut, weil ihr vom Charakter her relativ ähnlich
seid, oder würdet ihr euch als sehr unterschiedliche Charaktere bezeichnen?
Semper: Ich glaube, dass wir sehr unterschiedliche Charaktere sind, aber in dem
Punkt sind wir uns halt sehr einig. Großzügigkeit ist grundsätzlich eine gute Basis
für eine Freundschaft . Die Streitereien erlebe ich dort, wo die Erbsenzähler daheim sind.
Helm-Wakolbinger: Wir sind doch ziemlich unterschiedlich, aber wir haben ein
sehr ähnliches Wertekorsett, mit dem wir leben wollen.
Y: Gibt es Dinge, die ihr ausschließlich miteinander macht?
Helm-Wakolbinger: Wir fahren seit ganz vielen Jahren, mittlerweile sind es 20, regelmäßig im Juni eine Woche nach Kreta. Und manchmal sind noch ein oder zwei Freunde dabei. Aber das ist schon eine intime Runde. Da würden wir nicht jeden mitnehmen.
Y: Was macht so einen klassischen Männerurlaub aus?
Helm-Wakolbinger: Also das Entscheidende, warum wir hinfahren, ist, um gemeinsam Zeit zu verbringen. Wir sitzen auf der Terrasse und führen Gespräche
und trinken ein Glas Wein dazu. Und das eine oder andere Mal machen wir eine kleine Tour in die Berge oder – wenn wir nicht so ambitioniert sind – gehen
wir ein Stückerl am Strand entlang.
Y: Ein Zeichen enger Freundschaft ist, dass die Gespräche immer tiefer werden.
Worüber redet ihr mit dem besten Freund und sonst niemanden?
Semper: Wenn es wirklich um persönliche Sachen geht, was mich ganz persönlich
bewegt, über das rede ich nicht mit allen. Das rede ich familienintern oder eben mit meinen allerbesten Freunden.
Helm-Wakolbinger: Vor allem Geschichten rund um die Beziehung. Wir sind eide
sehr lange verheiratet. Und alle Fragestellungen, die sich rund um eine lange
Beziehung ergeben, fi nden da Platz.
Y: Wie schwierig ist es, neben Familie und Beruf Zeit für Freundschaften zu finden? Wie wichtig sind euch regelmäßige Treffen?
Semper: Diese Woche auf Kreta zum Beispiel, miteinander fortfahren oder auch
im Sommer dann eine zweite, das war mir immer sehr wichtig, sich auch von
der Familie freizunehmen. Ich habe drei Kinder, und da war das zwischendurch
auch ein Thema: Erlaube ich mir, dass ich eine Woche alleine fortfahre? Ich
glaube, dass es grundsätzlich wichtig ist, dass man sich die Zeit nimmt.
Helm-Wakolbinger: Das sehe ich auch so. Bei mir ist es ja sehr viel einfacher, weil
ich lebe nur mit meiner Frau zusammen, aber wir sind beide sehr außenorientiert.
Das heißt ich mache viel im NGO-Bereich. Ich habe viele Abendtermine, habe
viele Geschäft skontakte und das ist kein Thema, das machen zu können und dann
auch diese Wochen weg zu sein. Man muss es sich halt ausmachen. Den einen
oder anderen kleinen Konfl ikt darüber: „Jetzt wart ihr gerade in Kreta und jetzt
fahrt ihr schon wieder eine Woche in die Berge!“, das kennen wir.
Y: Was ist das Außergewöhnliche, das eure Freundschaft auszeichnet?
Semper: Fast unbegrenztes Vertrauen. Es gibt wenige Menschen, die mich rund um die Uhr anrufen dürfen. Er darf mich immer anrufen und da hebe ich auch ab.
Helm-Wakolbinger: Und wir genießen das auch. Wir haben eben viele Freunde im
NGO-Bereich. Da gibt es Veranstaltungen, da gehen wir gemeinsam hin. Wir
tauchen häufi g gemeinsam auf. Ein guter Freund von uns hat uns schon gefragt, ob wir auch anderweitig ein Pärchen sind. Nicht nur berufl ich. Das haben wir dann verneint.
Y: Könnte eure Freundschaft auch einmal zerbrechen? Falls ja, woran?
Semper: Das ist aus heutiger Sicht unwahrscheinlich. Ich meine, man weiß
nicht, was passieren kann, aber mir würde jetzt kein Szenario einfallen.
Helm-Wakolbinger: Wir sind beide sehr erfahren, wir haben viele Jahre berufl ich
in der katholischen Arbeiterjugend gearbeitet und haben da auch einen Hintergrund, wie man Gespräche führt, wie man Beziehungen pfl egt, was wichtig ist. Wir erkennen konflikthaft e Geschichten und reden die aus.
Y: Was sind so eurer Meinung nach die wichtigsten Eigenschaften, die ein guter
Freund haben muss?
Semper: Großzügigkeit, Verlässlichkeit. Da muss eine Vertrauensbasis da sein,
dass ich mich darauf verlassen kann, dass das hält.
Helm-Wakolbinger: Und es muss länger dauern. Freundschaft ist immer so eine
Geschichte, die man nicht nur an der Tiefe, sondern auch an der Länge erkennt.
Semper: Ich glaube auch, man kann nicht jemanden kennenlernen und vierzehn
Tage später sagen: Das ist mein bester Freund! Das wird nicht funktionieren. Das muss wachsen.
Y: Gibt es ein besonderes gemeinsames Erlebnis, das euch verbindet?
Semper: Grundsätzlich viele. Wir haben von vielen schönen Bergen gemeinsam
runtergeschaut. Und viele Stunden ins Meer gestarrt.
Helm-Wakolbinger: Für mich ist die Woche in Kreta die schönste Woche des Jahres. Und ich glaube, meine Frau weiß das auch. Und dass das sakrosankt ist.
Sogar unsere Firma heißt so wie unser Lieblingsstrand an der kretischen Südküste:
Marmara.