Kein Vaterglück
Nun, anfangs war es ja weiter nicht tragisch. Das Kind musste ja nicht gleich kommen, es passte auch noch in ein paar Monaten oder Jahren.
Aber dann wurde es komisch. Und wie es halt so ist, wenn man um die 30 ist: Rundherum wurden im Freundes- und Familienkreis Kinder geboren: Da kam eine freudige Nachricht und auch dort erwarteten sie ein Kind. Nur bei uns, da funktionierte das nicht. Erinnern kann ich mich vor allem an die frohe Kunde, die eine meiner Schwestern überbrachte. In ihrem Fall war die Schwangerschaft auf
den Monat hin geplant. Und es hat sofort funktioniert. Da war natürlich
zum einen die Mitfreude, aber gleichzeitig auch ein Gefühl der Ungerechtigkeit:
„Warum geht es da so leicht? – Und warum bei uns nicht?“
Kein medizinischer Grund
Freilich haben wir medizinisch alles abgecheckt. In unserem Fall war alles perfekt. Es gab keinen medizinischen Grund, warum meine Frau nicht schwanger wurde. Natürlich haben wir auch das eine oder andere probiert. Also eigentlich hat vor
allem meine Frau einiges probiert, weil die Möglichkeiten als Mann begrenzt
sind. Also blieb nur die Rolle als fallweiser Begleiter: Meine Frau probierte es mit Bioresonanz. – Kein Erfolg. Dann wusste jemand von einem Wunderdoktor, der schon hunderten Frauen zur Schwangerschaft verholfen hatte. Auch bei uns war er ganz sicher. Doch Monat für Monat blieb der Erfolg aus. Dann meinte der Frauenarzt, er probiere es mit einer leichten Hormonbehandlung und prognostizierte den
fruchtbarsten Zeitpunkt. – Wieder nichts! Die Nebenwirkungen dieser Behandlung waren so, dass es für meine Frau klar war, dass sie das kein zweites Mal machen wollte. Diese Jahre des Nicht-Schwanger-Werdens und des Jeden-Monatwieder-Nix zehrten an den Kräften. Keine Frage, diese Phase war für meine Frau schwieriger als für mich. Nicht schwanger zu werden, bedeutet für eine Frau einfach auch, dass sie fundamentale Erlebnisse nicht haben kann: kein Reifen eines Kindes im eigenen Leib, keine Geburt, kein Groß-Werden mit einem kleinen Wesen. Nicht Vater zu werden, bedeutet aber auch für einen Mann einen unfreiwilligen Verzicht, der durchaus traurig machen darf.
Reden hilft
In dieser Phase haben meine Frau und ich sehr viel geredet. Das war wichtig. Das war wichtig für uns selbst und es war wichtig für unsere Beziehung. Diese vielen Gespräche haben uns näher gebracht. Sie haben uns beiden klargemacht, dass
für uns das wichtigste die Beziehung zueinander ist. Freilich wäre ein Kind schön. Wenn es aber nicht sein will, dann können wir uns ja immer wieder darüber freuen, dass wir uns so gerne haben. Wir können uns darüber freuen, dass sich vieles
im Leben so gut entwickelt. Geholfen hat mir auch das Reden mit Freunden und Bekannten. Für mich war ein Gespräch mit einer Frau sehr wichtig, die auch unfreiwillig keine Kinder bekommen hatte. Sie meinte, dass ihr der Gedanke,
dass sie alle Menschen als ihre Kinder betrachten könne, sehr weitergeholfen
hat. Vielleicht gäbe es einen undurchschaubaren Plan, der für mich/uns in diesem Leben eine andere Aufgabe vorsieht, als eigene Kinder auf die Welt zu setzen.
In diesem Bewusstsein haben meine Frau und ich uns gegen künstliche
Befruchtung und Adoption entschieden. Vielleicht ist es so, dass wir unsere Zeit und Energie für die Menschheitsfamilie (oder sehr konkrete Menschen in unserem Umfeld) einsetzen. So hält man das Nicht-Eltern-Werden leichter aus.
Auch wenn ein Leben lang eine gefühlte Lücke bleibt.
Mag. Markus Pühringer
Volkswirt und Mitarbeiter der City-Pastoral, Linz