Männer in der Familie
Bei genauerem Hinsehen ist damit aber nicht gemeint, dass sie dort möglichst viel Zeit verbringen oder sehr viel Energie investieren, sondern, dass die Familie für ihr inneres Wohlbefinden, für ihre seelische Ausgeglichenheit besonders wichtig ist. Aus diesem Grund sind für Männer harmonische Beziehungen, möglichst wenig Probleme in der Partnerschaft und auch in den anderen familialen Beziehungen – mit den Kindern, mit den Eltern und Schwiegereltern – wichtig.
Laut drittem Österreichischem Männerbericht (2015) hat sich der Anteil der Männer, die in einer Familie leben, in den letzten Jahrzehnten reduziert: 1971 waren es noch 46,7%, die als Ehemänner gelebt haben, 2015 waren es nur noch 41,1%. Gleichzeitig ist der Anteil der allein lebenden Männer von 5,3% auf 15,2% gestiegen. Ungebrochen ist aber die Sehnsucht nach einer gelingenden Familie bei den Männern. Auch der Wunsch nach Kindern ist bei Männer stärker als bei Frauen – wobei dieser Wunsch abhängig ist von einer bestehenden, fixen und gut funktionierenden Partnerschaft. Kinder wirken sich im Besonderen auf die Lebenszufriedenheit der Männer aus, und zwar mehr als bei den Frauen. In der Beziehung zu ihren Partnerinnen sind Männer häufig länger zufrieden als die Frauen. Beziehungsprobleme werden in der Regel von Frauen früher wahrgenommen und erkannt. Auch das Bedürfnis nach Veränderung und der Anstoß zu einer Beratung kommt viel früher von den Frauen, als von der Seite der Männer.
Differenzen in der Beziehung werden von Männern tendenziell in der ersten Phase wenig bemerkt oder verharmlost. Andererseits haben sie eine diffuse Angst, die Partnerin und damit das stabile Familiensystem zu verlieren. Nicht nur der persönliche Stress, der sich aus so einer Situation ergibt, sondern auch die Angst vor dem Alleinsein ist für Männer oft ein Hindernis, Probleme in der Beziehung rechtzeitig zu erkennen und sich damit auseinanderzusetzen. Die erahnte und dann häufig erlebte Ohnmacht ist für Männer nicht nur irritierend, sondern meist existenziell bedrohlich und lässt sie oft lange Zeit wegschauen von den tatsächlichen Problemen in der Beziehung. Umso heftiger ist die Konfrontation mit diesen Gefühlen und mit der Hilflosigkeit dann, wenn die Partnerin sie vor vollendete Tatsachen stellt und den Wunsch nach einer Trennung oder Scheidung kundtut. In dieser Situation werden Männer in radikaler Weise konfrontiert mit ihrer Hilflosigkeit, mit den Gefühlen der Ohnmacht, mit der Angst, die Partnerin und auch die Kinder zu verlieren.
„Schuss vor den Bug“
Solche Konfliktsituationen sind für Männer der sprichwörtliche „Schuss vor den Bug“, der sie wachrüttelt und aus der Fokusierung auf Arbeit und Beruf herausreißt. Häufig haben sie ihre Rolle allzu lang als Ernährer und Berufsmensch gesehen und waren der Meinung, durchaus alles für ihre Familie getan zu haben. Für die Frauen war das aber oft schon lange zu wenig, sie bemerken die Unzufriedenheit früher, konfrontieren ihre Männer aber nicht ausreichend mit dem Bedürfnis nach mehr Kommunikation, nach mehr Zweisamkeit, auch nach mehr Mitbeteiligung an der Familienarbeit. In der Beratung kommt dann häufig auch noch der Vorwurf, dass der Mann das über die letzten Jahre nicht einmal gespürt hat. Und es stimmt meistens auch, dass er das Problem erst in dem Moment erkannt hat, als die Frau es zur Sprache gebracht hat.
Männer sind in dieser Situation meist hoch motiviert, sich zu verändern, stellen aber oft fest, dass die Partnerin sich innerlich schon verabschiedet hat und der Zug eigentlich schon abgefahren ist. Es braucht dann einen längeren, mühsamen Prozess. Der Blick auf die gemeinsamen Kinder kann in der Beratung noch eine Motivation sein, sich auf die Aufarbeitung der offenen Baustellen einzulassen und sich wieder neue Perspektiven für eine gemeinsame Zukunft zu erarbeiten.
Meiner Erfahrung nach sind Männer hier auch tatsächlich zu großen Veränderungen bereit, haben es aber konkret manchmal nicht leicht: von ihrer Situation in der Arbeit her, von der Gekränktheit und Verschlossenheit der Partnerin her und vom inneren Prozess, den sie durchleben müssen und bei dem sie sich einlassen müssen auf die schwierigen Gefühle der Ohnmacht und der Hilflosigkeit. Dort, wo es gelingt, dass Männer sich selber mit dieser „schwachen“ Seite auseinandersetzen, ermöglicht das eine persönliche Weiterentwicklung, die den Frauen imponiert und die für die Paarbeziehung viel bringt. Es ist ein Prozess der Veränderung für beide, Mann und Frau, der meist mehr Lebensqualität für den Mann, mehr Lebendigkeit in der Paarbeziehung und auch in der Beziehung zu den Kindern bringt und der sich im Sinn der Sehnsucht nach gelingender Familie lohnt.
Mag. Josef Lugmayr,
Leiter von BEZIEHUNGLEBEN.AT, Abteilung Beziehung, Ehe und Familie im Pastoralamt der Diözese Linz.