Christliches Ehrenamt der Zukunft
Als Organisationentwickler, Coach und Supervisor könnte ich jetzt sicher auch Einiges zu Papier bringen, hinsichtlich Aufwand und Möglichkeiten, Professionalisierung des Ehrenamtes und Mitspracherechts und schließlich zum Zusammenspiel von Haupt- und Ehrenamtlichen.
Viel mehr interessiert mich aber: Aus welchem Geist heraus engagieren wir uns? Ist es um der Ehre willen, um des Amtes willen, um unserer selbst willen oder schließlich um der überfließenden Liebe Gottes im Anderen willen? Und deshalb interessiert mich vor allem ehrenamtliches Engagement aus christlicher Gesinnung und die Frage: Wes Geistes Kind sind wir?
Dazu will ich kurz anreißen, welche vier Aspekte hierzu wichtiger werden könnten. Ein ‚Ehrenamt der Zukunft‘ dürfte erwachender, neugieriger, offener sein (1) und damit anderslernend (2). Es dürfte die
große jüdische und christliche Tradition der Klagegebete (3) wieder aufnehmen und diese in eine ausgewogene Balance zur großen Freude (4) im Glauben stellen.
1. Erwachend!
„Wachen, aufwachen, die Augen öffnen: Diese Aufforderung durchzieht immer wieder die biblischen Aussagen. … Wir Christen freilich setzen in Sachen Gott und Heil nur zu gern auf Unsichtbarkeit, auf Wahrnehmungsferne, auf ‚unsichtbare Gnade‘. (Johann Baptist Metz, Mystik der offenen Augen, 2011, S. 50) Das genaue Hinschauen und Wahrnehmen scheint eine neue (alte) Herausforderung zu sein. Die Wirklichkeit ist in einer individualisierten Gesellschaft meistens anders als manche Bischöfe, Priester und ehrenamtliche Laien es haben wollen.
Die katholische Biographie ist ein absolutes Minderheiten-Phänomen, ein Bodensatz der Zeitgeschichte. Kirchliche und gesamtgesellschaftliche Wirklichkeit sind (um es vorsichtig auszudrücken) nicht mehr
deckungsgleich! Das verlangt nach einer neuen Qualität des Schauens, des Wachwerdens, des Augen Öffnens und ist auf das Engste verbunden mit dem zweiten Punkt: Anderslernend.
2. Anderslernend!
„Die Mehrheit dagegen lebt einen praktischen Atheismus; sie lebt, als ob Gott nicht wäre… . Das sind Menschen, die wir alle kennen, die wir schätzen und mit denen wir zusammenarbeiten. Sie sind im Durchschnitt keine schlechteren Menschen als der Durchschnitt der Christen.“ (Walter Kardinal Kasper,Die Freude der Christen, 2018, S. 20) Keine günstige Konstellation für christliches Profil! Somit könnte aus dieser Einschätzung vielleicht die Einsicht gewonnen werden, die praktischen Atheisten haben uns auch etwas zu sagen, wir können von ihnen lernen, anderslernen!
An einer dialogischen Begegnung von Kirche und Glaube mit den Fernstehenden und den Desinteressierten führt kaum ein Weg vorbei und wohl auch nicht an einer nicht ganz neuen Forderung nach „subjektiver Sicht der Dogmatik“ (Hans Urs von Baltasar, 1958). Wir könnten lernen von denen, die uns auslachen! Sagte nicht irgendjemand was von ‚Feindesliebe‘?
3. Klagend!
In der deutschsprachigen Theologie ist es wahrscheinlich Johann Baptist Metz, der am eindringlichsten von „den Spuren einer grandiosen Unempfindsamkeit … des europäischen Christentums“ (Metz, 2011, S. 48) spricht. „Ist womöglich zu viel Gesang und zu wenig Geschrei in unserem Christentum?“ (ebd., S. 88) Das Leid ernst nehmen und damit Gott ernst nehmen. Gott braucht unsere Ausreden nicht, warum er das Leid zugelassen hat! Das Leid des Nächsten, das Leid des Fremden, überhaupt das Leid in der Welt ist einer der Knackpunkte christlicher Glaubwürdigkeit. Diese Kernfrage „macht die Leiden und Katastrophen der Anderen zum Stoff der eigenen Anbetung … so werden die Gebete von morgen sein oder sie werden nicht mehr sein.“ (ebd., S. 54)
Deshalb kann unsere Aufgabe nur Mitleiden, Solidarität und Klagegebet sein. Eine große Herausforderung für ein Ehrenamt der Zukunft – vielleicht die Größte!
4. Freudig!
Viele von uns wissen, dass die Projekte und die Vorhaben die größten Chancen haben, die von unserer ehrlichen Begeisterung getragen werden. „Wir sind nicht Herren eures Glaubens, sondern Diener eurer Freude“ (2. Kor 1,24) „Solche Weitung und Begeisterung des Herzens in der Freude tut der Christenheit heute vor allem not.“ (Kaspers, S. 199) Freude und Begeisterung kann ein starkes Zeichen Gottes in uns sein.
Das Zusammenwirken von Gottes-, Nächsten- und Selbstliebe ist das großartigste Konstrukt, das uns Gotteswort in Menschenwort geschenkt hat. Wer sich selbst nicht riechen kann, der stinkt auch dem
anderen! (Bischof Kamphaus, leider kein Kardinal!) Vier Aspekte, die uns bei einer weiterführenden Reflexion über unser ehrenamtliches Engagement in der Zukunft weiterhelfen können. Erwachendes, anderslernendes, klagendes und freudiges, ehrenamtliches Engagement könnte „Gottesleidenschaft“ (Metz) bedeuten!
„Gaudet mater ecclesia!“ (Johannes XXIII.) Täuscht es oder ist die Freude an der ‚Gottesleidenschaft‘ an mancher Stelle gar nicht so groß, die das Ehrenamt so erwachend, anderslernend, klagend und freudig machen könnte. Und da der Autor in allseits katholischer Demut gerne Kardinäle zitiert, nur noch das Eine: „Beim Thema Partizipation handelt es sich in der Tat um den entscheidenden Ernst- und Testfall für die Kirche der Zukunft…“ (Kurt Kardinal Koch, 1991)
Andreas Oshowski, Supervisor und Organisationsentwickler sowie KMB-Diözesanreferent Salzburg