Apostel des Alltags
Johann Baptist Jordan, wie der spätere Gründer der Salvatorianer und Salvatorianerinnen mit bürgerlichem Namen hieß, wurde 1848 in Gurtweil geboren und erlebte als junger, gläubiger Mann den für die Kirche folgenschweren Kulturkampf in Deutschland mit. Der Kernkonflikt damals bestand darin, dass der Staat mehrere Kompetenzbereiche der Kirche, wie schulische Ausbildung und Erziehung, an sich ziehen und einengen wollte. Zudem waren die Ordensgemeinschaften und die Priesterausbildung von neuen Regeln betroffen, welche u. a. die Aufnahme von Novizen verbot und den Kandidaten das Ablegen eines Staatsexamens als Voraussetzung einer staatlichen Anstellung (z.B. als Pfarrer oder in der Jugendausbildung, Schule usw.) aufzwang.
Vor diesem Hintergrund kam Pater Jordan allmählich zu der Überzeugung, dass „der Seelsorger auf der Kanzel, im Beichtstuhl, am Altare nicht mehr genügt“, um Jesu Frohbotschaft ungehindert und unverfälscht zu verkünden: „Wir müssen Laienseelsorger haben, welche auf der großen Kanzel der Welt das Evangelium durch Wort und Leben, durch ihr Handeln und Auftreten lehren und verteidigen. In
Volkversammlungen, in den Beamtenstuben, in Gemeindekollegien, in Vereinen, in den Werkstätten, in Fabriken, in den Druckereien, in den Redaktionen, in den Familien, ja sogar in den Wirtshäusern: überall bedarf unsere Zeit der Apostel, d. h. Katholiken, die keinen Hehl machen aus ihrer religiösen Einstellung.“
Das Echo dieser visionären Forderung klingt herein bis ins 21. Jahrhundert, in dem Kirche und Religion wieder in Ausschluss geraten sind und der Glaube bzw. das Bekenntnis dazu als „Privatsache“ und somit ohne echte Relevanz für das Werden und Gedeihen einer Gesellschaft angesehen werden.
Es ist keine falsche Behauptung, dass Glaube, Kirche und Religion in der säkularisierten Gesellschaft von heute nur wenig oder gar kein Gehör finden, außer das Gesagte stimmt zufällig mit dem Denken und politisieren des Mainstreams überein.
Dann jedoch handelt es sich meist um keine Glaubensverkündigung, sondern um Kommentare zum Zeitgeschehen, welches, wie sein Name schon sagt, geschieht und mit der Zeit vergeht.
Um Glaube, Kirche und Religion in der Gesellschaft allerdings wieder stark zu machen, braucht es mehr! Er braucht Menschen die, neben Priestern und Ordensleuten, ein aktiver Teil dieser Gesellschaft sind, und welche an deren Zukunft teilhaben möchten. Aber Teilhabe setzt Teilnahme voraus. Daher gilt unbedingt für den gläubigen Laien, seinen Glauben durch sein Leben, seine Arbeit, sein tagtägliches Vorbild zu bezeugen; nicht nur im kirchlichen Umfeld, sondern in der Mitte der Gesellschaft, als mitbestimmende, mitlenkende, mitgestaltende und mitverantwortliche Kraft.
Martin Kolozs, Chefredakteur Ypsilon