Von der Schwierigkeit des Schenken
Schenken – eine gefährliche Drohung zu Weihnachten?
Wer kann es sich leisten, einfach nichts zu schenken, sich abzukoppeln von dem, was seit jeher Brauch und Sitte ist und gleichzeitig längst dabei ist, verbraucht zu wirken und zur Unsitte zu verkommen...?
Wie kommt es, dass das Schenken so in Misskredit geraten ist? Aus der Lust ist eine Last geworden. Wie eine riesige düstere Gewitterwolke hängt das Weihnachtsfest ab Ende Oktober über vielen von uns, weil neben der normalen Alltagsbewältigung auch diese speziellen Tage bewältigt werden müssen. Und das kostet Nerven, Energie und vor allem Geld.
Kurzbericht vom Misthaufen
Ich habe jetzt kurz überlegt, warum mir ausgerechnet der Begriff „Misthaufen" eingefallen ist. Nun ja, ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und da gab es einen solchen. Aber das ist nicht alles. Misthaufen lässt an vieles denken – an all die unnützen Geschenke, die irgendwann im Müll landen oder bestenfalls beim nächsten Pfarrflohmarkt, an die Müllberge aus Verpackungsmaterial und Weihnachtspapier, an den akustischen Mist in den Einkaufstempeln, der wohl bei vielen den heftigen Wunsch auslöst, die Ohren schließen zu können und und und...
Schade eigentlich, dass eine an und für sich schöne Sache wie das Schenken inzwischen einen derart schlechten Ruf hat. Guter Rat ist da gar nicht teuer – sie brauchen nur weiterzulesen und vielleicht ist die eine oder andere Anregung für Sie dabei.
Zeit schenken
Oh Gott, werden Sie jetzt innerlich aufschreien. Schon wieder das. Ist in jedem halbfrommen Adventkalender nachzulesen, das kann ich nicht mehr hören. Ich zum Beispiel schenke mir Zeit und gehe schon einmal Ende Oktober einkaufen, besser gesagt ich gustiere. Da sind nicht so viele Leute unterwegs, da bleib ich von Tannenbäumen, Schneerieseln und Kaufhaus-Weihnachtsliedern verschont, da muss ich nicht, sondern ich kann. Und wenn mich nichts quasi „anspringt", ist es auch kein Problem, es bleibt ja noch viel Zeit. Hilfreich dabei ist auch eine kleine Liste – lassen Ihre Angehörigen nicht schon während des Jahres hin und wieder eine kleine Bemerkung fallen, was sie gerne hätten und was ihnen gefällt? Im Oktober weiß ich das nicht mehr, es sei denn ich hab's mir notiert!
Persönliches schenken
Jeder von uns kann etwas. Ich zum Beispiel kann fotografieren. Und meine Kinder inzwischen auch. Was liegt also näher als daraus ein Geschenk zu machen. Seine Talente ins Spiel zu bringen. Das sieht in meinem Fall dann so aus, dass ich aus den gesammelten Fotos eines Jahres ein Fotobuch zusammenstelle, es dreimal drucken lasse und meiner Frau sowie meinen beiden Kindern schenke. Seit dem Jahr 1991 gibt es dieses Jahresalbum, früher mühsam ausgeschnitten und eingeklebt (zwei Seiten gingen sich ca. aus während eines Fußballmatches im Fernsehen), heute eben digital, was die Sache ungemein erleichtert. Unsere Erfahrung: diese Alben werden im Gegensatz zu jenen Bildern, die nur im PC gespeichert sind, gerne immer wieder hervorgeholt und gemeinsam angeschaut – wie oft hieß es schon: wann war denn das oder das – schauen wir einfach im Album nach!
Andere Idee: ein Family-Memory machen mit Fotos – immer zwei ähnliche zusammengehörige Fotos ausdrucken und ihre Kinder oder Enkel werden es Ihnen danken.
Meine Frau kann Kerzen gestalten. Mit Blattwachs, viel Geschmack und viel Geduld. Zu jedem Geburtstag unserer Kinder gab es eine. Mit Motiven, die zur jeweiligen Zeit gerade wichtig waren. Die Kinder haben sie geliebt. Und heftig protestiert, als meine Frau mit der erreichten Volljährigkeit damit aufhören wollte.
Und: was können Sie?
Stress- und kostenminimierende Grenzen einziehen
Gut, meine Frau bekommt immer etwas zu Weihnachten, das hab ich schon erzählt. Aber sonst? Meine Geschwister sind weit weg, die Kinder erwachsen, Onkel und Tanten vielleicht „angrührt", vielleicht aber auch nicht, wenn wir vereinbaren, einander nichts mehr zu schenken oder maximal eine kleine Aufmerksamkeit.
Meine Frau, ich und unsere Kinder samt Partnern sind sechs. Seit vorigem Jahr spielen wir Engerl – Bengerl. Das heißt, jeder zieht traditionell im Rahmen eines Heurigenbesuches geheim einen anderen und der wird dann beschenkt! Und zu Weihnachten wird das Geheimnis gelüftet, einer nach dem anderen packt vor den gespannten Blicken der anderen sein Geschenk aus – sie bekommen dadurch ganz eine andere Qualität. Außerdem hilft die Konzentration auf bloß einen zu Beschenkenden, dass das Geschenk selber einfach passt!
Jeder wie er will. Oder muss!
Manche Menschen tun sich mit dem Schenken ungeheuer leicht. Ich kenne solche. Sie haben Spaß daran, schon mit August damit zu beginnen, Ende November ist alles eingepackt und die Christkindlmärkte sind nur noch Drauf-Gabe. Denen will ich mit diesem Artikel auch nicht den Spaß verderben. Nur: das sind nicht die meisten. Die meisten (Männer) haben sich den 23.12. reserviert, hasten von Geschäft zu Geschäft – das kennen Sie!
Doch letztlich ist das weihnachtliche Schenken eine Chance. Mit der Brachialgewalt aller zur Verfügung stehemden Werbekanäle werden wir daran erinnert, den Nächsten einmal was Gutes zu tun. Da tun (fast) alle mit. Und deswegen liebe ich dieses Fest. Ob gläubig oder nicht, ob reich oder arm, ob jung oder alt, da tun wirklich alle mit. Es kommt so viel Positives in Gang. Väter erinnern sich an ihre Kinder. Ehepartner aneinander. Ungustln reichen einander die Hand. Und da soll noch jemand sagen, Weihnachten könnte ihm gestohlen bleiben!
Rudi Weiß. Der Autor ist Religions- und Persönlichkeitsbildungslehrer und freier Schriftsteller.