Jahr der Barmherzigkeit - Barmherzigkeit Gottes und ewige Höllenstrafe
Unsere ganze Bibel endet mit dem Ruf: Komm, Herr Jesus! (Apk 22,20) Dahinter stand die Vorstellung von der Versöhnung, dem Einswerden der Seele mit Christus und schließlich die Vereinigung der gesamten Schöpfung mit Gott.
Wann das alles geschehen soll? Bald! Die Wiederkunft Christi steht unmittelbar bevor, denn die Gestalt dieser Welt vergeht (vgl. 1Kor, 7,31) noch ehe diese Generation vergangen ist. (vgl. Mt 24,34) Das ist der Tag, auf den man sich sehnsüchtig freute!
Man kann die Welt auch anders erleben. Als von Gott entfremdet, wie es im Johannesevangelium schon deutlich durchbricht, als Schauplatz eines Kampfes zwischen Gut und Böse, als eine Welt, wo höchste Wachsamkeit geboten ist und wo das Risiko der ewigen Verdammnis allgegenwärtig ist. (vgl. Gleichnis von den 10 Jungfrauen), als Bewährungszeit, in der man die Gebote peinlich genau erfüllen muss. Denn am letzten Tag, diesem Tag des Zorns (dies irae) kommt es zur großen Abrechnung.
Gibt es am Ende die universale Versöhnung und Vollendung bei Gott, an der letztlich alle, freilich nach einem beschwerlichen Läuterungsweg, ankommen werden, oder gibt es den zweipoligen Ausgang, eine Gruppe ewig Glücklicher und eine (wesentlich größere) Gruppe ewig Verdammter? Zwei große Theologen stehen für je eine dieser Sichtweisen: Orignenes von Alexandrien und Augustinus von Hippo.
Origenes von Alexandrien (+254)
Er ist wohl der größte Theologe des 3. Jahrhunderts. Die Tempelrede des Petrus in der Apostelgeschichte hat seine Theologie geprägt: „Also kehrt um und tut Buße, damit eure Sünden getilgt werden und der Herr Zeiten des Aufatmens kommen lässt und Jesus sendet als den für euch bestimmten Messias. Ihn muss freilich der Himmel aufnehmen bis zu den Zeiten der Wiederherstellung (Apokatastasis) von allem, die Gott von jeher durch den Mund seiner Propheten verkündet hat. (Apg 3, 19-21)
Wenn Gott die Barmherzigkeit ist und sein Handeln von grenzenlosem Wohlwollen seinen Geschöpfen gegenüber bestimmt ist, dann kann es nicht sein, dass der Großteil von ihnen in ewiger Verdammnis verharren muss. Die Ewigkeit der Höllenstrafe ist somit mit der Barmherzigkeit Gottes unvereinbar. Die Hölle ist vielmehr der Ort der Reinigung, wohin alle kommen werden, allerdings nur eine Zeit lang, um dann endgültig mit Gott versöhnt zu werden. Diese universelle Erlösung ist unter dem Titel Allversöhnungslehre (Apokatastasis panton = Wiederherstellung aller Dinge) in die Theologiegeschichte eingegangen.
Augustinus von Hippo (354-430)
Eineinhalb Jahrunderte später hat der große Kirchenlehrer Augustinus die Lehre des Origenes heftig bekämpft. Er ist der eigentliche Theologe der Hölle, der das Denken der Kirche in dieser Frage nachhaltig geprägt hat. Für ihn ist die Realität und Ewigkeit der Verdammnis durch eindeutige Schriftstellen erwiesen:
Ein Beispiel aus der Weltgerichtsrede: „Weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist“. (Mt 25,41)
Da sind eindeutig zwei Ausgänge der Weltgeschichte dekretiert: „Hier die ewige Pein, dort das ewige Leben“. Die Hölle ist nicht eine Stätte der Läuterung, sondern der Bestrafung. Die Folie dieser Ansicht ist die von ihm begründete Erbsündenlehre, nach der die Menschheit eine „massa damnata“ ist, die nur durch die Gnade Gottes erlöst werden kann. Gott allein legt fest, wer für den Himmel und wer für die Hölle bestimmt ist. Die Zahl der Verdammten ist jedenfalls weit größer, als die der Seligen.
Diese Lehre des Augustinus wurde im II. Konzil von Konstantinopel im Jahre 543, zum offiziellen Dogma der katholischen Kirche erhoben:
„Wer sagt oder glaubt, die Strafe der bösen Geister und gottlosen Menschen sei nur zeitlich und werde nach bestimmter Zeit ein Ende nehmen, und dann komme eine völlige Wiederherstellung der bösen Geister und gottlosen Menschen, der sei ausgeschlossen“. (NR 808)
Das ist von großen Künstlern wie Michelangelo, Luca Signorelli oder Hieronymus Bosch gekonnt ins Bild gesetzt worden. Die Volksfrömmigkeit ist im Lauf der Zeit nicht zimperlich gewesen, die Hölle in all ihren schrecklichen Bildern auszumalen. Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die Gläubigen in furchterregenden Predigten auf die Unausweichlichkeit ewiger Verdammnis eingeschworen, und noch heute haben konservative Kreise panische Angst, die Hölle könnte ihnen abhanden kommen.
Wie sehr Papst Benedikt XVI. mit diesem Problem gerungen hat ist in seiner Enzyklika „Spe salvi“ nachzulesen. Er schreibt: „Ich bin überzeugt, dass die Frage der Gerechtigkeit das eigentliche, jedenfalls das stärkste Argument für den Glauben an das ewige Leben ist. Das letzte Gericht ist so nicht ein Bild des Schreckens, sondern der Hoffnung, nämlich, dass es unmöglich ist, dass das Unrecht der Geschichte das letze Wort hat. Die Gnade Gottes macht das Unrecht nicht zum Recht. Sie ist nicht ein Schwamm, der alles wegwischt, so dass am Ende dann eben doch alles gleich gültig ist, was einer auf Erden getan hat. … Die Missetäter sitzen am Ende nicht neben den Opfern in gleicher Weise an der Tafel des ewigen Hochzeitsmahls.“ (SV 43 f)
Autor: Ernest Theußl; Obmann der KMB Steiermark.