Der Mann Jesus
Es beginnt mit dem christologischen Kerndogma – „ wahrer Mensch und wahrer Gott" –, in dem die „Menschwerdung Gottes" mit gutem Grund die Frage nach der Geschlechtlichkeit Jesu ausklammert. Wobei es den Konzilsvätern von Nicäa (325) und Ephesus (431) dabei wohl weniger um unser gegenwärtiges Verständnis von Geschlechtergerechtigkeit ging. Sie setzten einfach unhinterfragt das Patriarchats voraus, es war klar, dass Jesus männlich war.
Die weitere Geschichte darf als bekannt vorausgesetzt werden, noch bis heute ist das Recht zur katholischen Ordination („Weihesakrament") den Männer vorbehalten – nicht zuletzt mit der Begründung, dass Jesus und seine 12 Apostel männlichen Geschlechts gewesen seien. Wie wenig präzise eine solche Argumentation grundsätzlich ist, soll nicht verschwiegen, aber auch nicht Gegenstand dieser Überlegungen sein!
Zugleich gibt es aber auch das Bild des „sanften Jesus", des Gottessohns, der nicht nur im Jung'schen Sinn die weiblichen und männlichen Anteile jeder menschlichen Identität vollkommen zur Reife entwickelt hat. Schon der Dominikaner und Mystiker Heinrich Seuse (gestorben 1366 in Ulm), amtskirchlich immerhin „selig gesprochen", hat einen Jesus verkündigt, der – in unsere Sprache übersetzt – zwischen „männlich" und „weiblich" wechselte.
Vom Falschen und vom Guten
„Viele Menschen sind so von Wut auf das Patriarchat und auf falsche Männermacht geprägt, dass sie die Anerkennung guter Männermacht und guter männlicher Leidenschaft fürchten." Dieser Satz von Richard Rohr aus seinem viel beachteten Buch „Adams Wiederkehr" bringt den aktuellen Diskurs über den „Mann Jesus" auf den Punkt. In einer Kirche, in der die Deutungsmacht fast ausschließlich in Händen zölibatär lebender Männer liegt, zugleich sich aber das so genannte Volk immer stärker „weiblich" definiert, muss geschlechtsfundierte Männlichkeit verdächtig wirken. Doch es ist höchst überfällig, uns mit Richard Rohr auf die vier männlichen Archetypen Krieger, Weiser, Liebhaber und König auch in Jesu Leben und in seiner Botschaft zu erinnern.
Der „Krieger Jesu" war eben kein unverbindlich harmloser Kritiker an den Missständen seiner Zeit, sondern ein prophetisch kompromisslos auftretender Kämpfer gegen das herrschende Unrecht. Jesu Gewaltlosigkeit war, um es mit Martin Luther King zu sagen, „nichts für Feiglinge". Als „Weiser" predigte und heilte Jesus. Die ihm folgten, waren bereit, alles, selbst ihr Leben aufzugeben. In den Evangelien finden wir keinen einzigen Bericht, dass der „Liebhaber" Jesus sinnesfeindlich oder gar in seiner Zuneigung zu den Menschen sich Zurückhaltung auferlegt habe. Der Archetypus des „Königs" steht für die väterliche Autorität, die von seinen Anhängern, aber wohl nicht nur von diesen, meist uneingeschränkt akzeptiert wurde.
Abschließend noch einmal Richard Rohr wörtlich: „In Jesus finden sich alle vier männliche Archetypen, häufig in dramatischer Ausprägung. Man kann sogar beobachten, wo ihm der Liebhaber den Krieger ausbalanciert, wo der Magier [Weise] den König unterrichtet, der König den Krieger mäßigt und so fort. Jesus bewegt sich sicher auf dem Drahtseil männlicher Integrität, man muss kein Christ sein, um das anzuerkennen".
Hans Putzer. Der Autor ist Leiter des Bildungshauses Maria Trost/Graz.