Mit dem eigenen Vater ins Reine kommen
Vielleicht finden viele Männer es deshalb unangenehm, über ihren Vater und mit ihrem Vater zu reden. Und das ist schade, weil sie sich dadurch von der eigenen Wurzel abschneiden. Einer Schätzung zufolge sprechen dreißig Prozent der heutigen Männer überhaupt nicht mehr mit ihrem Vater. Weitere dreißig Prozent haben ein gespanntes oder feindseliges Verhältnis zu ihrem Erzeuger. Und dreißig Prozent mühen sich redlich, ein guter Sohn zu sein und sprechen mit ihrem Vater bestenfalls über das neue Computerprogramm. Weniger als zehn Prozent der Männer sind mit ihrem Vater befreundet und sehen in ihm eine seelische Stütze.
Fast paradox dazu mutet der immer deutlichere Ruf nach dem Vater in unserer Gesellschaft, in unseren Familien, an. Oder ist gerade deshalb die Sehnsucht nach dem Vater, nach dem Väterlichen, so groß?
Versöhnung mit sich selbst
Mit dem eigenen Vater ins Reine kommen heißt nicht, alle seine Eigenheiten bejahen und mit allem Verhalten einverstanden zu sein, sondern lernen, „den Vater in uns“ anzunehmen und zu lieben. Wem das nicht gelingt, der ist oft uneins mit sich selbst. Die Versöhnung ist also in erster Linie nicht ein „Gnadenakt“ gegenüber dem Vater, sondern einer der befreiendsten Schritte für jeden Mann selbst, ein Schritt zum eigenen Mannsein.Ich selbst habe den Weg des Schreibens gewählt und meine Vatergeschichte aufgeschrieben. Das Buch „Meines Vaters Hände“ ist daraus geworden. Ich habe dabei die Wut über manche Ungerechtigkeiten nachempfunden, die Trauer über den Mangel an Berührung und über die verpassten Gelegenheiten zum Gespräch, die Scham über Unehrlichkeiten und „kleine Betrügereien“ mit denen ich mich ihm gegenüber rächen wollte. Ich habe aber auch Dankbarkeit nachempfinden können. Wenn ich mein Augenmerk auf die Dinge und Werte richte, die er mir für mein Leben vermittelt hat – und nicht auf das, was unzulänglich war oder fehlte – erfüllt mich heute tiefe Dankbarkeit .
Wege zum Vater
Es gibt viele Möglichkeiten, mit dem eigenen Vater ins Reine zu kommen. Wenn Ihr Vater noch lebt, suchen Sie das Gespräch zu ihm. Wenn Sie sich davor auch scheuen mögen, denken Sie daran: jeder Vater, egal wie kritisch oder gleichgültig er nach außen hin auch erscheinen mag, wartet sein Leben lang insgeheim darauf zu erfahren, ob sein Sohn ihn liebt und achtet. Machen Sie einen Spaziergang mit ihm, unternehmen Sie etwas mit ihm, was er gerne tut. Lassen Sie ihn über sein Leben erzählen. Und erzählen Sie ihm, was Sie Gutes von ihm erfahren haben – und was Sie noch belastet.
Sollte Ihr Vater tot sein, gibt es auch einige Möglichkeiten, mit ihm ins Reine zu kommen:
- Schreiben Sie ihm einen Brief, als wäre er noch am Leben. Sie können den Brief anschließend feierlich verbrennen oder Sie können ihn sorgfältig aufbewahren,
- Besuchen Sie die wichtigsten Schauplätze seines Lebens. Manche Söhne sind schon nach Polen, Russland oder nach Mauthausen dazu gereist und „heil“ zurückgekommen
- Sprechen Sie mit Leuten, die Ihren Vater kannten, die etwas über ihn wissen könnten.
- Beschäftigen Sie sich mit Ihrem Familien-Stammbaum
- Nehmen Sie sich vor, von ihm zu träumen. Manchmal gelingt es.
- Sprechen Sie mit einem männlichen Therapeuten über ihn, um so ihre Gefühle und Erinnerungen zu reaktivieren, neu einzuordnen. Vielleicht entschließen Sie sich zu einer Familienaufstellung oder einem „Ahnendrama“ mit einem guten Therapeuten.
Heilende Bibelgeschichten
Die Bibel zeigt uns in der eindrucksvollen Geschichte vom „Verlorenen Sohn“ eine Versöhnung zwischen Vater und Sohn. Lesen Sie diese Geschichte – auch wenn Sie sonst nicht bibelkundig sind – mindestens drei Mal. Stellen Sie sich vor, wie Sie als Sohn, als Vater, als Bruder gehandelt hätten.
Vergeben heißt nicht vergessen oder eine Kränkung verneinen. Vergeben heißt loslassen von Trennendem und wieder Beziehung herstellen. Was immer Sie tun und wie auch immer Sie es angehen: kommen Sie mit Ihrem Vater ins Reine. Sie tun sich selbst viel Gutes!
Zusatzbemerkung des Autors: „Was ich hier als Mann für Männer geschrieben habe, gilt sicher ähnlich auch für Frauen. Auch wenn ihre Vaterbeziehung vom Gegengeschlechtlichen mitgeprägt wird (der Vater als erster Mann im Leben der Tochter/Frau), sind die Bedeutung und die Möglichkeiten, mit ihm ins Reine zu kommen, übertragbar.
Autor: Albert A. Feldkircher. Der Autor ist Männerberater in Vorarlberg.
Buchtipp:
Meines Vaters Hände
Albert A. Feldkircher geht der Bedeutung der Vaterbeziehung für den Sohn nach und tut dies sozusagen modellhaft anhand der erlebten Beziehung zu seinem eigenen Vater. Er erzählt in sehr persönlicher Art, was die Hände eines Vaters bewirken können, wie bedeutsam sie für die Entwicklung zum Mann sind, wie sie das eigene Rollenbild als Mann, Vater, Großvater, prägen. Hände sprechen Bände. Der Autor läßt die Hände seines Vaters sprechen.
Das Buch mit stark biografischem Akzent regt an, über die eigene Vaterbeziehung nachzudenken.
Albert A. Feldkircher, geboren 1947 in Egg/Bregenzerwald, ist verheiratet, Vater von zwei Söhnen und Großvater von fünf Enkelkindern. Er ist in seinem zweiten Berufsweg tätig als Lebens- und Sozialberater und Kommunikationstrainer.
"Meines Vaters Hände", erschien im Verlag Feldkircher GmbH, Verlags- und Presseagentur, A-6111 Volders. Zu beziehen direkt beim Autor: Albert A. Feldkircher, 6863 Egg, Hub 78, albert@feldkircher-trainings.com