Voll der Bringer
Der Tagesanfang ist eine der intensivsten Familienzeiten. Hier ist die Dichtheit des Lebens auf magische zwei Stunden komprimiert erfahrbar. Wenn da die Rollen und Aufgaben nicht klar verteilt sind, wenn sich kurzfristig etwas ändert, weil beispielsweise das am Vortag ausgesuchte Kleid an allen Stellen zwickt, weil keine Erdbeer- sondern nur Brombeermarmelade am Frühstückstisch steht, weil die Lieblingshaarspange unauffindbar ist, weil es regnet oder die Sonne scheint … dann merke ich, wie wir in unseren Verantwortlichkeiten gefordert sind.
Vatersein wird für mich in diesen Momenten konkret. Die Ansprüche der Kinder sowie der Partnerschaft stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Zusätzlich zu den Erwartungen pünktlich am Arbeitsplatz zu erscheinen und das Haus so zu hinterlassen, dass man es auch gerne wieder betreten möchte, bin ich in mitten aller Interessenskonflikte gefordert, ganz da zu sein.
Moderne Männer leben diesen Vereinbarungsspagat Beruf, Familie, Beziehungs- und Eigenzeit in Balance zu halten und scheitern darin regemäßig grandios, ohne es sich wirklich einzugestehen. Im Wandel der Vaterrolle wird deutlich, wie stark Geschlechterverhältnisse in Bewegung sind. Der Wertewandel zeigt sich im schlechten Gewissen, es niemanden recht machen zu können, schon gar nicht sich selbst.
Als Katholische Männerbewegung ermutigen wir Männer mit unserem Väterprogramm sich über ihr Vatersein auszutauschen. Es braucht einen geeigneten Rahmen aber auch Mut aufzuhören, sich mit anderen konkurrierend zu vergleichen. Es braucht Mut, sich einzugestehen, was alles gelingt, was Freude bereitet, was mich verzweifeln lässt, ärgert und frustriert. Es braucht mutige Väter, die sich darauf einlassen herauszufinden, wie sie ihr Vatersein ohne schlechtes Gewissen leben wollen.
Mag. Wolfgang Schönleitner
Artikel ursprünglich erschienen der Zeitung Ehe und Familie des Katholsichen Familienverbandes, http://www.familie.at/site/oberoesterreich/home