
Ein Leben für den Sport
Eine Vatergeschichte erzählt von Sohn Karl
Zum Achtziger gestalteten wir eine Zeitung für unseren Vater. Eine ordentliche Zeitung beinhaltet natürlich auch einen Sportteil – damit wurde ich beauftragt. Ich wusste zunächst nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Lachen, weil ich mir dachte, da hast nicht viele Arbeit, da bist gleich fertig, weinen, weil mir über seine sportlichen Aktivitäten zunächst nichts einfiel. Mein Vater war ein sportlich vollkommen unbeschriebenes Blatt – keine Siege, keine Pokale, ja nicht einmal Doping konnte ihm nachgewiesen werden. Beim Überlegen kam ich schließlich zur Erkenntnis, dass das Wesen des Sports ja Freude an der Bewegung darstellt und mein Vater eben in speziellen Sportarten ganz tolle Leistungen aufzuweisen hatte.
Seine Sportarena war das Bauernhaus Döberl, ganz in der Nähe seines Hauses und woher auch seine Frau stammte. Hier fand mein Vater ideale Trainingsvoraussetzungen in den verschiedensten Disziplinen vor. Exemplarisch, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, seien einige aufgezählt:
- Das Mähen mit der Sense: In früheren Jahren Volkssport Nummer 1, konnte ihn auch die Erfindung des Mähwerks bei der Ausübung dieses Sports nicht stoppen. Mit seiner von ihm selbst bestens präparierten (gedangelten) Sense umkurvte er bereits nach Sonnenaufgang jeden Baum auf den schier endlosen Wiesen des Döberlgutes – zentimetergenau ausgemäht hatte der eine Stunde später auftauchende Bauer mit seinem Mähwerk leichtes Spiel.
- Einen Sport, den er besonders leidenschaftlich ausübte, der ihm aber mitunter auch viel Substanz kostete, war das sogenannte „Hüfi einschlogn“. Auch diesen Sport übte er im Morgengrauen aus, da war er ganz besonders motiviert. Hier konnte er seine Schnellkraft, gepaart mit ausgefeilter Technik, ideal einsetzen und bei großem Zeitdruck, Vater hatte ja auch so nebenbei seinen Beruf auszuüben, setzte er bis zu 100 „Hüfin“ pro Stunde.
- Bis vor wenigen Jahren war Vater auch ein mit allen Wassern, Birnen und Äpfeln gewaschener Mostmacher. Wiederum fand er beim Döberlgut ideale Trainingsvoraussetzungen für diese doch sehr zeitaufwändige Sportart vor. In guten Jahren flossen oft bis zu siebzig Eimer Most vom sogenannten Presskeller in den Mostkeller, wobei später doch auch ein erheblicher Teil durch seine Kehle floss, bis auftretende Gichtbeschwerden seinen Mostkonsum praktisch gegen Null sinken ließen.
- Mein Vater war Zeit seines Lebens mit dem Naturprodukt Holz sehr verbunden. Er machte sich daraus auch seinen Sport, indem er versuchte, in möglichst kurzer Zeit so viel Holz als möglich zu spalten (kliabn). Zum Glück gab es zu dieser Zeit noch keine Maschine und so konnte mein Vater nach Herzenslust mit seiner Hacke dafür sorgen, dass der Scheiterhaufen in der Sportarena Döberl Höhen erreichte, die für uns Kinder in den Osterferien nichts Gutes ahnen ließen – mussten wir doch beim Schlichten der Scheiter ordentlich zupacken!
- Eine Sportart, die Vater nicht im Trainingscamp beim Döberlgut ausübte, da er sie vorwiegend in der Jugendzeit zur Anwendung brachte, ist das sogenannte Da es bei dieser Ausübung der Sportart kaum noch Zeitzeugen gibt, muss ich mich hier auf mündliche Überlieferungen beschränken. Es sickerte aber durch, dass mein Vater, trotz geringer Körpergröße, einen sehr aggressiven Kampfstil entwickelte und – wenn er so richtig „heiß“ war – seinen Gegnern das Fürchten lehrte.
Nein, mein Vater war nie ein Spitzensportler, er bekam nie Pokale, schoss keine Tore, war kaum verletzt, wurde nie ausgeschlossen, machte nie das große Geld – er war nie ein ganz Großer! Trotzdem glaube ich, hat er durch und durch sportlich gelebt, hat seinen Körper nie geschont und in seinen Disziplinen war er bestimmt WELTSPITZE!
Karl Aichhorn