Ich bin eine Karenzleiche!
Ich scheine in keiner Statistik auf. Die Arbeiterkammer hat mich nicht auf ihrem Radar. Wir werden bei den Zählungen zum Mikrozensus als die klassische Vater-Ernährer-Familie für die ersten beiden Lebensjahre unserer Erstgeborenen identifiziert. Meine Familie ist die gelebte Retro-Idylle gegen die sich die sich seit Jahren in der Sozialwissenschaft und in der politischen Diskussion Widerstand formiert.
Ich gebe es zu, ich bin schuldig im Sinne der Anklage. Anstatt als pflichtbewusster Vater in Karenz gegangen zu sein und somit offiziell dokumentiert zu haben, dass ich als ganzer Mann „halbe Sachen machen“ werde, bin ich auf ganzer Linie durch alle Statistikraster durchgefallen: Ich war nicht in Karenz. Ich habe gleich meinen Job gekündigt, um mich gemeinsam mit meiner Frau um unser Erstgeborene zu kümmern.
Doppelt schuldig bin ich damit in den Sinne, dass mit Fug und Recht nun jeder Karenzpapa sagen kann: das war ja nur eine Pseudobetreuung, denn deine Frau war ja eh zu Hause! Da stimme ich mit vollstem Genuss zu, denn es war für uns gemeinsam der „Summer of love“ zu Dritt, außerdem noch eine Herbstzeitlose und ein Winterwonderland. Dieses knappe halbe Jahr der intimen Dreisamkeit möchte ich keine Sekunde missen. Welcher Zweimonatskarenzler kann das von sich behaupten? Auch wenn meine Perspektive sehr privilegiert ist und mir der österreichische Sozialstaat mit seinen Zuwendungen jedwede finanzielle Sorge zu dieser Zeit genommen hat. Die Erfahrungen, die ich machen durfte, voll in die Pflege und Hege unseres Kindes eingebunden zu sein, lassen mich recht gelassen auf die Karenzväterstatistik blicken.
Und ich bin sehr überzeugt, dass da draußen ganz viele Väter mit ähnlichen Erfahrungen ausgestattet sind. Die Möglichkeiten in Karenz zu gehen, gehören sicherlich gefördert, aber das Leben ist zu vielfältig als dass es sich in einer einzigen Kennzahl zusammenfassen lässt.
Wolfgang Schönleitner ist Vater von zwei aufgeweckten Töchtern