Gedanken zur Fastenzeit
Wir gehen auf Ostern zu, auf das Geheimnis von Auferstehung und neuem Leben. Das Fasten kann uns helfen, einen besseren Blick und mehr Aufmerksamkeit zu bekommen für dieses Geheimnis.
Was ist jetzt aber wiederum gemeint mit diesem Begriff ,,Fasten"? Eines ist ganz klar. Fasten bedeutet wesentlich mehr, als weniger oder nichts zu essen. Ich will in der Folge versuchen, mich von verschiedenen Seiten diesem Wort Fasten und der Bedeutung des Fastens anzunähern.
Von der Benutzeroberfläche in die Tiefe gehen
Mir kommt da zuerst ein bestimmtes Bild in den Kopf, auf das ich vor einiger Zeit gestoßen bin. In diesem Bild ist eine Menge übereinander aufgehäufte Edelsteine oder zumindest Halbedelsteine zu sehen. So macht es zumindest den Eindruck. Der Begleitkommentar zu dem Bild fasziniert mich. Denn bei dem Bild handelt es sich um nichts anderes als um einen stark vergrößerten Ausschnitt von einem ganz gewöhnlichen Sandstrand: fünf Milimeter im Quadrat von einem Sandstrand. Aus dem gewöhnlichen Sandkorn wird ein Edelstein, wenn man genau hinschaut und es aufmerksam betrachtet.
Es geht also beim Fasten um so etwas wie eine Tiefenschärfe, um das genaue Hinschauen, um im oftmals Unscheinbaren das Besondere zu entdecken. Dazu will uns das Fasten verhelfen: dass wir von der ,,Benutzeroberfläche" unseres Lebens in die Tiefenschärfe gehen.
Die Kostbarkeiten und Verheißungen unseres Lebens entdecken
Die Fastenzeit lädt uns ein, das eigene Leben ,,unter die Lupe" zu nehmen und es in seiner Schönheit und Kostbarkeit zu entdecken. Die Fastenzeit will uns hinführen an das Potential unseres Lebens und an die echten Quellen unserer Lebenskraft. Fasten ist also ein ganzheitlicher Prozess mit Körper, Geist und Seele - mit einer großen Perspektive hin auf Ostern, hin auf ein Fest des Lebens.
Am Beginn der Fastenzeit, am Aschermittwoch, steht dieses eindrückliche Ritual des Aschenkreuzes mit den begleitenden Worten: ,,Kehrt um und glaubt an das Evangelium!". Dem Thema der Umkehr und den Lebens-Verheißungen der Fastenzeit will ich mich im Folgenden ein wenig annähern.
Wüstenerfahrungen
Fasten heißt: Reduktion auf das Wesentliche. Sehr eindrücklich sehen wir das auch in der Bibelstelle von der Versuchung Jesu in der Wüste (Mt 4,1-11). Jesus geht für 40 Tage in die Wüste bzw. er wird ,,vom Geist getrieben", wie es da heißt.
Das Bild der Wüste kann manches deutlich machen: Die Wüste zwingt zur Reduktion. Die Trockenheit duldet nichts Überflüssiges. Wer zu viel mitschleppt, wird nicht weit kommen.
Reduzieren bedeutet wörtlich ,,zurückführen": zur Quelle des Lebens, zu dem, was wirklich wichtig ist.
In der Wüste muss man mit leichtem Gepäck unterwegs sein. Alles Untragbare muss man zurücklassen, sonst wird es unerträglich. Sich vom Überflüssigen trennen.
Das Wenige aber bekommt auf einmal einen besonderen Glanz. Wenn wir die Fastenzeit mit einem Weg durch die Wüste vergleichen, so könnte darin eine Einladung liegen, das Einfache wieder zu entdecken und schätzen zu lernen. Das Geheimnis der Wüste besteht darin, dass ich das Wenige umso intensiver erlebe. Wer lernt, das Wenige zu verkosten, der erführt, wie köstlich etwa ein Schluck kühlen Wassers aus einem Brunnen schmeckt. Es geht beim Fasten also darum, den Geschmack des Lebens neu zu entdecken oder wieder zu finden.
Begegnung mit dem Dunklen und dem Schatten
Schauen wir wieder auf die Bibelstelle: wir hören da, dass Jesus in der Wüste,,vom Satan in Versuchung geführt" worden ist. Ich möchte das als Bild deuten, das uns sagen will, dass es beim Fasten auch zu einer Begegnung mit dem Dunklen und den Schatten kommen kann.
Fasten bedeutet also auch das anzuschauen, was dunkel ist in mir, was ich aber auch bin, was auch zu mir gehört. Da komme ich mit dem in Berührung, was lebensfeindlich ist, wo meine Lebendigkeit verkümmert und ich mich nicht mehr entfalten kann, wo ich mir selber oder anderen schade.
So wie bei Jesus in der Wüste kann das Fasten mit besonderen inneren Erfahrungen und Wandlungen verbunden sein. Nach der Auseinandersetzung mit dem Dunklen kommt es zu Erfahrungen des Hellen und Lichten: ,,Darauf lief der Teufel von ihm ab und es kamen Engel und dienten ihm." - heißt es da weiter im Evangelium.
Umkehr – ich drehe mich um und entdecke, dass Gott hinter mir steht
Und dann kommt da ja noch dieser Aufruf Jesu zur Umkehr. Umkehr bedeutet nicht: ich soll ein anderer oder eine andere werden, sondern vielmehr: ich drehe mich um und entdecke, dass Gott hinter mir steht. Das ist ein Augenblick und eine Erfahrung, die mich in meiner Tiefe erfasst und erreicht und verwandelt.
Jesus geht es mit seinem Aufruf zu Umkehr um eine grundlegende Verwandlung unseres Bewusstseins: ,,metanoia", das Wort für Umkehr im griechischen Urtext des Neuen Testamentes, bedeutet wörtlich: ,,Ändert euer Denken!". Und in der Folge: Wendet euch dem zu, was euch Leben und Lebendigkeit bringt, was euch die Erfahrung von Tiefe, Sinn und Weite des Lebens bringt: euch persönlich und euch in der Gemeinschaft und Gesellschaft, in der ihr zusammenlebt!
Es geht darum an unseren Kern an unser Inneres heranzukommen. Das aufspüren, wo unsere Lebendigkeit, unsere Ziele und Sehnsüchte sind, wo unsere Hoffnung, unsere Beheimatung und unsere Geborgenheit ist.
Und eines ist sicher: wenn wir hier an uns selber herankommen, dann kommen wir auch ganz nahe an Gott heran, an das, was Gott in uns hineinlegt, an das, was Gott in uns zum Ausdruck und zum Leben bringen will. Genau da ist Gott auch unser ,,Verbündeter", wie das in der alttestamentlichen Geschichte von Noah so schön zum Ausdruck kommt. Ein Regenbogen leuchtet da auf: die Schönheit und Buntheit des Lebens in der Verbundenheit mit Gott.
Eine Veränderung im Innen
Wenn uns das in der Fastenzeit gelingt, dass wir unsere Lebensquellen aufspüren und fließen lassen und dass wir unsere Schattenseiten sehen und annehmen lernen, dann gilt, was der geistliche Autor Anthony de Mello in einem seiner Bücher schreibt:
Dabei geht in mir eine Veränderung vor.
Während um mich her alles gleich bleibt:
die Welt, meine Familie, meine Gefühle, mein Leib, meine Nerven, bin ich nicht mehr derselbe.
Ich bin nun gütiger geworden, nehme Unerwünschtes leichter an.
Ich bin auch friedfertiger, weil ich eingesehen habe,
dass man keine dauerhafte Veränderung mit Gewalt erreichen kann, sondern nur mit Liebe und Verstehen.
(Quelle unbekannt)
Wolfgang Bögl, Theologischer Assistent der KMB