Wie lustig darf der Glaube sein?
Nach der Einschätzung des katholischen Religionspädagogen Martin Jäggle habe es immer wieder ein "Ausbalancieren" gegeben zwischen dem schon in Umberto Ecos Roman "Der Name der Rose" zentralen Diktum "Jesus lacht nicht" und der Lebensfreude, die dem Glauben zu eigen sei. Nicht umsonst sei jedoch für den Religionssoziologen Peter L. Berger Humor ein Zeichen von Transzendenz und für den Theologen Harvey Cox das Gelächter "der Hoffnung letzte Waffe".
Jäggle nahm in einem Interview für das Magazin "ypsilon" der Katholischen Männerbewegung gemeinsam mit Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg Stellung zur Frage: Wie lustig darf der Glaube sein? Beide waren sich darin einig, dass sich Religion und Humor nicht ausschließen, sondern dass Fröhlichkeit Ausdruck einer gläubigen Gelassenheit sei.
Der Wiener katholische Theologe erinnerte an die früher noch größere Unempfindlichkeit in der Kirche gegenüber dem Lachen: So sei es im Fasching im Kölner Dom üblich gewesen, einen Esel auf den Bischofsthron zu setzen und im Kniefall zu verehren; das wäre nach den Worten Jäggles "heute schon fast Blasphemie oder Religionsstörung". Zu Ostern habe sich auch der sogenannte Oster-Witz etabliert: Am Ende des Gottesdienstes habe der Priester einen Witz erzählt, der alle zum Lachen brachte. Und am 28. Dezember, dem "Tag der unschuldigen Kinder", hätten lange Zeit Kinder das Regiment in einem Kloster übernommen.
In Missachtung dieser Traditionen sei vor einigen Jahrzehnten der "lachende Christus" zu einem großen Kunstskandal geworden. Jäggle: "Heute hat man fast den Eindruck, als ob dem Christentum das Lachen vergangen ist." Vielleicht sehe man da eine Grenze zwischen dem, was Lateinkundige "laetitia" (innere Freude) bzw. "gaudium" (Ausgelassenheit) nennen. Es heiße ja letztlich auch "fröhliche" Weihnacht und nicht "lustige" Weihnacht, wies Jäggle hin. Er teile die "Sorge, dass die Freude zu statisch, zu ernst und zu begrenzt ist", und plädierte dafür, auch der ausgelassenen Freude Raum zu geben - etwa beim Tanz. Im Mittelalter sei "das Labyrinth von Chartres getanzt, nicht beschritten worden", so der Religionspädagoge.
Eisenberg: "Religiöser Mensch auch lustbetont"
Oberrabbiner Eisenberg äußerte die jüdische "Meinung, dass ein religiöser Mensch auch lustbetont leben darf", solange dies nicht als das Wesentliche des Lebens betrachtet werde. "Es darf lustig sein, aber nicht immer, es gibt auch ernste Momente." Einer der drei Urväter der Genesis heiße sogar "Der, über den gelacht wurde": Isaak.
Im Judentum sei das Purim ebenso ein fröhlich gefeiertes Fest wie "Simchat Tora", das alljährlich zur Beendigung des Lesezyklus' der Tora begangen wird. Auch im Talmud gebe es die Empfehlung, der Rabbiner solle einen ernsten Talmud-Vortrag "immer mit einem kleinen Witz beginnen, dann werden die Leute aufpassen".
Eisenberg wies auch auf den Unterschied zwischen einem tief frommen Menschen und einem Fundamentalisten hin. Ersterer kümmere sich um die eigene Frömmigkeit, "der Fundamentalist schaut drauf, dass der andere fromm ist ... Weil er alles 'besser' weiß, fehlt ihm jeder Humor."