
Männertagsreferat 2016/2017
Mit diesem Ereignis ist nicht nur der Verlust von öffentlichem Status, gesellschaftlicher Aner-kennung und der Rolle des Haupternährers in der Familie verbunden, sehr häufig gehen damit auch viele Beziehungen verloren, wenn sich beispielsweise herausstellt, dass der Freund doch nur ein Arbeitskollege war. Soziale Beziehungen, die dieses Ereignis überdauern, waren meist von den Frauen geknüpft. So finden sich viele Männer in reduzierten sozialen Netzwerken, die meist weiblich dominiert sind, wieder. Die körperliche Gebrechlichkeit und die nachlassende Leistungsfähigkeit beein-trächtigen das männliche Ideal der Unabhängigkeit und Selbständigkeit und führen Männer in das Erleben der Abhängigkeit. Schließlich drängt sich aufgrund der mit der Todesnähe verbundenen Erfahrung der Endlichkeit die Frage der Lebensbilanz verbunden mit der Frage nach dem Sinn des Lebens in den Vordergrund. Die männlichen Suizidraten, die gerade in diesem Lebensabschnitt einen Höhepunkt erreichen, weisen darauf hin, dass das Alter für Männer ein herausfordernder Lebensabschnitt ist.
Und doch gelingt es nicht wenigen Männern, sich diesen Herausforderungen zu stellen und ein gutes Leben bis zuletzt zu leben. Sie sind bereit, sich mit ihrer Situation und ihrem bisherigen Leben auseinander zu setzen. In Prozessen der Trauer können sie die Ereignisse ihres Lebens integrieren und werden so frei, sich erneut auf ihre menschlichen und spirituellen Quellen des Lebens zu besinnen. Sie finden zu einem veränderten Beziehungserleben, das verstärkt von einem ausgeglichenen Geben und Nehmen geprägt ist, sodass auch Abhängigkeit konstruktiv angenommen und gelebt werden kann. Immer mehr Männer übernehmen selbst Pflege- und Betreuungs-dienste. Menschen in diesem Lebensabschnitt brauchen neben persönlichen sozialen Netzwerken aber auch stabile psycho-soziale Betreuungsstrukturen vonseiten der Gesellschaft. Gerade ihre Qualität ist ein entscheidender Faktor dafür, ob ein würdevolles und gutes Lebens bis zuletzt möglich ist.
Autor:
Dr. Erich Lehner ist Theologe und Therapeut. Seit 1989 ist er als Männer- und Geschlechter-forscher tätig. Er war seitdem im In- und Ausland zu Palliative Care und Hospizarbeit beschäftigt und von 1989 – 1991 Leiter des Wiener Hospiz Teams.
Seit 1996 ist Dr. Erich Lehner als Psychoanalytiker in Wien tätig, seit April 2016 ist er ehrenamtlicher Vorsitzender des Dachverbandes für Männerarbeit in Österreich (DMÖ).