Die Perle der Sexualität
Schon die Philosophie im alten Griechenland postulierte die Notwendigkeit einer Einheit von Körper, Geist und Seele, damit der Mensch mit sich selbst im Einklang sei. In der kirchlichen Tradition wurde die Sexualität – ganz entgegen eines sehr natürlichen Zugangs dazu etwa im Alten Testament – leider über weite Strecken tabuisiert oder gar dämonisiert. Die Abwertung der Sexualität im Christentum geht besonders auch auf außerjüdische Einflüsse und gewisse philosophische Strömungen der Spätantike zurück (Neuplatonismus), die sich wiederum auf die Theologie und Kirchenlehre auswirkten.
Sexualität wurde zunehmend mit Sünde und Schuld in Verbindung gebracht. Lange Zeit wurde in der Kirche die Sexualität ausschließlich auf das Ziel der Fortpflanzung reduziert. Erst seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wird die primäre Funktion der Sexualität in der personalen Begegnung und nicht in der Fortpflanzung gesehen. Christlich geprägte Mystik und Spiritualität ist – besonders im Mittelalter - sehr geprägt von sexuellen und erotischen Bildern, um die tiefe Sehnsucht nach dem Einswerden mit Gott auszudrücken. Es gäbe hier also auch einen großen Schatz in unserer christlichen Tradition, was einen spirituellen Zugang zur Sexualität betrifft.
Nicht zuletzt aufgrund von internen Missständen und Missbräuchen hat sich die Kirche jedoch selber verwirkt, in Fragen der Sexualität als Orientierungshilfe oder moralische Instanz vom Großteil der Menschen heute noch wahrgenommen zu werden.
Nach dem bekannten Paartherapeuten Hans Jellouschek sind viele sexuelle Probleme auch in der „Über-Sexualisierung“ in der heutigen Medienwelt begründet. Das Bild von Sexualität ist seiner Meinung nach heute stark geprägt von einer Überbetonung des sexuellen Lusterlebens. Verbunden damit sind häufig oft sehr hohe Ansprüche und Versagensängste.
Obwohl Sexualität in Medien und Öffentlichkeit praktisch dauerpräsent ist, bleibt Sexualität im zwischenmenschlichen Bereich eher ein Tabuthema. Beeinträchtigungen oder Störungen in der Sexualität haben gerade bei Männern noch immer einen ganz starken Einfluss auf deren Selbstwert und Identität und werden überwiegend im Verborgenen gehalten. Es gibt in Paarbeziehungen oft auch eine große Unbeholfenheit und Sprachlosigkeit im Reden und Austausch über die Gestaltung einer gemeinsamen Sexualität.
Sexualität ist eine tiefe „körpersprachliche“ Form von zwischenmenschlicher Kommunikation, eine starke menschliche Energie, die verbindet und zusammenführt, die unser Leben zutiefst bereichern und erfüllen kann. Der Eros ist eine belebende Kraft. Sexualität ist also viel mehr als Geschlechtsverkehr oder körperliche Vereinigung, sie hat zu tun mit der Fähigkeit zu Berührung und Kontakt, mit Sinnlichkeit, mit Zärtlichkeit und Verbundenheit, mit fruchtbarer und schöpferischer Lebensenergie, mit Geschlechtsrolle und Geschlechtsidentität.
Aus spiritueller Sicht geht es in der Sexualität um Themen wie Lebenslust, Hingabefähigkeit, Klarheit, Verbundenheit, Verletzlichkeit. Sexualität ist von seinem Wesen und seiner Idee her immer etwas Lebensförderliches und niemals etwas Lebensfeindliches.
Impulsfragen:
- Was verbinde ich mit dem Begriff Sexualität?
- Von welchem Bild von und Zugang zur Sexualität bin ich geprägt worden?
- Habe ich gelernt über Sexualität und deren Gestaltung zu reden?
- Wann erlebe ich Sexualität als erfüllend?
- Was sind meine Werte bzw. was ist meine Moral in Bezug auf Sexualität?
- Welche Bilder von Sexualität werden uns medial vermittelt?
- Was ist für mich das Spezifische männlicher Sexualität?
- Gibt es für mich eine Verbindung von Sexualität und Spiritualität?