Der Prophet Amos
Ein Bauer wird zum Propheten
Eine bedeutende prophetische Gestalt des Alten Testamentes ist der Prophet Amos (=„der von JAHWE Getragene“). Zu seiner Zeit ist das Volk Israel geteilt in ein Nordreich und in ein Südreich. Amos stammt aus dem Südreich, genauer aus Tekoa, einem 13 Kilometer südlich von Jerusalem gelegenen Ort. Mit seiner prophetischen Botschaft aber tritt er im Nordreich auf, wohin er sich von Gott gesandt fühlt. Nach den Angaben des Buches ist Amos ein Bauer mit eigener Rinder- und Maulbeerfeigenzucht (Amos 1,1; 7,14), woraus sich ein gewisser Wohlstand ergibt, der ihm Unabhängigkeit ermöglicht.
Die Zeitumstände
Amos wirkt in einer Zeit des äußeren Friedens, in der das Nordreich unter König Jerobeam II. (787-747 v.Chr.) keine Tributzahlungen an die umliegenden Großmächte zahlen muss und einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt. Es entsteht ein monumentaler Staat mit einem aufwendigen Verwaltungsapparat.
Einige wenige Großgrundbesitzer und Händler haben sich auf Kosten der ärmeren Bevölkerungsschichten großen Reichtum erworben. Amos prangert die herrschende Korruption und die soziale Ausbeutung öffentlich an (Amos 4,1; 5,7).
Darüber hinaus hält er sich auch mit seiner Kritik an den religiösen Eliten und an deren scheinheiligen Praktiken nicht zurück. Er warnt davor, sich aufgrund von Opfern, Wallfahrten und anderem gottesdienstlichen Tun in Sicherheit zu wiegen (Amos 5,23-24).
Amos bringt in seinen Reden einen Gott ins Spiel, dem die Geduld ausgeht mit seinem Volk angesichts der vielen Missstände. Der Prophet rüttelt die Menschen auf: Gott verschließt seine Augen weder vor sozialem noch religiös-kultischem Fehlverhalten – beides ist nicht voneinander zu trennen!
Amos spricht von einem unauflöslichen Zusammenhang zwischen dem Glauben und dem gesellschaftlichen Handeln. Wer das nicht beachtet, ist dem Untergang geweiht. So kündigt er ein göttliches Strafgericht an (Amos 8,4-14) und wird wegen seiner unbequemen Botschaft auch wieder aus dem Nordreich vertrieben. Schließlich bewahrheitet sich die Prophetie des Amos: im Jahr 722 v.Chr. wird das Nordreich von den Assyrern eingenommen und vernichtet.
Amos als Brennpunkt einer prophetischen Tradition
Insgesamt geht Amos mit seinen Zeitgenossen hart ins Gericht. Nur im letzten Kapitel endet das Buch mit der hoffnungsvollen Perspektive einer Umkehr und der damit verbundenen Heilszusage Gottes (Amos 9,11-15).
Wir können davon ausgehen, dass hinter der Gestalt des Amos nicht zuerst ein einzelner historischer Mensch steht, der zu einer bestimmten Zeit gelebt hat, sondern eine prophetische Tradition und Schule, die sich wohl über zwei Jahrhunderte hinweg herausgebildet hat. Im Buch und in der Gestalt des Amos verdichtet sich diese Tradition.
Prophetie damals und heute
Amos erlebt in seiner Zeit ein System und eine Gesellschaft, in der das Leben der Wohlhabenden auf Kosten der sozial Schwachen ging. Menschen sind Objekte der Ausbeutung. Frauen werden sexuell unterdrückt und ausgebeutet. Recht wird instrumentalisiert, um Unrecht durchzusetzen. Oftmals liegt auch ein Mantel des Religiösen auf augenscheinlicher Missachtung von Menschenrechten und Menschenwürde. Das ist wohl auch das Zeitlose an der Prophetie des Amos, weil es solche oder ähnliche Missstände zu jeder Zeit und in jeder Gesellschaft gegeben hat und gibt.
Als Katholische Männerbewegung wollen wir uns von der Botschaft des Buches im kommenden Arbeitsjahr herausfordern lassen:
- Was sind Missstände und Fehlentwicklungen in unserer heutigen Zeit?
- Was bedeutet es, Prophet*in zu sein? Wo nehme ich aktuell prophetische Gestalten wahr?
- Wo braucht es mein/unser klares und entschiedenes Auftreten?
- Wozu ruft uns unser Glaube?
Das Buch Amos mahnt jedenfalls bis heute ein, dass ein aus dem Glauben verantwortetes Leben unbedingt mit einem entschiedenen Eintreten für Gerechtigkeit, Menschenwürde und Menschenrechte verbunden ist.
Gestaltungsvorschlag für eine Männerrunde
- Allgemeine Infos zum Propheten Amos durch den Leiter des Abends (Inhalte siehe oben!)
- Gemeinsames Lesen der Bibelstelle Amos 7,10-17
- Die Teilnehmer lesen einzelne Worte oder Passagen noch einmal. Es besteht die Möglichkeit zum Nachfragen bei Unverständnis.
- Austausch in Dreiergruppen
- Welche Missstände würde Amos in unserer heutigen Zeit anprangern?
- Mit wem würde er heute hart ins Gericht gehen?
- Wer ist für mich ein Prophet/eine Prophetin unserer Zeit?
- Einzelarbeit
- Du bekommst die einzigartige Möglichkeit, eine Rede an die Menschheit zu halten. Fasse alles, was dir gerade wichtig ist, in Worte. Lass dabei den prophetischen Geist in dir wirken.
- Jeder, der will, liest seine Rede in der Gruppe vor. Zuerst nur zuhören, erst wenn alle vorgelesen haben, erfolgt ein Austausch darüber.
- Gebet: Vater Unser, KMB-Gebet oder Gebet aus dem Buch „Kraftstoff“, S 57
- Zum Abschluss das Lied „Wir erwarten einen neuen Himmel“ – Liederquelle Nr. 314
Mag. Wolfgang Bögl
Theologischer Assistent der KMB-Linz