Über die Wirkmacht des Wortes
Die Sprache des Johannesprologs klingt für unsere heutigen Ohren irgendwie abgehoben und weltfremd. Bewirkt diese schwer verständliche Sprache aber etwas, was sicherlich nicht in der Absicht des Evangelisten Johannes gelegen ist, nämlich, dass durch eine abgehobene Sprache auch ein abgehobenes Bild von Gott erzeugt wird?
Gott als der Weltferne, der Jenseitige, der im Himmel ruht und der uns hier auf Erden uns selber überlässt. Ein Gott, dessen „Revier“ oder Einflussbereich erst an den Grenzregionen unseres menschlichen Lebens beginnt: in den menschlichen Grenzerfahrungen von Krankheit und Leiden, Alter und Tod, Unfall und Schuld. Wie schaut es aber mitten im normalen, alltäglichen Leben aus: erleben wir diesen Gott eher als fern und abwesend oder können wir ihn als einen erfahren, der „mitten unter uns wohnt“?
Es hat schon seinen Sinn, dass es bei den drei großen kirchlichen Festen Weihnachten, Ostern und Pfingsten sowohl eine Vorbereitungszeit gibt als auch eine darauffolgende Festzeit. So braucht auch die Botschaft von Weihnachten eine Zeit zum Aufnehmen und Verinnerlichen.
Begreifen und erfahren, wer Gott für uns ist
Der Evangelist Johannes hat an den Beginn seines Evangeliums ganz bewusst diesen Hymnus gestellt, man könnte auch sagen, er bildet die "Ouvertüre" zum Johannesevangelium. Bei großen musikalischen Werken - etwa einer Oper - gibt es immer eine Ouvertüre und das Merkmal einer Ouvertüre ist, dass in ihr immer schon die wichtigsten Themen und Motive des gesamten Stückes oder Werkes anklingen. Das ist auch im Johannesprolog so.
Wenn wir den ersten Satz dieses Hymnus hören: „Im Anfang war das Wort“, dann weckt das die Erinnerung an einen anderen ganz bekannten Hymnus, den wir jedes Jahr in der Osternacht hören. Nämlich den Bericht von der Erschaffung der Welt, der am Beginn des Alten Testamentes steht und wo es heißt: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Das ist eine vom Evangelisten Johannes ganz bewusst gestaltete Parallele: dieser Text am Beginn seines Evangeliums soll also so etwas sein wie ein zweiter Schöpfungsbericht.
Im Alten oder Ersten Testament wird uns ein Gott vorgestellt, der sich in allem zeigt, was ist und lebt, in der Natur, in der Pflanzen- und Tierwelt, und natürlich in den Menschen. Und jetzt, im Neuen oder Zweiten Testament, da erfahren wir noch mehr und noch tiefer, wer und wie Gott ist.
Am unmittelbarsten können wir etwas über Gott erfahren und erkennen in Jesus, dem „fleischgewordenen Wort Gottes“ - wie es im Johannesprolog heißt. Und zwar im „ganzen“ Jesus: in seiner Geburt, in seinem Leben und Wirken, in seinem Leiden, in seinem Tod und in seiner Auferstehung.
Wenn man den gesamten Johannesprolog vor sich hat und genau nachlesen kann, kann man auch erkennen, dass hier wirklich alle diese Themen schon anklingen in diesem schönen und zugleich anspruchsvollen Text. Und so wird auch hier wieder deutlich, dass das ganze menschliche Leben Platz hat, dass es die Botschaft von einem ganz erdnahen, menschennahen und menschenfreundlichen Gott ist.
Wie wichtig die Sprache ist …
„Im Anfang war das Wort“. „Wort“ heißt im griechischen Urtext „Logos“ und dieser Begriff „Logos“ hat gleich mehrere Bedeutungen: Wort, Sprache, Sinn. Wir können bei diesem Anfangssatz des Johannesprologs also immer auch mitdenken: im Anfang war die Sprache oder im Anfang war der Sinn.
Vielleicht kann uns das dazu anregen, einmal diesen Zusammenhang von Wort und Gott, von Sprache und Sinn näher zu betrachten - und vor allem auch, dass unsere Worte, die wir sprechen, direkt oder indirekt auch etwas mit Gott zu tun haben und Sinn stiften können. Wie gehen wir um mit Worten, mit unserer Sprache - gerade auch in Bezug auf die Menschen, mit denen wir leben und arbeiten? Aber auch: finden wir heute in der Kirche eine Sprache, die die Menschen verstehen können?
Ich sehe hier auch eine gesellschaftspolitische Bedeutung. Wenn wir einen Blick auf unsere Zeit werfen, dann müssen wir leider eine deutliche Verrohung unserer Sprache feststellen. Fast täglich sehen und hören wir, wie achtlos bisweilen in der Öffentlichkeit, in Politik und Medien, mit Sprache umgegangen wird. Und wie wichtig ein behutsamer und verantwortlicher Umgang mit Sprache wäre.
Unsere Erfahrung kann es bestätigen: in zärtlichen, aufbauenden, tröstenden oder ermutigenden Worten - ja, da erfahren wir Leben. Und es lässt sich gewiss sagen, dass sich in solchen Erfahrungen Göttliches ereignet. Gott traut jedem Menschen zu, positive, lebensfördernde und sinnstiftende Worte zu sprechen. Und so kann Tag für Tag die neue Schöpfung rund um uns herum spürbar und erfahrbar werden. In der Geburt Jesu gibt uns Gott sein Wort, seine Zu-sage. Und aus dieser Zusage können wir leben und handeln.
So möchte ich an den Schluss meiner Weihnachtsgedanken den Wunsch des Apostels Paulus aus seinem Brief an die Gemeinde von Ephesus stellen:
„Gott erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr berufen seid, und welchen Reichtum er in Jesus und seiner Botschaft euch, seinen Gläubigen, schenkt.“
Mag. Wolfgang Bögl, Theologischer Assistent der KMB OÖ