Der Nikolaus auf Besuch
Es hat Josef Wöß immer schon gefallen, als Heiliger Nikolaus verkleidet durch seinen Heimatort Helfenberg im oberen Mühlviertel zu ziehen. Seitdem er einen echten – mittlerweile ergrauten – Bart trägt, mag er es fast noch bisschen mehr.
Denn: „Der künstliche Bart war lästig“, erinnert sich der 67-Jährige an seine Anfänge als Nikolausdarsteller. Wobei es auf den Bart ohnehin nicht ankommt, meint Wöß. Viel spannender finden die Kinder das schöne Gewand, die Bischofsmütze und den schweren Bischofsstab aus Metall. Letzterer ist in den vergangenen zwanzig Jahren, in denen Wöß als Nikolausdarsteller
unterwegs ist, schon durch viele Kinderhände gewandert.
„Den Stab zu halten, mögen die Kinder besonders.“ Wöß besucht den Kindergarten und die Volksschule, die Gemeindeärzte, Geschäfte des Ortes und heuer sogar die Polizei. Abends klopft er an die Türen jener Familien, die ihn zu sich nach Hause einladen. „Wenn ich reinkomme, lasse ich den Kindern zuerst
viel Zeit, mich anzuschauen. Und ich erkläre ihnen, dass wir den Festtag des Heiligen Nikolaus feiern.“
Keine Erziehungsfigur
Auch wenn christliche Bräuche in einer säkularisierten Gesellschaft zunehmend an Bedeutung verlieren: Nikolausbesuche in Kindergärten, Schulen oder im eigenen Zuhause sind nach wie vor sehr gefragt. „Kinder lieben den Heiligen Nikolaus. Sie freuen sich, wenn er kommt, und nehmen ihn als ihren Freund wahr“, bestätigt Philipp Jurenich, Diözesanverantwortlicher der KMB in der Diözese Eisenstadt. Der bärtige Schutzpatron der Kinder, der Notleidenden half und großzügig seine Gaben verteilte, sei bei Kindern, Eltern und Pädagogen gleichermaßen
beliebt und ein Vorbild für soziales Handeln.
Damit die Botschaft des Heiligen unverfälscht ankommt, lädt die KMB der Diözese Eisenstadt zusammen mit der Katholischen Jungschar seit einigen Jahren zur Schulung für Nikolausdarsteller ein. Denn so einfach es ist, Kindern mit dem Nikolausbesuch eine Freude zu machen, es gibt doch ein paar Fallstricke, die man vermeiden sollte.
No-Go Nummer eins: Den Nikolaus als Erziehungsfigur zu missbrauchen. Erziehen ist Aufgabe der Eltern, betont Philipp Jurenich. „Man muss sich das einmal
vorstellen: Da kommt ein Fremder im Kostüm und hat ein Sündenregister dabei, aus dem er vorliest. Für die Kinder ist das beschämend.“ Nicht mit Geschenken.
Nicht mit Geschenken übertreiben
Nikolausdarsteller Josef Wöß hat zwar selbst keine Nikolausschulung absolviert. Dass er Kinder nicht tadelt, stand für ihn aber immer außer Frage. „Ich möchte die Kinder ermutigen und loben, ihnen die christlichen Werte wie helfen, teilen und Freude vermitteln weitergeben. “ Einen erhobenen Zeigefinger oder gar eine Figur wie den Krampus hält er dabei für völlig unangebracht. „Als Kind habe ich
den Krampus selbst erlebt, wie er mit der Kette gerasselt hat. Das war nicht besonders angenehm.“
Viel lieber verteilt Wöß die Geschenke, die er in seinem großen Jutesack dabeihat. Das sind selbst gebackene Lebkuchen in den öffentlichen Einrichtungen, bei den Hausbesuchen deponieren die Eltern Geschenke vor der Haustür, damit sie der Nikolaus den Kindern überreichen kann. Die Tendenz mancher Eltern und Großeltern, bei den Geschenken zu übertreiben, beobachtet Wöß mit Bedauern. Nicht zuletzt weil er bei seinen Hausbesuchen auch auf die „Sei so frei“-Projekte der KMB aufmerksam macht. Der Überfluss der Kinder hier und die Not der Menschen in anderen Teilen der Welt stehen für ihn im Widerspruch. „Ich
glaube auch, dass die Geschenke für die Kinder gar nicht so wichtig sind.
Authentisch bleiben
Auch wenn man heute nicht allzu viel gesichertes Wissen über die historische Figur des Heiligen Nikolaus hat, Tatsache ist: Nikolaus ist keine Phantasiefigur. Im vierten Jahrhundert war er Bischof von Myra, verteilte sein Vermögen unter Notleidenden und ist heute einer der bekanntesten kirchlichen Heiligen. Nikolausdarsteller sollten sich dessen bewusst und um Authentizität bemüht sein. Das bedeutet unter anderem, sich nicht als Weihnachtsmannkopie ausgeben und auf ordentliche Kostümierung Wert legen. „Das Gewand kann man sich im Internet
besorgen. Oder man fragt in der Pfarre, was man sich ausborgen kann“, empfiehlt Philipp Jurenich. Für Kinder sei es spannend zu sehen, wie ein Bischof gekleidet ist und was für Utensilien er bei sich hat. Eine Bischofsmütze, ein Brustkreuz, einen
Bischofsstab. „Wichtig ist auch, immer bei der Wahrheit zu bleiben und nicht vorzugaukeln, man würde allwissend sein, weil man vom Himmel aus alles sehen kann.“
Auf Augenhöhe
Man müsse den Kindern auch nicht vorspielen, man sei der echte Nikolaus, sagt Jurenich. In vielen Kindergärten sei es sogar üblich, dass sich eine den Kindern vertraute Person vor ihren Augen verkleidet. „Sobald sich die Person umgezogen hat, ist es für die Kinder ohnehin so, als würde der echte Nikolaus vor ihnen stehen. Auch wenn sie eigentlich wissen, dass es der Herr Pfarrer oder die Lehrerin ist.“ Ebenfalls Teil der Schulung ist der Umgang mit Kindern. „Nikolausdarsteller sollten ein Gespür dafür entwickeln, wann sich Kinder fürchten und wie viel Nähe und Distanz sie brauchen.“ Grundsätzlich entscheiden die Kinder immer selbst, wie nahe sie dem Nikolaus kommen möchten. Den Darstellern empfiehlt er, sich nicht über die Kinder zu beugen, sondern sich auf Augenhöhe mit ihnen zu begeben. Nikolausdarsteller Josef Wöß beherzigt das bei seinen Besuchen. Er setzt sich gern neben die Kinder an den Esstisch, plaudert mit ihnen und freut sich über die Zeichnungen, die manche von ihnen vorbereitet haben. „Oft singen wir noch etwas und zum Schluss beten wir ein Gebet wie das Vater Unser miteinander. Die Eltern bekommen von mir noch einen Kalender, eine Schoko und nach spätestens 20 Minuten müssen wir schon weiter zur nächsten Familie.“
Autorin: Sandra Lobnig