Dienstag 19. November 2024

Jägerstätterbiographin zum 70. Todestag Franz Jägerstätters

Vom Geächteten zum Seligen

Erna Putz und Georg Locher (Kulturinstitut Berlin). © Kulturinstitut Berline

 

Mit einer großen Gedenkfeier erinnert das Österreichische Kulturforum Berlin am Donnerstag und Freitag an den 70. Jahrestag der Hinrichtung Franz Jägerstätters durch die Nationalsozialisten. Jägerstätter-Biografin Erna Putz nahm in ihrem Vortrag am Donnerstagabend den Wandel in der Rezeption des Ehepaares in den Blick: Wurde die Weigerung Jägerstätters, aus Gewissens- und Glaubensgründen für die Nazis in den Krieg zu ziehen, auch nach dem Zweiten Weltkrieg lange geschmäht, stellt vor allem die 2007 erfolgte Seligsprechung des Märtyrers einen Höhepunkt in der positiven Trendumkehr dar. Von der Geächteten und Ausgegrenzten zur vielfach Gewürdigten: So lässt sich nach Erna Putz auch die öffentliche Haltung zu der heuer 100-jährig verstorbenen Witwe Franziska Jägerstätter bestimmen - parallel zu jener bezüglich ihres Gatten.

 

Der steinige Weg der Anerkennung der Gewissensentscheidung Jägerstätters werde bereits am Standpunkt der Rechtsprechung deutlich: Es dauerte bis zum 7. Mai 1997, bis das Unrechtsurteil vom NS-Landgericht Berlin, das Franz Jägerstätter am 6. Juli 1943 wegen "Zersetzung der Wehrkraft" zum Tode verurteilt hatte, aufgehoben wurde. Für Franziska Jägerstätter war es eine "Genugtuung, dass von staatlicher Seite festgestellt wurde, dass ihr Mann kein Verbrecher gewesen sei", so Putz. Auch ehemalige Soldaten seien vom Faktum der Rehabilitation eines Wehrdienstverweigerers beeindruckt gewesen. "Es bedurfte offensichtlich bei manchen eines Formalaktes, um die NS-Rechtsmaßstäbe überwinden zu können", sagte die österreichische Historikerin.

Auch innerhalb der katholischen Kirche habe es eines Wandels in Fragen der Gewissensfreiheit und Menschenwürde bedurft, um Franz Jägerstätter zu würdigen. Der 1946 zum Linzer Bischof ernannte Josef Fließer, mit dem Jägerstätter noch als Weihbischof über seine Bedenken hinsichtlich eines Kampfes mit der Waffe für Hitler-Deutschland äußerte, habe die "damals übliche Position" vertreten: "Als Familienvater stünde es Franz nicht zu, Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit des Kriegs zu entscheiden, das sei Sache der weltlichen Obrigkeit", erläuterte Erna Putz.

 
Achtung der Gewissensfreiheit setzt sich durch

50 Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil gehöre das Faktum der Gewissensfreiheit "unabdingbar zum christlichen Selbstverständnis". Deshalb konnte Papst Benedikt XVI. die am 26. Oktober 2007 erfolgte Aufnahme Jägerstätters in das Verzeichnis der Heiligen und Seligen damit begründen, er habe "sein Leben hingegeben in hochherziger Selbstverleugnung, mit aufrichtigem Gewissen in Treue zum Evangelium und für die Würde der menschlichen Person".

Überhaupt sei der Glaube, die "religiösen Angebote seiner Kirche, insbesondere die Bibellektüre" die zentralen Quellen Jägerstätters gewesen, aus denen "der junge Bauer Energie für seinen Widerstand schöpfte". Untrennbar damit verbunden sei auch die Ehe mit Franziska: "Franz ist undenkbar ohne Franziska", erinnert die Jägerstätter-Biografin und langjährige Begleiterin der Witwe. Dafür sei Franziska innerhalb des Dorfes und darüber hinaus als Schuldige gebrandmarkt worden. "Die anderen Frauen, deren Männer im Krieg geblieben sind, waren die bedauerten Witwen; mich haben sie behandelt als die Mörderin meines Mannes", erzählte sie Erna Putz. Erst mit 1. Februar 1950 wurde Franziska Jägerstätter eine Witwenpension zuerkannt.

 
Kontroverse Straßenbezeichnung

Dass die Würdigung Franz Jägerstätters selbst bis in die 1990er Jahre hinein umstritten gewesen sei, verdeutlichen Kontroversen um Straßen- und Platzbezeichnungen: Ein 1993 in Braunau neu geplanter Brunnen hätte per Gemeinderatsbeschluss - entgegen der Stimmen der FPÖ - nach Franz Jägerstätter benannt werden sollen. Das Vorhaben wurde ein Jahr später zum Wahlkampfthema und der Braunauer Gemeinderat erteilte schließlich im Dezember 1994 sowohl dem Brunnen als auch einer Jägerstätterstraße eine Absage. In Linz scheiterte die Absicht, die nach dem SS-Brigadeführer und Oberbürgermeister Franz Langoth benannte Straße Ende 1985 in Jägerstätterstraße zu ändern, an Anrainerprotesten. Aus der Langothstraße wurde die "Kaisergasse" und erst 1988 wurde eine Jägerstätterstraße an anderer Stelle beschlossen, führte Putz aus.

Die Gedenkfeierlichkeiten zum 70. Jahrestag des Todes von Franz Jägerstätter werden am Freitag ab 15.30 Uhr vor der Justizvollzuganstalt in Brandenburg/Havel fortgesetzt, wo Franz Jägerstätter am 9. August 1943 hingerichtet wurde. Der oberösterreichische Pfarrer Alfons Einsiedl wird dabei in Anwesenheit zahlreicher Ehrengäste den letzten Brief Jägerstätters verlesen. Nach einer Gedenkmesse um 18 Uhr wird Erna Putz einen zweiten Vortrag zu "Franz und Franziska Jägerstätter - Wachsen und Werden einer Entscheidung" halten.


"Herausragender Antifaschist"

Brandenburgs Landesregierung hat den vor 70 Jahren hingerichteten Kriegsdienstverweigerer Franz Jägerstätter (1907-1943) geehrt. Bei einer Feier am Freitagnachmittag in der Gedenkstätte Zuchthaus Brandenburg-Görden würdigte Finanzstaatssekretärin Daniela Trochowski den seliggesprochenen oberösterreichischen Bauern und Märtyrer als "herausragende Persönlichkeit des christlichen Widerstands gegen den Faschismus", berichtete die deutsche katholische Nachrichtenagentur KNA.

Sein Mut zum Widerstand gegen das Regime habe Jägerstätter von der breiten Masse unterschieden, betonte Trochowski. "Dies wiegt umso schwerer, als er seine Entscheidung als Einzelner, unabhängig und sogar gegen alle Autoritäten - auch in der eigenen katholischen Kirche - getroffen und trotz aller Widerstände an ihr festgehalten hat", so die Staatssekretärin. Jägerstätter habe seine pazifistische und religiöse Prinzipienfestigkeit auch über die Liebe zu seiner Frau und seinen Kindern gestellt.

An der Gedenkfeier nahmen auch österreichische Vertreter teil, darunter der Bürgermeister von Jägerstätters Heimatgemeinde St. Radegund, Simon Sigl.


(Quelle: Kathpress, gec)

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