Eine sehr ernste Frage der Zeit, kann man beides zu gleicher Zeit sein? Als einst in Österreich die Sozialdemokraten stark am Ruder waren, sagte uns die Kirche, ein Sozialdemokrat kann unmöglich auch Katholik sein. Und Jetzt? Will nun gleich zu Beginn ein kurzes Erlebnis schildern, was ich in einer Jännernacht 1938 erlebte. „Erst lag ich fast bis Mitternacht im Bett ohne zu schlafen, obwohl ich nicht krank war, muss aber dann doch ein wenig eingeschlafen sein, auf einmal wurde mir ein schöner Eisenbahnzug gezeigt, der um einen Berg fuhr, abgesehen von den Erwachsenen strömten sogar die Kinder diesem Zuge zu und waren fast nicht zurückzuhalten, wie wenige Erwachsene es waren, welche in selbiger Umgebung nicht mitfuhren, will ich am liebsten nicht sagen oder schreiben.
Dann sagte mir auf einmal eine Stimme: „Dieser Zug fährt in die Hölle.“ Gleich darauf kam es mir vor, als nähme mich jemand bei der Hand. „Jetzt gehen wir ins Fegefeuer“, sagte dieselbe Stimme zu mir. Was ich da für ein Leiden geschaut und verspürte war furchtbar, hätte mir diese Stimme nicht gesagt, daß wir ins Fegefeuer gehen, so hätt ich nicht anders geglaubt, als ich würde mich in der Hölle befinden. Es waren wahrscheinlich nur Sekunden vergangen, während ich dies alles geschaut. Dann hörte ich noch ein Sausen, sah ein Licht und alles war weg. Weckte dann gleich meine Frau und erzählte ihr alles, was sich zugetragen hatte.
Bis zu jener Nacht konnte ich natürlich nie recht glauben, dass die Leiden im Fegefeuer so
groß sein könnten. Anfangs war mir dieser fahrende Zug ziemlich rätselhaft, aber je länger die ganze Sache ist, desto entschleierter wird mir auch dieser fahrende Zug. Und mir kommt es heute vor, als stellte dieses Bild nichts anderes dar als den damals hereinbrechenden oder schleichenden Nationalsozialismus mit all seinen verschiedenartigen Gliederungen wie z.B. N.S.D.A.P - N.S.W - N.S.F - HJ. usw. Kurz gesagt, einfach die ganze Nationalsozialistische Volksgemeinschaft, alles, was für sie opfert und kämpft. …
Aus: Franz Jägerstätter: Gefängnisbriefe und Aufzeichnungen, Erna Putz (Hg.), Passau – Linz, Veritas Verlag, 1987.124f