Maria Dammer erklärte, über ihren Vater habe sie selbst keine Erinnerungen mehr, sondern wisse alles über ihre Mutter Franziska (1913-2013), sowie „aus seinen Briefen und aus dem, was er aufgeschrieben hat“.
Während seines Lebens und noch viele Jahrzehnte danach habe es in ihrem Heimatdorf St. Radegund (Oberösterreich) kaum Verständnis für die Entscheidung ihres Vaters „gegen das Kämpfen und für den Glauben“ gegeben, berichtete Dammer. Erst in den jüngsten Jahren habe sich dies geändert und man verstehe es nun schon eher, „auch die alten Leute, die noch leben, und die Kriegsteilnehmer aus St. Radegund, die bis auf einen schon alle verstorben sind“.
Für die damals junge Familie habe es damals bei Jägerstätters Wehrdienstverweigerung „nicht viel zu verstehen gegeben. Es war einfach so. Wir konnten nichts zu seiner Entscheidung beitragen“, berichtete Dammer. Ihre Mutter Franziska Jägerstätter habe die Entscheidung des Vaters „akzeptiert und mitgetragen“, auch als alle anderen auf ihn einredeten und versuchten, ihn umzustimmen. „Er war schon ganz verzweifelt, und da hat halt die Mutter das so angenommen, wie es gekommen ist.“
Der Glaube habe Dammers Mutter, die „sehr gottergeben“ gewesen sei, dabei sehr geholfen. Franziska Jägerstätter wollte nach dem Tod ihres Mannes auch nicht mehr heiraten. „Meine Mutter war nur sieben Jahre verheiratet und hat 70 Jahre als Witwe gelebt.“
Eine besondere Bedeutung für ihren Vater maß Dammer dem Vorarlberger Pallotiner-Pater Franz Reinisch zu, der wie Jägerstätter den Kriegsdienst verweigerte und deswegen am 21. August 1942 in Brandenburg hingerichtet wurde. Von dem Ordensmann, für den seit 2013 ein Seligsprechungsprozess läuft, soll Jägerstätter noch im Gefängnis erfahren haben: „Darüber war mein Vater recht froh, kann man sagen, weil er ja mit seiner Entscheidung recht alleine war.“ Reinisch, der als Prediger in ganz Deutschland unterwegs war, machte keinen Hehl aus seiner Ablehnung des Nationalsozialismus und weigerte sich den Fahneneid zu leisten. „Dass ein Priester auch so denkt und handelt wie er, war für ihn eine Genugtuung“, so Dammer über ihren Vater.
Erst als Erwachsene habe sie den Nachlass und die Briefe ihres Vaters gelesen, erinnerte sich Dammer. „Besonders den Abschiedsbrief zu lesen war etwas sehr Besonderes.“ Kurz vor seinem Tod hatte Jägerstätter einen Brief verfasst und sich bei seinen Unterstützern bedankt und seine Entscheidung begründet. „Wenn man es schafft, in seiner Situation noch allen zu verzeihen, muss man ja ein Heiliger sein“, so die Tochter des Seligen.
Maria Dammer beim Grab ihrer Eltern Franz und Franziska Jägerstätter in St. Radegund. © Diözese Linz / Kraml
Der Innviertler Franz Jägerstätter, Landwirt, Mesner und Familienvater, hatte sich aus Glaubensgründen geweigert, mit der Waffe für das Nazi-Regime in den Krieg zu ziehen. Daraufhin wurde er vom Reichskriegsgericht in Berlin wegen „Wehrkraftzersetzung“ zum Tod verurteilt und vor 75 Jahren, am 9. August 1943, in Brandenburg an der Havel durch Enthauptung hingerichtet. Die Urne mit seiner Asche wurde nach Kriegsende nach St. Radegund gebracht und dort am 9. August 1946 beigesetzt.
Der Seligsprechungsprozess wurde 1997 offiziell eröffnet und ab 1998 vom heutigen Linzer Bischof Manfred Scheuer als Postulator geleitet. Am 1. Juni 2007 bestätigte Papst Benedikt XVI. das Martyrium, woraufhin die Seligsprechung am 26. Oktober 2007 im Linzer Mariendom stattfinden konnte. Als Gedenktag wurde der 21. Mai festgesetzt. Jägerstätters Ehefrau Franziska, die für seinen religiösen Glauben eine große Rolle spielte, verstarb am 16. März 2013, wenige Tage nach ihrem 100. Geburtstag.