Am 9. August 1943 wurde der innviertler Bauer und Kriegsdienstverweigerer Franz Jägerstätter in Brandenburg ermordet. Zum Gedenkjahr an den Ausbruch des 1. Weltkrieges waren Gäste aus den USA am 9. August 2014 in St. Radegund, die an den Kriegsdienstverweigerer des 1. Weltkrieges Ben Salmon erinnerten.
Der Theologe und Ethiker Prof. Michael Baxter (De Paul University Chicago) war mit der Tochter Ben Salmons – Sr. Elisabeth Salmon und der Friedensaktivistin Pat McSweeney nach Österreich geladen worden, um einen Einblick in das Leben und Denken des amerikanischen Kriegsdienstverweigerers zu geben und Parallelen zu Franz Jägerstätter aufzuzeigen.
Baxter hielt im Pfarrheim Tarsdorf seinen Vortrag vor dem internationalen Publikum, darunter auch die Tochter Franz Jägerstätters Maria Dammer sowie der Innsbrucker Bischof Manfred Scheuer und der oberösterreichische Missionar in Brasilien Jose Hehenberger.
Kriegsdienstverweigerer des 1. Weltkriegs
Ben Salmon folgte 1917 nicht der Einberufungsaufforderung der US-Armee. Er brachte in zahlreichen Briefen an die US Regierung seine Einstellung zum Ausdruck: Der Krieg ist mit seiner christlichen Einstellung nicht vereinbar. Salmon wandte sich in Folge auch oft gegen die Theorie des sogenannten „gerechten Krieges“. „Ich verweigere den organisierten Mord zu unterstützen. Ich muss Gott zuerst dienen. Indem ich ihm diene, ist es unmöglich, anders zu handeln“, so Ben Salmon in seinem Brief als Antwort auf die Einberufung. In den folgenden Jahren wurde Salmon mehrfach inhaftiert und 1918 von einem Kriegsgericht wegen „Propaganda und Desertation“ zu Tode verurteilt. Das Todesurteil wurde danach in 25 Jahre Haftstrafe umgewandelt.
Obwohl der Krieg in Europa einen Monat später zu Ende war, wurde ihm die Haft nicht nachgelassen. Er engagierte sich auch in seiner Haft für den Frieden und wurde dafür mit Einzelhaft bestraft. Die amerikanische Bürgerrechtsbewegung nahm seine Argumente und seinen Fall auf und erreichte dadurch eine größere Aufmerksamkeit im ganzen Land. Diese Bewegung und einige Personen aus der Katholischen Kirche bemühten sich um seine Freilassung und erreichten, dass er im November 1920 frei kam.
Michael Baxter charakterisierte das Engagement Ben Salmons mit Beharrlichkeit, Glaubensstärke und dem konsequenten Folgen seines Gewissens. Baxter analysierte in seinem Vortrag in Tarsdorf auch die Situation der Katholischen Kirche in den USA zum Zeitpunkt des Ausbruches des 1. Weltkrieges. Wie viele andere Historiker auch, stellte Baxter fest, dass die Katholische Kirche den Krieg voll unterstützte. Die nationalistischen Ziele waren stärker als die Apelle des Papstes Benedikt XV. für den Frieden. „Die Christen waren nicht eins in Christus, sondern getrennt und Feinde“, so Baxters Analyse.
Eine besondere Freude war es, dass Ben Salmons Tochter - die 89-jährige Sr. Elisabeth Salmon - auch beim Jägerstättergedenken teilnahm und ihre Erfahrungen mit ihrem Vater schilderte. „Mein Vater war ein sehr humorvoller Mensch und das war offensichtlich auch seine Rettung“, so Sr. Elisabeth.
Verbindung Salmon und Jägerstätter
In Tarsdorf kam auch die mögliche Verbindung zwischen Ben Salmon und Franz Jägerstätter zur Sprache. Beide waren Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen und aus dem christlichen Glauben heraus. Beide konnten die damaligen menschenverachtenden Ideologien durchschauen und aufzeigen.
Auch durch die Beschäftigung mit Ben Salmon kam der amerikanische Historiker Gordon Zahn in seiner soziologischen Forschung mit dem Thema der „Gewissensverweigerung“ in Berührung. Seine Dissertation schrieb er zum Thema „Was befähigt uns dazu, nicht zu sehen, was passiert?“ Er stieß in diesem Zusammenhang auf Franz Jägerstätter, als einen Menschen, der „sah, was passierte“. Die Beschäftigung Gordon Zahns mit Franz Jägerstätter war ja wesentlich für die Jägerstätterrezeption.
Seit 30 Jahren internationales Jägerstättergedenken zum Todestag
Seit rund 30 Jahren treffen sich jedes Jahr zum Todestag Menschen aus der ganzen Welt, um an Franz Jägerstätter und sein Erbe zu denken. Zur Todesstunde um 16.00 Uhr kamen auch heuer Mitglieder der Familie Jägerstätter und über 100 Menschen aus vielen Ländern der Welt in der Pfarrkirche St. Radegund zusammen. Das Gebet um den Frieden in der Welt stand dabei im Mittelpunkt.
Den Gottesdienst am Abend leitete der Innbrucker Diözesanbischof Dr. Manfred Scheuer, der als gebürtiger Oberösterreicher mit seinen Forschungen wesentlich zur Seligsprechung Jägerstätters beigetragen hat.
Seine Predigt hatte die Friedensarbeit zum Inhalt. Scheuer charakterisierte zuerst die „Architektur des Krieges“ als eine, die aus Dummheit und Stumpfheit krank macht und die Seele des Menschen schädigt. Scheuer ging ausführlich auf die Hintergründe und Folgen des Ersten Weltkrieges ein. „Eine Folge des Ersten Weltkriges war die sich ausbreitende Vorstellung, dass unterschiedliche Menschen nicht zusammenleben können. Durch nationalistische Fehlentwicklungen sollten homogene Nationen geschaffen werden, in denen es keinen Raum für andere oder für Minderheiten gibt“, so Scheuer in seiner Predigt.
Architektur des Friedens
Scheuer beschrieb dann als Gegenentwurf die „Architektur des Friedens“. Als Säulen des Friedens nannte er die in der Enzyklika „Pacem in Terris“ von Papst Johannes XXIII. angeführten Säulen: Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit. „Franz Jägerstätter ist ein Vorbild und ein Zeuge dieser Säulen“, so Scheuer weiter: „Wir haben heute im Vortrag gehört, dass im 1. Weltkrieg dem Vaterland Altäre errichtet wurden. Franz Jägerstätter hat Ideologiekritik betrieben. Er war nicht dumm und verblendet, sondern klar und weitsichtig. Er ist Märtyrer, der vor die Alternative: Gott oder Götze, Christus oder Führer, gestellt war. Aus seinem gebildeten und reifen Gewissen heraus hat er ein entschiedenes Nein zum Nationalsozialismus gesagt.“ Scheuer erinnert daran, dass Menschen heute in einen Strom von vorgefertigten Meinungen hineingenommen werden. Auch hier kann Franz Jägerstätter ein Zeuge sein. Er hatte keine Angst vor der eigenen Meinung, die gegen den Mainstream war. „Er hat für seine innere Freiheit den Preis der Einsamkeit bezahlt. Mit Ausnahme seiner Frau haben ihn fast alle in Kirche und Gesellschaft nicht verstanden und allein gelassen. Positiv war, der sich dadurch entfaltende Raum der Freiheit und der Gottesliebe.“
Mit einer Lichterprozession zum Grab von Franz und Franziska Jägerstätter wurde der Gedenktag am 9. August beschlossen.