Digitaler Turmbau zu Babel - Prof. Dr. Werner Thiede
Wo der Welt, die den meisten Religionen als Gottes Schöpfung gilt, eine neue, virtuelle Welt zur Seite gestellt oder ihr aufgepfropft wird, drängt sich die Frage auf: Ist dieses Neue, von Menschen Gemachte am Ende eine Emergenz der Schöpfung, ein Implikat des Auftrags an den Menschen, die Schöpfung zu entwickeln und zu bewahren? Oder sind die neuen Dimensionen und Veränderungen, die das Digitale mit sich bringt, titanischer Ausdruck der Ambivalenz allzu menschlichen, nämlich immer auch sündigen Strebens? Der Vortrag gliedert sich in drei ausgewählte Hauptpunkte. Zuerst soll das Gesamtphänomen der Digitalisierung unter dem Aspekt der Vermehrung von Unfreiheit im Zeichen des Digitalen angegangen werden. Zweitens wird gefragt, was die Durchdigitalisierung aus der Menschenwürde macht. Drittens ist zu überlegen, ob der Anschluss von allem und jeden ans Internet mehr ist als ein gesellschaftspolitisches oder ideologisches Phänomen, ob es also womöglich auch um religiöse Dimensionen geht. Von daher bleibt die Frage nach der Rolle der christlichen Kirchen zu stellen: Sollen sie die digitale Revolution konstruktiv-kritisch und dankbar begleiten, oder sollten sie eher zur Avantgarde derer gehören, die angesichts einer höchst problematischen Entwicklung zu Besinnung und Umkehr aufrufen?