Berta Wimmer: Das Wunderbild vom Erzengel Michael
Mein ehemaliger Klassenlehrer war ein begabter Maler - auch Hinterglasmaler. Er gab auch Kurse in Sandl. Er war ein Pädagoge, wie es selten einen gibt, und deswegen bei uns Kindern sehr beliebt.
Ich habe ihm ein Gedicht gewidmet, das ich im Verlag in Puchheim beim München veröffentlichen ließ. Als Dank durften mein Bruder und ich ihn besuchen und uns ein Bild aussuchen. Leider war es die Mittagszeit und der Lehrer und seine Frau waren beim Herrn Pfarrer eingeladen. Er zeigte uns seine Galerie von Heiligenbildern. Leider konnte er mir von der Serie keines schenken.
Er ging mit mir in den Keller, wo karges Tageslicht war. Im Kasten hatte er die Bilder zum Verschenken. Er zeigte mir zwei Bilder, die für mich nicht infrage kamen. Beim dritten Bild sagte ich "dieses", obwohl ich keine Freude daran hatte. Ich sagte: "Und wer ist dieser Heilige?" Es war der heilige Georg, der Drachentöter. Er vermerkte es auch auf der Rückseite und gab auch sein Autogramm. Wir verabschiedeten uns und fuhren heimwärts.
Am nächsten Tag holte ich das Bild aus der Tasche. Ich traute meinen Augen nicht: Aus dem heiligen Georg dem Drachentöter war ein Engel mit Flügeln geworden. Ich rief den Lehrer an und sagte: "Alfred, auf der Fahrt hat der heilige Georg Flügel bekommen." Es war ihm ein Rätsel, denn er hatte nie einen Erzengel Michael gemalt, nur Heilige. Natürlich hat jetzt das Bild vom heiligen Michael seinen Ehrenplatz.
Vor zirka zwanzig Jahren war ein Aufruf im Radio: Wer ein Bild von dem Engel hat, der mit zwei Kindern über die Brücke geht, soll sich melden. Zu dieser Fernsehsendung wurde ich eingeladen. Es moderierte Herr Walter Witzany. Ich habe ein Gedicht über den Schutzengel geschrieben. Leider hatte ich Lampenfieber und traute mich nicht, es vorzutragen. Dieses Gedicht hat nach zwanzig Jahren auch noch seine Gültigkeit:
Schon oft habe ich gehört und gelesen,
trotz dem Unglück sei der Schutzengel dabei gewesen.
Besonders die Kinder sind in Gefahr,
wir wissen es alle, wie oft dies schon war.
Am Schulweg und beim Spiel, man glaubt es kaum,
ein Augenblick nur und aus ist der Traum.
Darum, liebe Kinder, von mir ein Appell,
ein kleines Gebet am Morgen, er hilft ja ganz schnell.
Für uns Erwachsene ist es auch keine Schand,
eine Bitte zum Engel um seine schützende Hand.
Berta Wimmer aus Laakirchen